Ich denke, also bin ich
von Simon Salzl aka TwinYawgmoth
Teil 5 - Trang Ouls Triumph
Kapitel 14 - Freunde
Kapitel 14 - Rufe aus allen Richtungen Eine Stiefelspitze trifft mich in der Seite. Etwas in mir übernimmt die Kontrolle. Ohne eine Millisekunde an irgendwelche Gedanken zu verschwenden, reagiert mein Körper, springt auf, packt dabei den Besitzer des Schuhs und lässt ihn unsanft zu Boden krachen, wo ihm die Luft beim Aufprall aus den Lungen gepresst wird.
»Ah, verdammt! Bist du übergeschnappt?« Ich werde mir der Situation bewusst: Der Meister, schon in voller Montur - goldene Rüstung, Helm, Gürtel und der ganze Rest - liegt vor mir. Hastig gehe ich in die Knie, um ihm hochzuhelfen. Warst du das? Warum ... sollte ich den Meister angreifen? Nein, das war ... ich hab dir gesagt, wir sollten wach bleiben! Und ich dachte auch ... ich wiederhole meine Gedanken laut: »Himmel, tut mir Leid, General. Ich ... hatte nicht erwartet, einzuschlafen.« Er sieht mich für einen Moment mit unlesbarem Ausdruck in den schwarzen Augenhöhlen an, dann nimmt er den Helm ab, reibt sich den Hinterkopf und seufzt. »Den Blutgolemkörper nicht mehr gewöhnt? Na ja, schwamm drüber. Besser, ein potentieller Angreifer wird so ausgeschaltet, als dass du mir eine leichte Verletzung meines Stolzes erspart. Ich denke, der hält das aus.«
»Ich weiß wirklich nicht, was ...«, entschuldige ich mich weiter, aber er winkt ab. »Ist schon in Ordnung. Trotzdem bin ich froh über den Helm, das hätte mehr weh tun können.« Er greift sich plötzlich an die Seite, an die Stelle, die mich auch etwas schmerzt ... was ihm durch Trang-Ouls Schuppen natürlich nichts bringt. »Hätte wohl auch weniger fest zutreten können.« Ich lasse das unkommentiert und beschließen, die Sache so gut, wie mir das möglich ist, zu vergessen. Wie ich eben auch vergessen hatte, dass der Blutkörper auch Schlaf benötigt, wenn auch nicht so viel wie der eines Menschen. Komisch ... hatte ich letztes Mal nicht geträumt, als ich schlief? Zweiter? Für Träume ... braucht man eine Seele, dachte ich immer. Was soll das heißen ... Moment, hast du etwa ... ? Ich habe gerade wirklich keine Lust, mir dein Gestammel anzuhören. Morgenmuffel? Aber gut, ich muss ja nicht unbedingt nachbohren. Nach der hastigen Flucht aus dem Palast diese Nacht hatten wir uns wieder in Atmas Taverne zurückgezogen. Von dem zum Glück noch freien Raum im ersten Stock steigen wir jetzt die Treppe hinunter in die Schankstube, wo ... Deckard Cain an einem Tisch sitzt?
»Ich grüße Euch, mein Freund«, sagt er trockener, als ich es von ihm gewohnt bin. Er nimmt einen tiefen Schluck aus einem Becher, setzt ihn ruhig ab, lächelt mir wohlwollend zu, und deutet auf den Stuhl ihm gegenüber. »Bitte, bleibt kurz hier und hört mir zu.« Für einen Moment glaube ich fast, dass der Meister ablehnen möchte, aber natürlich wäre das Unfug. Er setzt sich zu seinem alten Mentor. »Das ist ja eine Überraschung, Deckard!«, ruft er beinahe überzeugend.
»Leider keine freudige. Habt Ihr das vermutet, General? Man könnte fast meinen, Ihr wärt mir aus dem Weg gegangen in den letzten Monaten.« Ich glaube, der Meister versucht, zerknirscht zu blicken, aber ... verdammt! Grob zwicke ich mir in den Nacken, was ihn zusammenzucken lässt, und endlich kommt er darauf, den Helm abzunehmen. So bequem kann der doch nicht sein!
»Nur, ich war ein wenig beschäftigt ... und viel unterwegs«, windet sich der Meister. Deckard nickt. »Das ist mir aufgefallen. Ich bin Euch seit zwei Wochen auf den Fersen.« Der Meister hebt beide Augenbrauen. »Das ... tut mir Leid. Ich war nicht am zugänglichsten Ort der Welt, als du deine Suche begonnen hast.«
»Und Ihr habt ihn nicht unbedingt weltoffener gemacht«, seufzt der Horadrim-Weise. »Mein alter Freund Valtores war etwas kurz angebunden, was Euch angeht. Wenigstens konnte er mir helfen, Euer nächstes Ziel herauszufinden.« Verdammt, man kann über ihn sagen, was man will, aber der Alte ist gut im Beschaffen von Informationen. Das ist in der Tat ... etwas beunruhigend. Andererseits ...«Ihr kennt Meister Valtores, Deckard? Würdet Ihr denn sagen, dass man ihm vertrauen kann?«, werfe ich dazwischen. Deckard Cain wirft mir einen Blick zu. »Ich wage zu behaupten, dass ich mir vorstellen kann, weswegen du fragst, Golem. Gerne unterhalte ich mich später mit dir darüber, wenn du das möchtest, aber ich bitte dich, das verschieben zu dürfen, weil mein Anliegen für deinen Meister keine Verzögerung duldet. Nur so viel: Ich nenne nur 'Freund', den ich für einen wirklich guten Menschen halte.« Ich nicke hastig. »Vielen Dank und gerne später.« Einen Moment halte ich inne, dann füge ich hinzu: »Ich heiße übrigens jetzt Dorelem.« Deckards Lächeln ist voller Wärme, was mir mehr sagt, als Worte könnten - und tatsächlich spart er sich die. Es muss ihm sehr ernst sein, und mit entsprechendem Ausdruck wendet er sich wieder dem Meister zu.
»Ja, ich begab mich auf schnellsten Weg zu den Jägerinnen, nur um festzustellen, dass ich Euch wieder verpasst hatte. Und meine Fragen zu Eurem nächsten Ziel mussten unbeantwortet bleiben, zumal man nicht unbedingt gut auf Euch zu sprechen war.« Er ist immer noch sehr höflich und spricht langsam und mit wohl gewählten Worten. Aber ich kenne Deckard jetzt schon eine Weile ... der alte Mann mit grauen Roben und langem Stab, aber stählernem Willen ist sauer. Ich glaube, der Meister hat die Botschaft verstanden und sagt darauf nichts. Nach kurzer Pause fährt Deckard also fort: »Also musste ich nach Gefühl vorgehen. Zunächst begab ich mich nach Kurast, was kein verschwendeter Besuch war, aber offenbar Euere vorherige Station, nicht die nächste. Dann blieb nur noch Lut Gholein als großes Zentrum, und mein Instinkt erwies sich endlich als richtig. Nun, meine Botschaft an Euch ist eigentlich ganz einfach: Wir wissen, wo Baal ist. Er hat vor etwa zwei Wochen die Hauptstadt der Barbaren im fernen Norden aus heiterem Himmel angegriffen und komplett dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem ich das erfahren hatte, ist der Nachrichtenstrom zunächst aus offensichtlichen Gründen abgebrochen, dennoch habe ich mich natürlich sofort auf den Weg gemacht, um Euch zu finden. Auch, weil ich eine große Befürchtung hatte, was Baals Plan angeht. Und vor fünf Tagen, als ich gerade auf der Reise zu den Sümpfen des Südens war, hat Tyrael mich kontaktiert und diese Befürchtung bestätigt: Baal will den Arreat erklimmen und den Weltstein korrumpieren.« Er lässt dies im Raum stehen, als sollte uns das gerade erschüttert haben. Als die Stille sich dehnt, opfere ich mich.
