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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 5 - Trang Ouls Triumph

Kapitel 38 - Diener der Zerstörung

Mein Freund entfernt die Hand von dem Kristallgeschwür. Gibt mir einen "na siehst du?"-Blick.
Ich schüttle den Kopf. "Folg mir. Ich kenne den Weg."
"Was? Woher?"
Gute Frage. Ah, aber diese Antwort kenne ich auch.
"Der Berg führt mich."
Er wirft nervöse Blicke durch den Raum. "An diese Religion könnte ich mich gewöhnen ..."
Ich zucke mit den Schultern. "Was auch immer funktioniert, nicht?"
Wir schreiten durch selten von Menschen betretene Passagen, die hier und da trotzdem beschmutzt, besudelt, zerstört sind. Ein schmerzhafter Anblick. Man sieht die Verursacher in den Schatten lauern - Baals Diener beobachten uns. Mehr als einmal sehe ich die Luft schimmern ... sind es Seelen? Die Blitze spuckenden Geister? Wenn ja, dann haben wir uns durchaus Einiges erspart.
Gerade als mir der Gedanke kommt, weist mein Freund mich auch darauf hin.
"Gutes Auge", komplimentiere ich ihn. "Wobei ..."
Meine Steinfaust ballt sich und öffnet sich wieder. "Zumindest mir wären sie, glaube ich, relativ egal!"
Er reagiert säuerlich auf mein Grinsen. Ich fahre fort: "Das heißt natürlich, dass du darauf verzichten musst, Skelette neu zu erschaffen."
"Und? Wir erwarten doch keinen Kampf!", entgegnet er. Die Frequenz seiner nervösen Blicke in alle Richtungen verdoppelt sich. Ja, das stimmt natürlich. Feind hört auch mit.
"Ja, Meister", sage ich tonlos, um die Konversation zu beenden. Je länger wir reden, desto schneller wird Baal merken, dass dieser Mensch nicht der General ist, an den er sich erinnert.
Ich führe uns zu einer Brücke über einen Abgrund, aus dem es ominös rot leuchtet. Mein Freund wirft einen Blick hinein. "Sind wir über dem Seelenstein?"
"Korrekt. Da hinten ist die erste Treppe nach unten."
Er stutzt. "Wenn der Weltstein da unten ist, warum sind wir in einem Turm?"
"Die Räume oben sind bewohnbar für die paar Barbaren, die hier im Jahr vorbei kommen und alles in Ordnung halten, oder sich und andere für Zeremonien vorbereiten. Alles weiter unten ist heilig. Natürlich ist der Stein im Inneren des Berges - und dort darf man nur zu besonderen Zwecken hin."
"Um den Boden zu wischen?", scherzt er. Ich grinse sardonisch zurück.
Im ersten Untergeschoss halte ich an einer Kreuzung kurz inne. "Da hinten ist ein Wegpunkt. Für Notfälle."
"Keine Zeit", schüttelt er den Kopf. Ich stimme zu. In stummer Übereinkunft bewegen wir uns schneller - für uns beide mühelos möglich, immerhin schwebt er, aber natürlich darf Baal nicht den Eindruck bekommen, wir müssten uns beeilen, um ihn aufzuhalten ...
Noch ein Stockwerk ...
Und dann sind wir ganz unten. Das Licht hier ist anders, der Weltstein überstrahlt alles in blutigem Rot. Was nicht die Farbe ist, die er haben sollte. Die Gänge hier unten sind enger, heilige Kammern zweigen ab, die wir ignorieren. Man hört den Lärm von Monstern, die die heiligen Objekte zerstören. Wir kommen an Mondfürsten vorbei, den großen Stiermonstern; mein Freund beweist Nerven aus Stahl, indem er geradeaus weiterschwebt, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Er ist durchaus ein Held. Nur lange kein so glamouröser, wie er es sich lange eingebildet hat.