»Den ... Weltstein?« Deckard blinzelt kurz, dann schüttelt er den Kopf. »Verzeiht mir. Ich vergaß, dass zumindest in diesem Teil der Welt manche Dinge leider nicht zum Allgemeinwissen zählen. Der Weltstein ist der Nexus, um den Sanktuario erschaffen wurde, quasi der Ankerpunkt für die ganze Welt. Schon viele Kriege wurden um seine Kontrolle gefochten, seit der gigantische Kristall von Himmel und Hölle gemeinsam benutzt wurde, um die Urväter der Menschheit ins Leben zu rufen.«
»Und wer kontrolliert ihn jetzt?«, fragt der Meister. »Niemand«, antwortet der Weise. »Obwohl die Barbaren, die Kinder Bul-Kathos', ihn im Auftrag des Himmels bewachen, war es Teil des Paktes, ihn der Menschheit selbst zu überlassen, auch oder gerade weil sie seine Macht nicht nutzen können.«
»Welche Macht denn?«, hakt der Meister nach. Deckard sieht ihn an als hätte er gerade die dümmste Frage der Welt gestellt. »Sind wir nicht beide Teil der Menschheit, General? Irrelevant. Baal will die Welt unterwerfen, indem er seinen Seelenstein zurück zur Quelle bringt.«
»Ah, die sind aus dem Weltstein gemacht?«
»In der Tat. Die gleiche Resonanz der Steine wird ihm erlauben, die Kontrolle an sich zu reißen.« An der Geschichte stört mich etwas. »Aber hatte Marius nicht Baals Seelenstein? Und war Baal nicht auch durch das Portal in die Hölle geschritten?«
»Gut beobachtet, Dorelem«, nickt Deckard. »Zunächst denke ich auch, dass der Plan der Übel ein anderer war; mit Baals Körper in der Hölle musste ihm der Verlust seines Seelensteins zunächst egal sein. Er und Diablo begannen daran zu arbeiten, ihre Armee aufzubauen. Dann stacht ihr direkt ins Herz der Hölle und vernichtetet den Herrn des Schreckens. Ohne Unterstützung durch seinen Bruder und geschwächt durch die Abwesenheit eines Teils seiner Seele muss Baal erkannt haben, dass er die Horden der Hölle nie führen würde können. Also wird er nach Sanktuario zurückgekehrt sein und seinen Seelenstein gesucht haben.«
»Und ihn gefunden?«, spekuliert der Meister.
»In der Tat. Vor vier Wochen brannte der Nordosttempel in Ober-Kurast zu Boden.« Ich runzle die Stirn. »Eine Woche, bevor ich bei den Docks ankam ... ja, irgendjemand hat etwas in der Richtung erwähnt, aber es schien ihn nicht sonderlich zu kümmern.«
»Der Tempel war zu einem Gefängnis umfunktioniert worden«, erklärt Deckard. »Oder besser, einem Sanatorium. In Kurast begeht im Moment niemand Verbrechen aus Habgier oder Hass - nur aus Wahnsinn. Die dort Eingesperrten waren samt und sonders schwer geistig mitgenommen von den Ereignissen, und waren dadurch gewalttätig oder anderweitig gefährlich geworden.«
»All dies habt Ihr erfahren, als Ihr kurz in Kurast wart, bevor Ihr hierher kamt?«, wage ich einzuwerfen.
»Man muss nur die richtigen Fragen stellen, Dorelem. Nun, der Brand war unerwartet, aber ich werde der Bevölkerung nicht vorwerfen, dass sie mit einem gewissen Zynismus feststellte, dass es ihnen viel Arbeit und den dabei Verstorbenen wohl auch eine Menge Schmerz ersparte. Ich fürchte allerdings, dass es den Rest der Welt und ultimativ auch den Kurastern bald deutlich mehr Schmerz bringen wird.« Der Meister schnippt mit den Fingern. »Geistig mitgenommen ... Marius! Er war da drin!« Deckard nickt mit todernster Miene. »Die ganze Zeit vor meiner Nase, und ich suchte ihn nach Eurem Sieg über Diablo unermüdlich. Ich schäme mich für mein Versagen. Baal fand ihn vor mir, nahm sich den Seelenstein zurück, stampfte eine Dämonenarmee aus dem Boden und marschierte gen Norden.« Zerknirschte Blicke gehen durch den Raum. »Und jetzt?«, bricht der Meister schließlich die Stille. »Auch auf nach Norden? Das wird ewig dauern.« Deckard legt die Finger zusammen. »Nun, für dieses Problem gibt es eine Lösung. Tyrael hat mich nicht nur kontaktiert, um mir die schlechten Nachrichten zu überbringen, müsst Ihr wissen.«
»Aha, ich sehe schon, was jetzt kommt ...«, murmelt der Meister.
»Ja. Er möchte Euch gerne sobald als möglich nach Harrogath transportieren.«
»Soll ich mich auf seinen Rücken setzen und mich fliegen lassen? Klingt eigentlich ganz lustig. Müsste mich nur zurückhalten, ihn während der Reise zu erwürgen.« Ein Seufzen des Weisen. »Ich bin mir sicher, er hatte etwas ... Würdigeres im Sinne. Und wir haben miteinander geredet, wie versprochen. Tyrael wird Euch gerne ein weiteres Treffen mit Tenarion ermöglichen.« Der Meister trommelt einen ungeduldigen Rhythmus auf den Tisch. »Ein Anfang. Kann ich denn diesmal auf ein wenig mehr Unterstützung hoffen?«
»Das ... müsstet Ihr vielleicht selbst mit ihm besprechen.« Deckard steht auf. »Nun, jetzt wisst Ihr Bescheid. Werdet Ihr es auf Euch nehmen, auch das letzte Große Übel zu vernichten?« Eleganter Themenwechsel, Deckard. Warum nur glaube ich, dass der Erzengel immer noch herzlich unkooperativ sein wird? Der Meister erhebt sich ebenfalls. »Aller guten Dinge sind drei, oder? Klingt ja auch nicht so, als ob die Barbaren gut mit dem Problem zurecht kommen würden. Selbstverständlich bringe ich die Sache zuende.« Eine gewisse Spannung, die ich so bisher gar nicht bemerkt hatte, fällt von Deckard ab. »Ich bin Euch sehr dankbar, aber nicht so dankbar, wie die ganze Welt Euch sein wird. Ihr wirkt reisefertig. Soll ich Tyrael rufen?«
»Nein. Nicht sofort. Es gibt da noch etwas zu erledigen.« Der Horadrim-Weise erbleicht etwas. »Wie ... lange wird das dauern?«, fragt er in neutralem Tonfall. Zur Antwort legt der Meister ihm die Hand auf die Schulter. »Deckard, wie lange hast du nicht mehr geschlafen? Du hast in Kurast bis spät in die Nacht Informationen gesammelt und bist dann sofort hierher gekommen, oder?«
»Macht Euch bitte um mich keine Sorgen ...«, beginnt er, aber der Meister unterbricht ihn. »Bitte, Deckard, du hast dir eine kleine Pause verdient, und ich möchte, dass du fit genug bist um mich davon abzuhalten, Tyrael an die Gurgel zu gehen, wenn ich ihn treffe. Leg dich für ein paar Stunden hin. Ich verspreche dir, dass ich zurück bin, bevor du aufwachst.« Will er wirklich noch schnell diesen Kaa vernichten gehen? Das werden wir ja noch hinbekommen. Ein völlig überflüssiges Risiko - wir haben doch gerade gehört, was auf dem Spiel steht! Er kann keine Ablenkungen durch irgendwelche gefangenen Seelen in seiner mächtigsten Waffe brauchen. Verzeihung, die gefangene Seele in seiner mächtigsten Waffe bist immer noch du in mir. Aber ernsthaft, im hohen Norden werden ihn die Geister nicht erreichen. Die Zeit drängt!
»General ... ich habe schon viel zu lange damit zugebracht, Euch zu finden. Es war nicht Euere Schuld, ein unglücklicher Zufall, dass Ihr die Nekromantenmetropole gerade zu diesem Zeitpunkt ... verlassen habt. Aber ich muss Euch eindringlichst darauf hinweisen, was auf dem Spiel steht, und wie viel Boden wir bereits verloren haben. Die Zeit drängt!« Sagte ich doch!
»Mein Problem mit Belial drängt mich auch«, sagt der Meister und greift nach seinem Helm. Wie? Was hat das mit dem Jade-Tan-Do und den Geistern darin zu tun?
»General ... ich wollte dieses letzte Argument eigentlich nicht benutzen, weil es mir manipulativ vorkommt. Aber Ihr solltet Euch auch aus persönlichen Gründen beeilen. Tyrael erwähnte, dass Natalya sich in Harrogath aufhält ... und dass sie in großer Gefahr ist.« Der Meister wird stocksteif, Trang-Ouls Verkleidung über seinem Kopf erhoben. Sein Blick geht durch Deckard hindurch. Natalya?
»Natalya ...«, murmelt der Meister. Schließt die Augen. Schluckt. Dann verzieht sich sein Mund in eine Grimasse der Wut. »Und wie er versucht, mich damit zu manipulieren.« Mit einem Ruck setzt er den Helm auf. »Dieser verdammte geflügelte Bastard ...«
»General ...«, beginnt Deckard, aber der Totenbeschwörer schneidet ihm das Wort ab. »Ich nehme dir nicht übel, dass du sie erwähnt hast, wohl aber Tyrael, dass er sie benutzen will, um mich zu etwas zu bringen. Weißt du, wer der Letzte war, der das getan hat?« Der Ausdruck des Horadrim-Weisen sagt mir, dass er sich einer Sache bewusst ist: Er hat gerade verloren. Natalya war eine Trumpfkarte, er hat auf sie gesetzt und kein Glück gehabt. Vielleicht, wenn er den Namen des Erzengels nicht erwähnt hätte ... aber so ... dennoch! Es geht um die Frau, die der Meister liebt! Und zumindest theoretisch ist Tyrael das genaue Gegenteil des letzten Wesens, das versucht hat, durch sie den General ins Herz zu treffen ...
»Azmodan«, beantwortet der Meister seine eigene Frage, als Deckard nicht antwortet. Seine Stimme ist ein Knurren. »Jetzt legt dich hin und ruh dich aus. Wenn ich zurückkomme, gehe ich nach Norden, ja. Aber nicht vorher. Natalya ist ein großes Mädchen und kann auf sich selbst aufpassen.« Damit stürmt er aus dem Raum. Ich sehe Deckard etwas verzweifelt an. »So sollte er nicht mit Euch reden«, entschuldige ich mich. Warum muss ich das in letzter Zeit so oft machen?
»Mein Stolz wird damit zurecht kommen, Dorelem«, winkt Deckard ab. »Was seinen angeht ...«
»Dorelem! Wo bleibst du?«, ruft von draußen die Stimme meines Meisters. Ich kann nur hilflos die Arme heben und ihm nachlaufen. Eine Minute später stehen wir im Tal der Magier, wo die sechs falschen und das eine wahre Grab Tal Rashas liegen, der von Baal besessen wurde und dessen Befreiung durch Diablo wir nicht verhindern konnten. Vom Wegpunkt aus sind die Felsen, die das Wüstenareal umgeben, in der Ferne sichtbar; ein Sandkessel, von außen extrem schwer zu erreichen. Das Portal in die Geheime Zuflucht ist immer noch offen.
»Wir sollten das schließen ...«, merke ich an, aber der General ist schon losgestapft. »Du hast den Alten gehört, Dorelem. Wir haben es eilig. Wie damals.« Schnell hole ich zu ihm auf, die mitteleportierten Skelette haben ihr Tempo auch beschleunigt. »Woher wusstest du überhaupt, dass wir hierhin müssen? Weist dir der Dolch den Weg, wie die Geister es sagten?«
»Ach ja, stimmt eigentlich ...«, murmelt er, zückt das Jade-Tan-Do und spricht es an. »Ich bin hier schon richtig, oder?« Er hält kurz inne. »Ja, das habe ich mir irgendwie gedacht«, nickt er dann ins Nichts und steckt die Waffe wieder ein. Dann bemerkt er mein ungläubiges Starren. »Ist irgendwas?«
»Du ... hattest den Dolch gar nicht ... ?« Du bist manchmal ein wenig schwer von Begriff, oder?
»Na ja, Dorelem, nach einer gewissen Weile hört man einfach auf, an Zufälle zu glauben«, stellt er fest.
»Wovon redest du?«, stoße ich hervor. Sein Ausdruck ist unlesbar. »Na ja, dass ein weiteres Teil des Trang-Oul Sets an der gleichen Stelle wie der Seelenfresser versteckt ist, wundert mich einfach nicht wirklich.« Aber ... woher ... Zur Hölle! Er kann spüren, wo das nächste Setteil ist! Was? Seit wann? Je mehr er hat, desto stärker wird seine Fähigkeit, die übrigen zu finden. Das klingt aber nicht besonders beruhigend. Dann ist die Suche schneller vorbei, und wir können uns auf das Wesentliche konzentrieren. Sollte dir gefallen!