Die Vorkammer des Allerheiligsten ist erreicht. Keine Fußsoldaten befinden sich hier, zwischen den Säulen, die massiv, schmucklos, die tiefen Geschosse des überraschend filigran gebauten Turms tragen. Alles lenkt den Blick geradewegs zu einem hohen Podest, auf das steile Stufen führen, zu steil um gelassen bestiegen zu werden. Jeder Schritt erfordert Hingabe. Darauf stand ein Altar, und hinter dem Altar ist ein Portal, das direkt in die Kammer des Weltsteins führt, welche anders überhaupt nicht zugänglich ist - es sei denn, man wirft sich von den Brücken. Kaum ein Mensch ist je durch das Portal geschritten. Nun, was sich jetzt statt dem Altar auf dem Podest befindet, war ja auch schon lange nicht mehr menschlich.
Baal ist grotesk auf Tal Rashas Form hervorgebrochen. Einzig ein verzerrtes Gesicht, überspannte Haut über zu glatten Knochen, erinnert noch daran, dass dies einmal die sterbliche Hülle eines Horadrim war, der ein solches Opfer beging. Darum herum ist Baals Körper gewuchert, eine Krabbenspinne mit Stacheln, hervorspringenden Tentakeln und korallenartigen Auswüchsen scheinbar zufällig verteilt. Während wir langsam näher treten, in gespielter Verehrung aber tatsächlicher Abscheu, bricht ein solcher Auswuchs ab. Zäher Schleim tritt hervor, folgt nicht der Schwerkraft, windet sich nach oben, ist jetzt ein Tentakel; schlingt sich um einen Stachel, bricht ihn ab, rammt ihn an einer anderen Stelle in die zitternde Masse. Der Tentakel erstarrt, wechselt die Farbe, wird reflektierend, dann brechen aus ihm Kristalle, machen ihn zu einem neuen Korallenarm.
Der Stachel, den er zurück in Baal gerammt hat, ist jetzt wieder oben spitz. Der Herr der Zerstörung setzt sich in Szene - nicht einmal sein eigener Körper ist sicher vor seiner Lust, zu vernichten. Nur so kann er gedeihen.
Mein Freund entzaubert die Knochengeister, die ihn tragen, und fällt auf ein Knie. "Mein Gebieter."
"General", dröhnt Baal. Seine Stimme lässt den Stein unter meinen Füßen vibrieren. "Du hast dein Anliegen schön begründet, wie ein guter Schuljunge. Gut genug, dass ich persönlich hier bin, um dir zu sagen, warum es sehr unwahrscheinlich ist, dass deine Wünsche erfüllt werden."
"Ich war Euch immer treu!", protestiert mein Freund.
"Warum bist du dann nicht zu mir gekommen?", donnert es zurück. "Ich hätte dich zu einem großen Befehlshaber der Hölle gemacht. Aber du wolltest ja nicht sterben! Deine Seele war auf Sanktuario gefangen, für Jahrhunderte! Erwartetest du ernsthaft, dass ich in all der Zeit in der Hölle, in all den Kämpfen an der Seite meiner Brüder gegen die tausendfach verfluchten Geringeren Übel, keine neuen Gefolgsleute finden würde?"
"Keiner von ihnen ist mehr ein Mensch. Die Zeit hat ihre Seelen zu Dämonen gemacht. Nur ich bin in der Lage, als der beste von ihnen über die Einwohner von Sanktuario zu regieren!"
"Das mag sein. Und weißt du was? Ich werde dir sogar eine Chance geben, dieses Argument vorzubringen. Zum Beispiel an Colenzo!"
Baal macht eine Geste mit einem seiner noch vage menschlichen Arme, aus dessen Hand sich eine leuchtende Kugel löst. Sie prallt auf den Boden ...
Und wir sind plötzlich umgeben von kleinen Gefallenen, die bis auf ihre schreiend lilane Haut exakt so aussehen wie die lächerlichen Dämonen, die wir zu Beginn unserer Reise in Scharen abschlachteten. Komplett mit einem Schamanen! Dieser grinst den Menschen, der ihm gegenüber steht, wild an.