»Siehst du, und auch dieser 'Zufall' wundert mich nicht.« Wir sind an einem der Gräber angekommen. Diesmal verstehe ich sogar, was er mir sagen will. »Das ist ja das, dessen Symbol Diablo verändert hat, damit wir denken, es ist das richtige!«
»Und damit ist auch klar, warum er uns ausgerechnet in dieses locken wollte ...«, nickt er. Wir schreiten durch das Steinportal in muffige Hallen, die vom Stil her nicht anders sind als das echte Grab. Offensichtlich ist der Grundriss aber anders, wie mir eine ins Gedächtnis gerufene Karte dessen, das wir erforscht haben, verrät.
»Etwas dunkel ...«, bemerkt der Meister.
»Reichen dir die Feuermagier diesmal nicht?«
»Ich bitte dich, Feuermagier als Lichtquelle sind so passé. Das geht viel heller. Nebenbei haben wir ja schon damals festgestellt, dass ein Blutgolem hier ein wenig zu wünschen übrig lässt. Du erlaubst ...« Er ballt eine Hand zur Faust und streckt den Ring nach vorne, mit dem er Feuerblitze schießen kann. Dann hält er plötzlich inne, spreizt stattdessen die Finger - und ein kopfgroßer Feuerball formt sich vor seiner Handfläche. Wir starren beide darauf - bis er plötzlich explodiert, was den Meister aufschreien und zurückzucken lässt.
»Was war das denn?«, rufe ich, während er seine verletzte Hand schüttelt. Es scheint kein ernsthafter Schaden passiert zu sein, aber die Handschuh ist kaputt. Schnell wird der Meister ihn los. »Scheint sich um einen Feuerball gehandelt zu haben«, bemerkt er trocken.
»Ach ne«, ätze ich zurück. »Und woher? Hat sich dein Ring spontan verbessert?«
»Nein ...«, murmelt er, mehr zu sich selbst. »Als ich den benutzen wollte, kam mir plötzlich, dass es eigentlich ganz einfach sein sollte, das gleiche einfach ohne Unterstützung durch einen Gegenstand zu machen. War nur etwas ... größer, als erwartet.« Er hebt die andere Hand. »Um genau zu sein ...«
»Spinnst du?«, rufe ich, aber zu spät. Ein zweiter Feuerball entsteht ... und alles wird für einen Moment schwarz, dann stehe ich direkt vor ihm. Sein breites Grinsen kann ich auch trotz des Helmes erkennen.
»Na also, kein Grund zur Sorge! Man muss nur schnell genug beschwören können.« Ich trete einen Schritt zurück und begutachte meine Flammenhände. »Du wirst schon wissen, was du tust ...«, murmle ich. Aber gut, es hat ja funktioniert, und wo auch immer er diese Fähigkeit jetzt auf einmal hergezogen hat, wenn er das unter Kontrolle bekommt, ist es sicher unglaublich nützlich. Ansonsten habe ich keine Lust mehr, mir Fragen zu stellen, auf die ich nur unzureichende oder gar keine Antworten bekomme. Genug Überraschungen für einen Tag. Ich bin abgestumpft. Als unsere Fackel schreite ich voran. Die staubigen Gänge mit ihren alten Sandsteinwänden sehen alle gleich aus; manchmal öffnet sich einer in eine größere Kammer mit mehreren Ausgängen. Es wäre leicht, sich zu verlaufen - wenn der Meister nicht bei jeder Abzweigung den Weg weisen würde. Aber wenn er tatsächlich ein weiteres Setteil spürt, woher weiß er dann, welche Route durch dieses Labyrinth die kürzeste ist? Da sehe ich, wie er leise etwas scheinbar zu sich flüstert und nickt. Jetzt konsultiert er die Geister. Zwei übernatürliche Mächte, die uns zum gleichen Ziel locken wollen ... ich kann nicht sagen, dass ich das für sehr beruhigend halte. Wovor hast du Angst? Wir haben schon Große Übel der Hölle vernichtet. Ein Seelenfresser oder was auch immer sollte kein Problem sein. Und Gürtel, Rüstung und Helm waren jetzt auch nicht die Welt zu ergattern. Entschuldige, wenn ich nicht lache, aber zumindest Endugu wirst du als leichte Herausforderung anerkennen müssen?
»Wir sind da«, haucht der Meister plötzlich. Der enge Korridor, in dem wir stehen, hat drei Steintore; das, durch das wir gerade gekommen sind, eines vor uns und eines an der Seite. Diesem wendet sich der Meister zu. Dann runzelt er die Stirn.
»Nein, ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich hier hineingehen will«, teilt er der Luft mit. »Dorelem, bitte ...« Wollten die Geister ihn in die andere Tür ... heißt das, Kaa ist vor uns, aber das Teil des Trang-Oul Sets nicht? Ich betrete die Halle. Gegenüber ist kein Ausgang, rechts von uns kann keiner sein, sagt mir die geistige Karte, und links würde in den Raum führen, wo die Geister uns hinschicken wollten. Sackgasse also? Ruht hier, was der Meister will? Der Raum ist von Säulen durchzogen, eine Reihe an jeder Seite, deswegen kann ich nicht viel erkennen. Der Meister tritt neben mich - und fixiert einen Punkt an der Wand. »Feuerball, dahin«, befiehlt er mir, und gleichzeitig schwärmen die Skelette in defensiver Formation aus. Ich tue wie geheißen, werfe einen Teil meines Flammenkörpers vorwärts, und als er auf Stein trifft, zerplatzt er in hellem Leuchten. Viele Schatten blitzen kurz an den Wänden auf. Durchbrochene Silhouetten, Schädel und Rippen, und gewaltige, vage humanoide, aber mit ganz falschen Proportionen, zu lange Extremitäten und ... Klingen statt Armen? Hinter uns fällt mit einem Donnern ein Steinblock herab, als die Grabtür sich schließt. Mit träger Überheblichkeit tritt eine Mumie hinter einer der Säulen hervor - ganz in der Nähe der Stelle, wo ich gerade hingefeuert habe. Ihre vertrocknete Haut ist dunkelbraun, die einzige Bekleidung ein Lendenschurz aus bröckelnden Bandagen. Eine weiße Maske mit angedeuteten Haaren, die von der Stirn aus nach hinten über den Schädel fallen, verdeckt das Gesicht. Arme und Beine sind grotesk verlängert, wie auch die Maske, die eher zu einem Pferdekopf passen würde. In beiden Händen hält sie eine gebogene Klinge, nicht ungleich den Schwertern der mächtigen Balrogs, die wir in der Hölle zu hunderten töten mussten. Und an den Händen ... dunkelgoldene Handschuhe.
»Kaa, der Seelenlose, nehme ich an?«, spottet der Meister.