"Colenzo war einer der ersten, die sich mir angedient haben. Er hatte nie große Ambitionen, was ich begrüßte, aber damit kommt man nicht weit. Deswegen steht er in dieser Form vor dir. Dennoch, vielleicht genügt sie? Ich versprach ihm zumindest ein Königreich. Wie wäre es mit ... Kurast, oder was davon übrig ist? Los! Kämpft! Bis zum Tod!"
Der Blick meines Freundes schießt zu mir. "Eine Leiche! Schnell!"
Ich habe mich schon in Bewegung gesetzt, packe mit einer Geschwindigkeit, die hier sicher niemand von einem Steinklumpen erwartet hat - nicht einmal ich, sei gedankt, heiliger Arreat! - einen der Dämonen. Eine Geste meines Fingers, und sein Genick bricht. Die frische Leiche werfe ich zwischen seine Kollegen ...
Es donnert viermal, fünfmal in schneller Folge.
Colenzo ist alleine, umgeben von zerfetzten Überresten seiner Diener.
Er hebt den Stab und kreischt. "So bekommst du mich nicht! Ich gebiete über Feuer - deine Kräfte sind wirkungslos!"
Ein Feuerball löst sich auf dem Stab. Mein Freund hat sich aber schon vom Boden gelöst, die Knochenrüstung umgibt ihn komplett - er schwebt ein paar Zentimeter zur Seite und der Schuss geht ins Leere.
Colenzo zischt, dreht sich um und will davonlaufen ...
Er prallt gegen eine Knochenwand.
Dann prallt meine Faust gegen sein Gesicht, und es zerfetzt ihn. Von innen, sogar; aber seine Detonation kann nicht einmal einen Splitter von meiner Steinhaut entfernen.
Baal lacht wie eine Lawine, die gleich ein Bergdorf auslöschen wird. "Sehr gut, sehr gut! Du hättest mich auch sehr enttäuscht, wenn du nicht einmal Colenzo besiegen könntest. Aber was ist mit Achmel? Er hat mir einen Plan geschildert, der so gut ist, dass ich ihm glatt anbot, ihn umsetzen zu dürfen! Wenn er gegen dich siegt, darf er sämtliche Toten Sanktuarios aus ihren Gräbern holen und mit einer Armee der Untoten die Lebenden ausradieren!"
Wieder eine glühende Kugel, und wir sind plötzlich umgeben von großen Mumien. Die bandagierten, mit übergroßen Totenmasken verdeckten lebenden Leichen haben eine Schar an Skeletten mitgebracht, die sich bis hinter die Säulen ausbreitet.
"Du hältst dich also für einen Nekromanten ... ", haucht Achmel, ihr Anführer. "Soll ich dir zeigen, wie das geht ...?"
"Ich verzichte", gibt der "General" zurück. "Von Narren brauche ich keinen Unterricht."
"Ich war der größte Totenbeschwörer, der je gelebt hat ... weit vor deiner Zeit ..."
"Gelebt hat, ja. Wie kannst du der größte sein, wenn du nicht einmal Herr über deinen eigenen Tod warst? Das macht dich mir unterlegen. Und dass du versuchst, mich mit untoten Dienern zu bekämpfen, beweist deine Narretei."
Mein Freund klatscht zweimal kurz hintereinander klirrend die Hände zusammen.
Die Skelettarmee fällt ihren Gebietern in den Rücken. Achmel hat nicht einmal Zeit, einen Laut der Überraschung zu hauchen, bevor er zerfetzt wird.
Mein Freund schwebt nach hinten und lässt die Skelette in Formation treten. "Damit ist auch dieses Problem gelöst", bemerkt er mir gegenüber trocken.
Baal applaudiert mit feuchtem Klang. "Die Toten waren auch nie meine bevorzugten Diener. Wie wäre es mit Batuc? Er möchte die Lebenden versklaven, wie er es auch getan hat, bevor er in die Hölle kam!"
Die leuchtende Kugel landet vor der Skelettschar. Sie gibt Dämonen frei, die den verdrehten Ratsmitgliedern aus Kurast nachempfungen sind - nicht mehr ganz humanoide, vom Hass mutierte Kreaturen. Wer von ihnen auch immer Bartuc ist, verschwendet keine Zeit; sie alle heben die Hand zum Zauber, und Feuerschlangen wachsen aus dem Boden. Deren Mündern entspringen Feuerblitze, und ihre Beschwörer setzen ebenfalls nach, steuern weitere Geschosse bei. Ich bemerke, dass die Skelette das nicht gut vertragen; mehrere werden sofort vernichtet.
Aber wir haben grob geschätzt dreißig von ihnen. Batuc und seine Diener verschwinden hinter einen Wand aus Knochen, und diese Wand teilt sich erst wieder, nachdem niemand mehr zurückschießen kann.
"Der nächste!", ruft mein Freund. Baal hat sein überhebliches Grinsen eingebüßt.
"Ventar ist einfach gestrickt. Er will alles niederbrennen. Darin ist er allerdings fantastisch. Wie wirst du dich gegen ihn schlagen?", begleitet der Herr der Zerstörung seine nächste Beschwörungskugel.
Als sie zerplatzt, stehen Balrogs im Raum. Balrogs, die Flammen speien. Und leider, wie gerade festgestellt, kommen die Skelette damit überhaupt nicht zurecht. Sie zerplatzen förmlich.
"Minderwertig ... ", spuckt mein Freund verachtend. "Aber was solls ..."
Und damit detoniert er die Leichen von Batuc und dessen Dienern. Das tötet nur etwa die Hälfte der Balrogs; sicherlich nicht ihren Anführer. Dieser feixt. "Ich werde dich zerschmettern, General!"
Er rennt auf seinen Gegner zu ... und prallt gegen mich. Sein riesiges Dämonenschwert mit der umgekehrten Krümmung saust herab, ich lenke es etwas angestrengt mit meinem Handrücken ab, ramme ihm meine Faust in die Magengrube. Das wirft ihm zurück, aber nur weil seine Füße nach hinten rutschen; seine Kampfeslust ist ungebrochen. Das Feuer aus seinem Inneren badet mich ... Mein Kinnhaken lässt ihn den Mund wieder schließen. Das Feuer hat mir ohnehin wenig ausgemacht. Er brüllt, seine Klinge trifft mich, und diesmal verliere ich tatsächlich einen Steinsplitter. Sein Rückhandschlag soll mich wegfegen, aber dafür bin ich zu schwer; seinen nächsten Hieb blocke ich mit beiden Fäusten, setze nach ...
Da reißt es ihn nach hinten. Drei Skelette haben seine Flügel gegriffen. Noch einer von seinen Dienern lebt, rennt zu Hilfe, spuckt Flammen auf sie ...
Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden halten sie es problemlos aus. Dann kommen drei Wächterskelette, frisch erschaffen aus Balrogleichen, und setzen dem letzten Diener Ventars ein Ende. Dieser fällt endlich zu Boden, ich springe auf seine Brust, und zwei Skelette rammen ihm spitze Knochenwaffen in die Augenhöhlen.
"Das ist nicht einmal zerschmettert, das ist wie ein Insekt zertreten ...", murmle ich.
Baal ist unzufrieden. "Du weißt, dass du diese meine Diener nur zurück in die Hölle geschickt hast? Sobald sie dort wieder zu sich finden, werden sie dich suchen, und sie werden dich noch lange für diese Demütigung zahlen lassen."
"Ihr geht davon aus, dass ich meinen Weg auch dorthin finden werde."
"Du wirst gegen meine größte Kreation nicht gewinnen können, General!", spuckt Baal. Er ist definitiv sauer, dass wir seine Besten so mühelos ausgeschaltet haben, ob er sie jetzt dauerhaft verloren hat oder nicht.
"Ach, Ihr habt etwas Eigenes erschaffen, statt nur die Monster Eurer Brüder zu kopieren?", ätzt mein Freund. Gewagt, aber ich habe das Gefühl, dass es Baal nicht mehr wirklich wütender machen kann. Und wenn ja, dass uns das nur zugute kommen wird. "Meine Diener der Zerstörung sind die Krönung meines Wissens! Und ihr Anführer mein größter Diener. Meine rechte Hand, die du hättest sein können, General! Er war der erste, den ich zurück holte, um Sanktuario zu unterwerfen. Zu früh, offenbar. Du kennst ihn bereits in einer Form, die zu schwach für dich war. Aber jetzt ist er perfekt. Wünsche ihm ein erneutes Willkommen, und dann verabschiede dich schnell - von Lister, dem Quäler!"