»Unter anderem«, antwortet ihm eine tiefe Stimme, die mir bekannt vorkommt. Dann öffnet sich der Mund der Maske viel weiter, als möglich sein sollte, und drei Projektile gleichzeitig lösen sich daraus. Es sind Kugeln aus reiner Dunkelheit, mit Stacheln, die daraus hervordringen und pulsierend ihre Länge ändern. Sofort greife ich den Meister und schiebe ihn hinter mich. Eine der Kugeln trifft mich in der Brust, und mir wird kalt - sehr kalt. Ein Blick nach unten verrät mir, dass ich ein Loch in meinem Feuerkörper habe, wo sie eingeschlagen ist. Schnell fülle ich es auf, aber ich fühle mich schwächer als vorher ... wenn mich mehrere solche treffen, kann ich das Feuer nicht mehr kontrollieren. Nicht gut, wenn der Meister hinter mir steht. Tut er aber nicht mehr - er ist ein paar Schritte zurück gestolpert, weil die Kugel mich durchdrungen und ihn getroffen hat. Zum Glück scheint er noch in Ordnung. Eine Horde Skelette stürmt auf uns zu, und ich sehe, dass wir neben diesen noch mit drei weiteren großen Mumien zu tun haben. Das weckt doch Erinnerungen ... unsere Armee bereitet sich auf den Angriff vor. Der Meister hebt das Jade-Tan-Do. »Du bist mehr als nur ein antikes Monster, das längst zu Staub hätte zerfallen sollen. Warum hast du mich hierher gelockt?«
»Oh, die Antwort sollte dir leicht fallen, General«, knurrt Kaa mit seiner Schlammlawinenstimme. »Denk doch ein wenig über deine Sünden nach.« Wo habe ich ihn schon einmal gehört ... ich durchforste hektisch meine beträchtlichen Erinnerungen. Er hat uns gerade einen Hinweis gegeben ... verdammt! Natürlich! Fast gleichzeitig mit dem Zweiten komme ich darauf, als ich daran denke, welche Seelen denn alles von dem verfluchten Dolch hierher geschickt wurden.
»General, die Hölle ist noch nicht ganz hinter us! Das ist Azmodan!« Kapitel 15 - Der Herr der Sünden Ein Lachen wie zähflüssiger Teer blubbert aus dem Mumienkörper hervor, der dafür viel zu schlank wirkt.
»Wie ich schon bei unserem letzten Treffen bemerken musste, ist dein Golem viel zu schlau. Aber Schläue wird dir diesmal nicht helfen, Wurm. Du sitzt in der Falle!« Unsere Skelette treffen auf seine und haben wenig Probleme, Stand zu halten. Der Meister ist allerdings vorsichtig und behält die Wächter nahe bei sich - das bedeutet, dass die mit Klingen bewaffneten regulären Krieger ihre Gegner nicht allzu schnell ausschalten können. Dafür sind wir sicher vor den Magiekugeln. Ich werfe einen fragenden Blick zu Seite, aber der Meister bewegt die Handfläche parallel zum Boden auf und ab, beschwichtigt mich, abzuwarten.
»Die Tür ist zu, ja, aber ich wäre ohnehin nicht gegangen, ohne dich vorher in den Staub zu treten. Wenn du schon so eine tolle Falle geplant hast, möchtest du mir verraten, warum genau das nicht unglaublich dumm von dir war? Jetzt bin ich hier, und du weißt, wie gut ich darin bin, Leute deines Schlages zu vernichten!«
»Selbstverständlich weiß ich das, und darum bist du auch hier«, spuckt Azmodan, und lässt seinen Worten Geschosse folgen. Die anderen Mumien stimmen ein, und für einen Moment ist nur eine Kakophonie aus Rauschen zu hören, als die magisch erzeugte Materie Luft verdrängt. Die Wächterschilde halten - noch.
»Denn ich werde dafür sorgen, dass du aufhörst, deine Talente zu verschwenden. Solche Macht - und du benutzt sie dafür, anderen zu helfen? Lächerlich - und auch noch verlogen. Verabscheuungswürdig. Du wehrst dich dagegen, aber bist jetzt schon unter der Fuchtel meines Bruders!« Unwillkürlich fährt der Meister mit seinen frisch exponierten Fingern ein tief unter den Schuppen der Trang-Oul Rüstung liegendes Pentagrammmuster nach. »Red nur weiter, ist ja nicht so, als ob wir sonst etwas zu tun hätten. Und nein, das tut ihr nicht.« Beim letzten Wort des Meisters zerfetzt es ein gegnerisches Skelett in tödliche Splitter, gegen die wir zum Glück immun sind. Unsere Truppe hat also ein erstes Opfer zu verbuchen - und bevor die Mumien ihren Diener wiederbeleben konnten, hat der Meister die Leiche gesprengt. Wenn Azmodan vorhat, ihn abzulenken, ist ihm das bisher nicht gelungen. Gleichzeitig lässt sich das niedere Übel eine mögliche Niederlage in dieser Hinsicht aber auch nicht anmerken und fährt fort. »Dir sollte wirklich klar sein, dass alles, was du tust, von fürchterlicher Heuchlerei gezeichnet ist. Du begehst Sünde um Sünde - und glaub mir, damit kenne ich mich aus! - und spielst den Helden. Lächerlich! Wie soll einer wie du der Retter Sanktuarios sein? Ein Mörder kaltesten Blutes. Was mir die Seelen deines grausamen Dolches so alles verraten haben ... weißt du überhaupt, wie viele es sind, oder hast du schon die Übersicht verloren?« Für einen kurzen Moment ist der Meister still - und ich bemerke, wie ein gegnerische Skelett stürzt, eine Mumie hastig den Arm hebt und mit einem Leuchten gelber Funken der Krieger wie neu aufsteht, um unsere Reihen erneut zu bedrängen. Ja, Azmodan versucht hier definitiv, nur abzulenken. Sollten wir das Reden nicht auf später verschieben?
»Ich hatte keine Gelegenheit, zu zählen. Du hast ja jetzt die Kontrolle, also sag es mir doch«, gibt der Meister schließlich trocken zurück.
»Nimm das Jade-Tan-Do in die Hand und sie werden es dir gerne mitteilen. Oder wagst du es nicht, dich deinen Sünden zu stellen? Wenn du das nicht tust, wirst du mich niemals besiegen können, denn ich werde immer in dir sein!«
»Kannst ja dann mit deinem Bruder streiten. Idealerweise so lange, bis ich euch alle wieder zurück nach unten geschickt habe«, ätzt der Meister - und packt das Jade-Tan-Do. Für einen Augenblick schießen seine Augen durch den Raum. Während dieses Augenblicks wird wieder ein Skelett von den Mumien wiederbelebt statt von uns gesprengt. Lass dich doch nicht auch noch ablenken! Aber da fokussiert sich der Blick des Generals wieder, und er erwidert den von Azmodan. »Wie du siehst, bin ich mir meiner Sünden durchaus bewusst. Deswegen bin ich auch hier. Und so kann ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - ein paar von ihnen wieder gutmachen, und dich vernichten.« Beim letzten Satzteil flucht er Widerstandsschwund auf so viele Gegner, wie er kann. Langsam kenne ich ihn gut genug, deswegen bin ich schon einen Augenblick vor diesem Signal losgestürmt. Ich lasse meinen Feuerkörper zerlaufen, wabere als Flächenbrand zwischen den Beinen eines unserer Krieger hindurch und fahre als Flammensäule unter einem gegnerischen Skelett hoch. Knochen zerplatzen durch die Überhitzung, und die noch intakten zerfetzt es kurz darauf durch eine deutlich stärkere Kadaverexplosion. Die nächste Reihe von ihnen stolpert zurück, deutlich anfälliger gegen die Hitze der Detonation, und ich setze zusammen mit der Armee nach. Der Fluch wechselt zu Verstärktem Schaden, und die Schwerter unserer Recken sind auf einmal viel effektiver. Ich verliere ein wenig an Nutzen, aber bin ohnehin vor allem damit beschäftigt, Geschossen auszuweichen - wenn die treffen, tut es tatsächlich weh. Azmodan ignoriert diese Entwicklung völlig. »Egal, was du heute vollbringen wirst, es ändert nichts an dem, was du bereits getan hast. Hör den Geistern nur gut zu, die dich umschwirren; lass dir erzählen von Kaelans Frau, die jetzt verwitwet ist und auf der Straße gelandet. Von Griez' unehelichem Sohn, den er dennoch aus ganzem Herzen liebte und unterstützte und den du zum Vollwaisen gemacht hast. Hier gibt es keine »Wiedergutmachung«, du Narr. Die Welt ist nicht so gerecht. Du hast diese Menschen dazu verdammt, von Kaa versklavt zu werden, sie haben bereits mehr gelitten, als ihnen ein normaler Tod je angetan hätte. Vernichte diesen Körper, und ihr Schmerz wird sie direkt in die Hölle treiben. Und all das, wirklich alles, ist deine Schuld!« Ein sardonisches Grinsen blüht unter Trang-Ouls dunkelgoldenen Helm auf. »Wenn sie ohnehin unten gelandet wären, kann ich ja fast froh sein, dass ich ihren Weg verzögert habe. Erzähl mir nichts von Schmerz. Kaelan und Griez haben ihren Tod verdient.« Das ... finde ich jetzt nicht wirklich unterstützenswert. Bah, der Tod ist nie ein Verdienst. Jeder Mensch stirbt irgendwann, was soll an ein paar Jahren hin oder her jetzt eine besondere Strafe oder Belohnung sein? Frag mich einmal. Ich existiere seit hunderten von Jahren, und wenn jemand nach diesem General den alten Wälzer findet, meinetwegen in tausend weiteren Jahren, werde ich wieder da sein, vielleicht immer noch mit dir und dann noch einem dritten Naivling ohne Sinn und Verstand. Wenn hier jemand den Tod verdient hätte, dann ich! Das ... ist deprimierend. Aber darauf wollte ich nicht einmal hinaus. Denk doch mal nach - wir wissen doch, dass die Seelen nur dann in Himmel oder Hölle landen, wenn sie unterbewusst glauben, es verdient zu haben? Und all jene, die speziell im Inferno gefoltert werden die sind, die es eigentlich am meisten bereuen, und meinen, diese Strafe ist genau richtig für sie? Wenn du Azmodan hier glauben willst. Und warum auch nicht? Dass sie so ihre besten Rekruten bekommen, nehme ich ihm sofort ab. Diese beiden armen Schweine ...
»Moment, Azmodan!«, werfe ich also ein. »Warum sollten sie in die Hölle kommen, wenn wir sie befreien? Du hast selbst gerade ihre Tugenden herausgestellt. Sicher haben sie auch Sünden begangen, ja. Aber meinst du nicht, sie wissen selbst sehr genau, dass ihre monatelange Gefangenschaft in Kaas Körper Strafe genug war, wie es jede Höllenfolter wäre?« Eine direkt vom niederen Übel abgefeuerte Magiekugel trifft mich, und ich gerate für einen kurzen Moment in die unangenehme Situation, all meine Konzentration darauf verwenden zu müssen, nicht in einem Feuerball zu vergehen. Die vordrängenden Gegner, welche meine Schwäche spüren, helfen dabei natürlich nicht; ich ziehe mich für einen Moment zurück.
»Was hat Glaube damit zu tun?«, donnert Azmodan. »Sünden sind Sünden! Sich etwas anderes vorzumachen, ist mehr als lächerlich! Wie sehr die Menschen doch nach Entschuldigungen suchen ... sie sollten sich einfach eingestehen, wie sehr sie es lieben, einander weh zu tun. Statt Lüge auf Lüge zu schichten, um weiter ein sogenanntes reines Gewissen rechtfertigen zu können!« Durch meinen Fehler können die Feinde etwas vordringen. Zwei unserer Diener werden zerschmettert.
»Als ob du so ehrlich wärst!«, speie ich. Der Meister schnippt mit den Fingern, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. »Das ist vorerst genug. Komm wieder her.« Ich tue wie geheißen, froh über die kurze Erholungspause - es ist nicht ohne Anstrengung, meine Körperform ständig neu zu gestalten, um den übergroßen Magiekugeln zu entgehen.
»Ich bin doch nicht mein Bruder, kleiner Golem. Nichts ist ehrlicher als die Sünde, denn was zeigt mehr das wahre Wesen eines Menschen als das, was er tut, wenn er, wie es immer so verlogen heißt, die Kontrolle verliert?« Der Meister und ich wechseln einen vielsagenden Blick, auch wenn ich ihm nicht wirklich in die Augen sehen kann.
»Du lügst also nie, Azmodan? Was ist mit Natalya?« Während der Meister die Diskussion weiterführt, welche hoffentlich auch unseren Widersache ablenkt, flüstere ich ihm zu: »Ich wäre wieder bereit, mich vorzukämpfen.« Ein knappes Nicken ist meine Antwort, und damit stürze ich mich erneut ins Getümmel. Schnell zerstöre ich ein Skelett, das sich zu weit vorgewagt hat, und sofort wird es zu unserem Diener; der Meister ist bei der Sache.
»Was soll mit deiner verstorbenen Assassinen-Gespielin sein?«
»Dass sie noch lebt, zum Einen.« Ich packe den Arm eines zuschlagenden Skeletts, zerbreche den Knochen. Die Hand hält immer noch den rostigen Säbel, den ich auf den Schädel eines anderen herunterfahren lasse. Durch den Schadensfluch des Meisters zerbirst er wie eine Vase aus dem dritten Stock. Trotz der unendlichen Möglichkeiten zur Gestaltwandlung, die ich besitze - am intuitivsten scheint es mir immer noch, in humanoider Form zu kämpfen. So gehe ich in die Knie und fege mit einem Bein einen Gegner von den Füßen, haste nach vorne und zertrümmere sein Rückgrat noch bevor er auf dem Boden landet. Eine Feuerschlinge, um Feinde umzuwerfen, wäre dennoch effektiver. Dann hätte ich ihn aber nicht übers Knie brechen können. Deswegen ist es so einfacher - ich muss nicht ständig auch noch nachdenken, welche Form für die aktuelle Situation am besten ist, wenn ich genug Erfahrung mit der menschlichen habe. Dennoch ... es wird höchste Zeit, die Mumien auszuschalten ...
»Deine Fähigkeit zum Selbstbetrug ist wirklich erstaunlich, General«, antwortet Azmondan derweil, die Stimme triefend vor Selbstzufriedenheit. »Zumindest vorwerfen kannst du ihr ihren Tod nicht. Oder? Hättest du ihr sofort folgen sollen?« Ich strecke meine Arme auf jeweils gut zwei Meter, lasse meine Beine dafür verschwinden, weil ich mein Volumen erhalten muss. Meine Hände finden Halt in der Wand und um eine Säule, ich strecke mich und schieße nach vorne, katapultiere meinen Hauptkörper über die verdutzten Skelette hinweg. Die Mumie versucht, mich mit einer Magiekugel zu treffen, aber es ist zu spät. Der Feuerball, der ich bin, fliegt ihr gegen die Maske, und kurz darauf sinkt sie zu Boden.