Die leuchtende Kugel trifft auf, und was aus ihr entsteht, passt fast nicht zwischen die Säulen. Es ist ein halbes Dutzend grotesker Körper, eindeutig inspiriert von Baals eigener Korruption des Fleisches - gigantische Biester, auf vier Beinen gehend, zwei Meter hoch und drei lang, massiv scheinend, aber in Wirklichkeit schlank, jedoch überwuchert von Geschwüren und wild um sich schlagenden Tentakeln. Mäuler, asymmetrisch, schnappen zahnlos nach leerer Luft - dann haben sie Zähne, und beißen sich ins eigene Fleisch - dann geifern sie Säure, die den Boden dampfen lässt.
"Duuuu!", brüllt einer von ihnen, der noch etwas größer ist als die anderen, und unter dessen beunruhigend menschlich aussehender Haut die Muskeln noch ein wenig überzogener geschwollen sind. Seine Kralle, die am Ende eines Arms statt eines Fingers ist, deutet zitternd auf mich. "Ich kenneeee diiiich! Doreleem! Du muuuuusst leideeeen!"
"Hallo, Lister", schnarre ich zurück. "Als Mondkuh gefielst du mir besser."
Er brüllt seinen Zorn in die Kammer, deren Decke dadurch das Bröckeln beginnt. Mein Freund schwebt ganz nah zu mir, damit ich ihn verstehe.
"Wir brauchen unbedingt eine Leiche. Der da hinten, der sein Bein nachzieht, siehst du ihn? Das ist unser Ziel. Wir werfen alles auf ihn. Wenn du ihn schnell genug tötest, kann ich sprengen und damit die um ihn herum ablenken, dann machst du einfach weiter.
Wenn nicht ..."
Lister setzt sich in Bewegung.
"... mach einfach!"
Ich sprinte los. Lister bäumt sich vor mir auf, will mich zerschmettern; erst, als er bereits einen gewaltigen Hieb nach unten begonnen hat, ändere ich leicht die Richtung, lasse mich auf den Rücken fallen, gleite Stein auf Stein mit dem Schwung des ersten Anlaufs über den Boden, gerade schnell genug, dass seine Masse hinter mir aufprallt. Es fühlt sich an wie ein Erdbeben, und ich tu mir leicht schwer beim Aufstehen und Weiterrennen. Lister fährt herum, bedenklich schnell, hinter mir her; ich laufe weiter, sehe, wie ihn die Skelette belästigen. Er fegt eines mit einem Schwung seines so unglaublich falsch proportionierten Kopfes weg, der untote Diener fliegt gegen eine Säule, zerbirst. Zwei weitere senken ihre Waffen in Listers Flanke, was er ignoriert. Er zieht sie mit. Mir nach. Aber jetzt habe ich einen Diener erreicht, der sich ebenfalls aufbäumt. Es scheint, dass diese Monster nicht wirklich wissen, was sie mit ihren absurden Körpern anstellen sollen - Kraft besitzen sie sicher, aber Koordination? Dies ist sicher die einfachste Möglichkeit, anzugreifen, die ihnen einfällt. Einfach nur fallen lassen. Aber das macht sie natürlich einfach verwundbar. Diesmal halte ich inne, lasse das Ding vor mir niederstürzen, und springe hoch, auf dessen Schädel. Die feuchte Haut bietet keinen besonders guten Halt für meine polierten Steinfüße; ich gleite ab.
Da prallt der vor Wut blinde Lister in seinen Diener, und ich weiß kurzzeitig nicht mehr, wo oben und unten ist.
Lande dann doch auf dem Rücken vor meiner selbsterklärten Nemesis. Ich will mich wegrollen, aber er hat aus seinem Fehler gelernt, schlägt statt von oben von der Seite zu und wirft mich mühelos gegen die Wand. Ich spüre etwas in meiner Schulter brechen.