»Der General weiß, wie wichtig unsere Mission ist! Er hat immer richtig gehandelt, auch wenn es schwer war!«, rufe ich trotzig.
»Ach ja, die Mission«, ätzt unser Widersacher. »Baal wollt ihr vernichten und seinen Seelenstein wie den der anderen beiden Großen Übel zerschmettern, sehe ich das richtig? Findest du das nicht ein wenig heuchlerisch, General?« Was?
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagt der Meister ruhig. Als Betonung sprengt er ein gegnerisches Skelett, was ein weiteres vernichtet, und sogleich folgt eine zweite Detonation. Das sollte ... ja, der Weg ist frei.
»Hast du nicht einst nur zu gern mit eben jenem Baal zusammengearbeitet, den du jetzt so edel zu vernichten suchst?« Der Meister runzelt die Stirn. »Wäre mir jetzt neu.«
»Augen nach vorne, Azmodan! Deine Lügen lenken im Moment dich ein wenig zu sehr ab!«, ruft plötzlich der Zweite, wie schon lange in meiner Stimme - und wir schießen als Feuersäule nach oben, verschlingen die Mumie über uns, der wir uns plötzlich genähert haben, in einem Inferno. Über ihrer schwelenden Leiche formen wir uns zurück zu einem menschlichen Körper. Faust schlägt gegen Handfläche.
»Irgendwelche letzten Worte, bevor wir dein Gesicht schmelzen?«
»Oh, nur zwei Dinge.« Azmodans Stimme fließt wie vergifteter Honig hinter seiner Gesichtsmaske hervor. »Erstens: Ich lüge nie, also lenk du nicht ab, mein kleiner Feuerteufel. Zweitens: Was meinst du, warum ich euch zuerst in den anderen Raum locken wollte?« Ich fahre herum, ein sinnloser Reflex, wo ich doch einfach mein Sichtfeld ändern könnte, sehe, das der Meister das gleiche tut ... aber zu spät, denn da packen ihn zwei Mumien von hinten an jedem Arm. Die Tür, die sich vorhin hinter uns geschlossen hat, muss lautlos - oder leise genug, dass der Kampflärm es maskiert hat - aufgegangen sein. Verdammt! Der Meister erstarrt, mit ihm die Armee; dann breitet sich ein hässliches Grinsen auf seinen Lippen aus. Oh, wie ich wünschte, dass ich jetzt seine Augen sehen könnte ...
»Aus der Tatsache, dass ich kein Paar langer Messer in meinem Rücken habe, schließe ich, dass du etwas von mir willst. Was ist es diesmal, Azmodan? Immer noch Zusammenarbeit, um die Hölle zu übernehmen?«
»Siehst du, diese geradezu ekelhafte Verschlagenheit macht dich doch erst so interessant.« Azmodan schnippt die Knochenfinger seiner freien Hand, was nicht schnalzt, sondern klackt, und deutet zur Seite. »Bevor wir aber zum Geschäftlichen kommen ... Golem, du wirst dich jetzt an diese Wand stellen, weit weg von mir und von ihm. Ich weiß, was passiert, wenn du vernichtet wirst, also bleib nur. Aber keine Dummheiten. Wir verhandeln hier vielleicht, aber ich führe. Pass auf!« Er hebt die Hand, zweimal leuchtet es hell auf, und die Mumien, die ich gerade getötet habe, stehen beide wieder auf. Der Meister blickt von einer zur anderen, öffnet kurz den Mund und schließt ihn wieder. Azmodan gibt sein Krummschwert an die linke weiter und reibt sich die Hände. »Also, wie du korrekt festgestellt hast, möchte ich in aller Ruhe mit dir etwas besprechen, wozu wir letztes Mal keine wirkliche Gelegenheit hatten, weil dein nerviger Diener uns rüde unterbrochen hat. Es geht prinzipiell um das Gleiche: Ich will, dass du dich mir anschließt.«
»Es ist schön, begehrt zu sein«, gibt der Meister sarkastisch zurück. »He, wenn du schon wie unter zivilisierten Leuten verhandeln willst, magst du denen sagen, dass sie meine Arme freigeben sollen? Es fängt an, weh zu tun.« Von meinem Standpunkt an der Wand kann Azmodan mich nicht allzu deutlich sehen, deswegen mache ich mir keine Sorgen, weil meine Augenbrauen dermaßen hoch wandern. Er hat sowas von einen Plan ... aber welchen? Beinhaltet das die Freigabe seiner Arme? Wenn ja, spielt er aber ganz schön hoch. Azmodan lacht rumpelnd. »Deine Überheblichkeit hat wirklich nur zugenommen seit dem letzten Mal, als wir uns sahen. Ist es dein Sieg über Diablo, der dir diese Arroganz gibt? Oder hat dein Stolz so sehr gelitten, als du wegen mir deine Geliebte durchbohren musstest?«
»Im Gegenteil, Geringes Übel. Ich bin sogar sehr stolz auf die Entscheidung, die ich damals getroffen habe - wurde mir doch erst vor Kurzem bestätigt, dass Natalya noch lebt. Damit habe ich bereits zweimal über dich ganz persönlich gesiegt: Zunächst über deine Versuchung zur Sünde, und gerade eben, weil du der Lüge überführt wurdest.« Azmodan wird kurz still. Dann beginnt er tonlos zu sprechen: »Wer könnte ...« Er unterbricht sich. Und redet weiter, diesmal aber mit einem Lächeln in der Stimme, das man auf seiner ausdruckslosen weißen Maske natürlich nicht erkennen kann - aber ich bilde mir ein, dass es dem des Meisters exakt gleichen würde. »Es war Tyrael, nicht wahr?« Das tiefste Lachen bisher dringt aus seiner Kehle hervor, und diesmal ruft es mir ganz deutlich das Bild seines letzten Körpers ins Gedächtnis - eines ekelhaft hellgrünen Leichenspuckers, dieser grotesk geschwollenen, auch gesichtslosen Kreatur. Für einen Augenblick ist mir, als würde sein schlanker Mumienkörper durch etwas weitaus massigeres, einen Fleischberg mit zu vielen Beinen, ersetzt werden ... dann, endlich, verklingt sein fast minutenlanges Gelächter im Echo der engen Kammer. »Das ist zu köstlich. Er vertraut ... ha! Für diesen Moment pursten Amusements darfst du deine Arme befreit bekommen. Kannst sie gleich nutzen, um deine Skelettarmee zu vernichten.« Als ob er dafür seine Arme brauchen würde ... aber je weniger Azmodan weiß, desto besser. Als die Mumien den Meister loslassen, winkt er zuerst einen Wächter zu sich, der sich so hinkniet, dass der Meister auf dessen Schild Platz nehmen kann. Dann lässt er seine ausgestreckte Hand mit großer Geste über die vor ihm verteilten Skelette gleiten, die dramatisch entlang der Bewegung zerfallen. Währenddessen landen die Schwerter der Mumien an seinem Hals; ganz sorglos ist Azmodan offenbar nicht. Im Gegensatz dazu, wie der Meister wirkt, der die andere Hand locker auf dem Jade-Tan-Do ruhen hat und den Rücken gegen die stützende Hand des verdrehten Wächters unter ihm lehnt. Das Metall nur Zentimeter von seiner Haut entfernt ignoriert er natürlich vollkommen.