Stemme mich mit dem unversehrten Arm hoch; nicht aufgeben! Der Dämon mit dem schlechten Bein, gegen den Lister geprallt ist, wankt immer noch von dem Aufprall ... aber jetzt ist Lister zwischen ihm und mir. Wie komme ich an dieser Masse aus Fleisch vorbei?
Währenddessen rücken die anderen weiter vor ... ich muss dringend einen von ihnen töten!
Lister macht sich daran, zu mir zu laufen ... da lösen sich die zwei Skelette von ihm, die er ignoriert hat. Packen den Kopf des verletzten Dieners, halten ihn fest.
Ein Knochenspeer bohrt sich in sein fixiertes Auge. Sofort danach zerreißt es ihn, eine Kadaverexplosion von bisher selten gesehener Sprengkraft, als hätte das Fleisch selbst etwas dagegen, in dieser verdrehten Form zu bleiben. Lister stolpert, die weiter hinten stehenden seiner Diener ebenfalls. Aber die vorderen ...
"Zu mir, Do ... Golem!", ruft mein Freund. "Lenke sie ab!"
Lister hat sich fast schon wieder erholt, also ist das die richtige Entscheidung. Ich laufe an ihm vorbei, um die heranstürmenden Monster von meinem Freund fern zu halten - nur sind von der Explosion wankende durch ihre schiere Masse im Weg ...
Ich packe eines von ihnen irgendwo - es gibt genug undefinierbare Auswüchse, an denen man sich festhalten kann - und ziehe mich hoch. Ramme meine Fäuste tief in das Fleisch, um Halt zu finden, und es zu verletzen. Mein Freund sieht, was ich tue - und flucht verstärkten Schaden. Jawohl! Ich dringe mit jedem Hieb viel tiefer ein ... und bleibe plötzlich stecken.
"Ich hänge fest!", informiere ich den Bedrängten rasch. Er beißt die Zähne zusammen und zaubert eine Knochenwand, die durchbrochen wird ... noch eine direkt dahinter ... noch eine ...
Auch die wird durchdrungen, aber er ist nicht mehr da, weggeschwebt. Hinter eine Säule. Die Monster suchen ihn.
Meine Taktik war falsch, erkenne ich derweil. Ich sollte nicht versuchen, die Fäuste irgendwie noch mehr zu ballen, um sie aus dem Gewebe zu entfernen. Stattdessen ...
Ich reiße meine Finger auseinander und die Arme mit aller Gewalt nach oben.
Schleimfontänen eruptieren aus dem Diener der Zerstörung, mit einem Brüllen sinkt er in die Knie. "Stirb einfach, du Abscheulichkeit!", brülle ich meine Frustration heraus, und hämmere weiter auf ihn ein.
Etwas packt mit am Hinterkopf, hebt mich hoch.
Es ist Lister, der irgendwo an seinem Körper eine Hand gefunden hat.
"Duuu ... entkommst miiiir nicht meeehr ... ", blubbert er, packt eines meiner Beine, versucht es mit dem anderen, aber zerkratzt es nur mit einer hilflos tastenden Klaue. Ich trete danach, breche ihm die Spitze ab. Er zuckt zurück, lässt mich aber nicht los. Versucht, mich zu zerreißen - meine freien Arme halten meinen Kopf auf dem Körper fest.
Das Bein können sie nicht retten. Es splittert fürchterlich, als er es abreißt. Früher, als er dachte - es ist unglaublich, wie stark dieses Monster ist! So reißt es den Rest meines Körpers nach oben, er verliert den Halt, ich knalle an die Decke, lande vor ihm auf dem Boden, jetzt bäumt er sich wieder auf, und jetzt kann ich mir gerade noch wegrollen. Muss ja nur noch ein Bein aus dem Weg bringen. Aber was nun? Wo sind die anderen Diener? Ist mein Freund sicher?
Irgendwie komme ich hoch ...
Lister schlägt mir das andere Bein weg. Türmt über mir. "Duuuu ... stiiiirbst ..."
Verdammt! Nur für einen Moment, hoffentlich, aber woher soll mein Freund neues Material für mich bekommen? Eigentlich bleibt ihm nur sein Blut ... und er ist so schwach ... aus diesen Dingern werde ich auch keines absaugen können. Sie haben kein Blut.
Da fällt Lister eine Masse aus unförmigem Fleisch in den Rücken.
"Weeeeer waaagt es ..."
Es ist ein Diener der Zerstörung - der, den ich vorhin bearbeitet habe. Ich muss es doch geschafft haben, ihn zu töten - und jetzt ist er ein ein Wiederbelebter auf unserer Seite!
Hieb um Hieb des grotesken Monsters landet auf Lister. Er stolpert zurück, ich für den Moment vergessen. Krieche mit den Armen weg. Arreat, hilf ... woher soll ich ...
Eine der Säulen ist zerstört worden. Das ist beunruhigend, wenn man bedenkt, unter wie viel Stein wir sind; andererseits ist diese Säule aus dem Material des Berges erschaffen worden ...
"Geeeeenuuuug!", brüllt Lister da, ignoriert weitere grauenhafte Hiebe, die ihm große Wunden in die Seite reißen, holt weit aus, und zerschmettert den Wiederbelebten.
Und zerplatzt selbst zu einer Fontäne aus schleimigen Klumpen rosigen Fleisches.
"Eiserne Jungfrau, du Missgeburt!", höhnt mein Freund. Aber natürlich! Nach diesem kurzen Moment des Triumphs muss er aber wieder ausweichen; er tanzt, schwebend, zwischen den verbliebenen Dienern hin und her. Da setzt wieder einer zum Schlag an ...
"Hinter dir!", rufe ich. Er streckt blind den Arm in die grobe Richtung meines Deutens, und der Schlag des Monsters trifft ein hastig geformtes Knochenschild. Die Wucht des Angriffs wirft meinen Freund zurück, reibungslos schwebend kann er nichts tun, außer zu fliegen, und zwar in Richtung ...
... meiner sicheren Arme. Meine Beine sind zurück, ich habe sie aus Teilen des Säule geformt, es hat funktioniert wie gehofft; so konnte ich mein Material zurückgewinnen, der Zauber, der mich hält, hat die Stücke des gleichen Steines, aus dem der Rest von mir ist, nahtlos mit den Stümpfen verschmolzen, die Lister zurückließ.
Zu zweit stehen wir vier wütenden, führerlosen Abscheulichkeiten gegenüber.
Baal lacht. "Das war ein tapferes Aufbäumen - aber nun gibt es keine Leichen mehr, keine Diener, keine Möglichkeiten! Du bist stärker als Lister, das gestehe ich dir zu. Also darfst du in der Hölle an meiner Seite stehen, über ihm. Aber nur dort!" Er hebt seinen Arm ... und plötzlich fühle ich mich schwach, ganz schwach. Ich blicke rasch zur Seite - mein Freund spürt es auch! Er keucht - Falten umziehen sein Kinn, als wäre er Jahrzehnte gealtert ...
Ein bläulich leuchtendes Flämmchen glüht über unserem Kopf. Baal hat uns verflucht.
Die Diener der Zerstörung rücken heran.
"Was soll das?", keucht mein Freund. "Ihr braucht jemand, der Sanktuario für Euch kontrolliert!"
"Ach, zerstöre ich da gerade deine Hoffnungen, kleiner Mensch?", höhnt Baal. "Du solltest besser wissen, als dich auf meinen Großmut zu verlassen!"
Er winkt kurz ab, und die Diener halten inne.
"Es sei denn, du möchtest etwas von deiner dir innewohnenden Überheblichkeit zurücknehmen. Deine Arroganz behagt mir nicht. Leg sie ab, und krieche vor mir. Unterwirf dich vollkommen, zeig, dass du keine Würde mehr hast! Dann, nur dann, bin ich möglicherweise bereit, dich zu verschonen!"
Mein Freund überlegt keine Sekunde.
"Niemals wirst du mich auf diese Weise brechen!", brüllt er, die Stimme stark trotz des deutlich aus ihr klingenden Alters. Er reißt beide Arme hoch, langsamer als er es sonst könnte, aber mit fester Bestimmung, zaubert aus beiden einen Knochenspeer, der auf Baal zufliegt ...
Baal lacht aus tiefster Kehle, als sie an einem unsichtbaren Schild um ihn verpuffen. "So steht es also um deine Hingabe zu deinem Herrn und Meister? Du kannst den Platz an meiner Seite sofort wieder vergessen. Soll Belial dich doch haben - wenn er mit dir fertig ist, werde ich ihn zerquetschen, dich finden und Lister geben! Bis dahin dürfen seine Freunde mit dir spielen!"
Die Diener rücken wieder vor.
"Hinter mich!", rufe ich.
"Nein", knirscht er. "Ich lasse mich doch nicht von jemanden einschüchtern, der die gleichen Fehler begeht wie ein närrischer Diener vor ihm!"
Baal bleibt amüsiert, aber antwortet darauf nicht.
"Ich bin der mächtigste Totenbeschwörer, der jemals gelebt hat!", fährt mein Freund fort.
"Und daran ändert sich heute nichts!"
Er verschränkt trotzig die Arme. Lässt den Kopf auf die Brust sinken in tiefer Konzentration. Nervös bereite ich mich auf den letzten, hoffnungslosen Kampf gegen die Diener der Zerstörung vor, die langsam, siegessicher, näher rücken ... doch ich fühle mich, als müsste ich in halstiefem Schlamm kämpfen. Jede Bewegung ... ist mühsam ...
Da verfliegt das Schwächegefühl. Mein Blick schießt nach oben - der Fluch ist verschwunden! Aber wie ...?
Zuerst sehe ich das im sicheren Wissen über die verdiente Überheblichkeit im faltenlosen Gesicht meines Freundes prangende Grinsen.
Und dann den Fluch über den Köpfen unserer Widersacher.
Baals eigenes Grinsen verschwindet gerade erst schlagartig aus seiner eigenen Parodie eines menschlichen Antlitzes, als ich schon die halbe Strecke zu den Monstern zurückgelegt habe. Ich weiß, wie sie sich gerade fühlen; und das in Körpern, mit denen sie nicht im Mindesten umgehen können.
Meine Steinfäuste, hinter denen die Kraft eines ganzen heiligen Berges steckt, treffen wieder und wieder unter ihnen dahinschmelzendes Monsterfleisch. Knochenspeere durchsieben noch zuckende Überreste. Aus ihnen entstehen gleich mehrere Skelette, woher auch immer mein Freund die Knochen dafür nimmt, er findet sie.
Denn er ist der größte Totenbeschwörer aller Zeiten. Mehr noch als er der Tyrann vor ihm jemals war.

Die Armee ist wieder erschaffen, die Leichen der Gegner vollends aufgebraucht. Erhaben schwebt mein Freund neben mir, der in scheinbar ergebener Dienerschaft in seinem Schatten steht und wartet.
Mein Freund streckt den Arm in einer Geste des Friedens aus und neigt den Kopf.
"Ich bitte, meinen vorherigen Ausbruch zu verzeihen, mein Gebieter. Mein Angebot weiterer Dienerschaft steht immer noch, wenn Ihr auch bereit seid, Euren Moment der ... Aggression zu widerrufen. Dass ich mich auch gegen diese Prüfung bewährt habe, sollte Euch hoffentlich zeigen, wie wertvoll ich Euch genau hier, auf Sanktuario, sein kann."
Die Sekunden vergehen, während Baal ihn mit versteinerter Miene mustert.
Dann dreht er sich um, und das Portal hinter ihm öffnet sich wabernd. Das kränkliche rot des fast vollständig korrumpierten Weltsteins strahlt hindurch in die Vorkammer des Allerheiligsten.
"... folge mir", befiehlt Baal tonlos und schreitet hindurch.
Wir sehen einander an, nicken uns stumm zu und tun wie geheißen.


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