»Ausgezeichnet«, bedankt er sich, immer noch mit ironieschwangerer Stimme. »So unterhält es sich doch viel besser. Meinen ... Witz ... bezüglich unseres geflügelten 'Freundes' ignorieren wir einfach mal, kommen wir zu wirklich wichtigen Themen: Was willst du von mir? Soll ich dafür sorgen, dass deine Seele zurück in die Hölle geht, mitkommen und dann dir helfen, dort die Macht zu übernehmen?«
»Oh, ich sehe, ich habe deine Schläue gerade fälschlich gelobt. Die Hölle ist für mich gestorben! Ganz alleine dir zu verdanken! Ich weiß nicht wie, aber dein verdammter Dolch hat mich hierher geschickt, aber meinen Bruder verschont. Jetzt ist Belial seit Wochen als einziges Übel dort unten - ich habe quasi keine Chance mehr, mich durchzusetzen. Nein, siehst du es nicht? Dass ich hier gelandet bin, ist im Gegenteil ein unglaublicher Glücksfall! Seit Jahrhunderten haben die Großen Übel daran gearbeitet, auf Sanktuario Fuß zu fassen, diese Welt zu übernehmen und von hier den Himmel zu erobern. Als sie es das letzte Mal versuchten, wurden sie hier eingesperrt und mussten lange daran arbeiten, ihre Macht zurückzugewinnen, wollten dann nur wieder zurück in die Hölle, um ihre Armeen zu sammeln. Jetzt bin ich hier, direkt aus der Hölle mit all meiner Macht intakt, diese Gräber, ja, die ganze Wüste ist voll willig dienender Untoten, von denen ich so einige in den letzten Wochen mit größter Ruhe und Genugtuung unter meine Kontrolle bringen konnte, ungestört von irgendwelchen Weltrettern oder gar Großen Übeln, die mir schon viel zu oft in die Suppe gespuckt haben. Baal kann meinetwegen irgendwelche esoterischen Pläne hegen, den Weltstein zu korrumpieren und böse Schwingungen oder was auch immer zu versenden, ich sage, in die ewige Vergessenheit mit solchen Plänen! Ich hole mir eine Horde seelenhungriger Untoter, hier und jetzt, und übernehme alles, ehe er sich versieht! Mag Belial die Hölle behalten - bis er einen Weg findet, von dort nach Sanktuario zu kommen, gehört mir längst die ganze Welt und der Himmel dazu!« Der Meister starrt demonstrativ gelangweilt auf seine Fingernägel. »Fantastischer Plan. Und welche Rolle genau spiele ich darin?«
»Zwei Rollen. Erstens, du willst Baal töten? Herausragend. Ich auch. Er hat keinen Platz in meinem Plan. Niemand hat mehr Erfahrung darin, Große Übel zu vernichten als du. Zweitens: Ich brauche Anführer außer mir. Leute, an die ich Macht delegieren kann. Kein besserer General als der General selbst! Wie üblich mache ich dir nichts als fantastische Angebote. Du müsstest dafür nur eine Sache tun ...«
»Jetzt kommts«, schnaubt der Meister.
»Nimm das Jade-Tan-Do und stech es dir in die Brust. Deine Seele gehört dann mir. Das ist ein geringer Preis - wie ich dir gerade gezeigt habe, kann ich mit den Seelen, die mir durch Kaas Körper gehorchen, tun was ich will. Ich kann ihnen neue Körper geben - egal, welche. Diese Mumien sind nur ein Beispiel. Du siehst einen starken, schönen Menschen und wärst gerne er? Kein Problem! Töte ihn, ohne dass er allzuviel Schaden nimmt, und ich stecke deine Seele in seinen Körper. Du wirst nie altern! Durch die Bindung an mich kannst du gar nicht sterben - und weil ich hier bleibe, wirst du nie in die Hölle kommen, deine Seele sich nie durch die Last ihrer Sünden selbst foltern.« Was meint er mit »wie er er demonstriert hat"? Vielleicht hat er zwei der Seelen aus dem Kris, die ja nur der Meister sehen kann, in die Mumien gepackt? Das gäbe natürlich Sinn.
»Selbstmord ist eine Sünde, mein Gutester«, witzelt der Meister. Dann wird er plötzlich eiskalt. »Gegenvorschlag. Du nennst mir einen wirklich guten Grund, warum ich das Jade-Tan-Do nicht hier und jetzt zu einem Eisengolem machen soll, sofort wieder vernichten und deine Seele damit wer-weiß-wohin schicken soll.« Ah, das ist also der Plan. ... leider kein besonders guter. Bevor ich den Zweiten fragen kann, warum, hat Azmodan schon geantwortet. »Und welchen Grund hast du, das nicht schon längst getan zu haben, General? Du hattest genug Gelegenheit dazu, noch bevor du zwei Schwerter an den Hals bekamst.« Der Meister zuckt mit den Schultern. »Ich mag die Waffe. Also?« Wieder dieses Lachen, das so gar nicht zu der Mumie passt. »Ein Glück, dass du es so siehst - was mich nicht überrascht! Genießt du es nicht auch, wenn deinen Opfern das Fleisch bei lebendigem Leib von den Knochen schmilzt? Kaa hier hat mir genug Beispiele aus der Zeit gezeigt, als der Kris noch ihm gehörte ... eine wahrhaft wunderbare Waffe. Du darfst sie sogar behalten. Aber du wolltest einen Grund hören, warum es eine gute Idee war, erst zu drohen, dann zu handeln? Ganz einfach - erstens wäre Kaa dir sicher sehr böse, wenn du seine seelenlose Existenz so beenden würdest. Du kennst dich da sicher besser aus, als ich - aber meine Theorie ist, dass die Vernichtung des Dolches den Seelenstein in ihr nutzlos machen würde. Das gleiche gälte dann für seinen Zwilling in Kaas Brust, welcher ihn gefangen hält, und damit würde er restlos verschwinden. Persönlichkeit gelöscht, Seele weg.«
»Und das interessiert mich weswegen genau ... ?«, fragt der Meister. Azmodan winkt ab. »Dass dir das egal ist, habe ich mir fast gedacht. Wäre nur eine wunderbare letzte Sünde, der Verrat an einem deiner treusten Diener. Weißt du, dass Kaa dich immer noch vergöttert, trotz allem, was du ihm angetan hast? Was für eine Verschwendung von Treue ... aber ich scheife ab. Nein, der eigentliche Grund, warum es dumm wäre, den Dolch zu zerstören ist, dass es mir überhaupt nichts ausmachen würde. Ich habe diesen Körper übernommen, wie es Diablo mit dem des Helden getan hat. Das Schicksal von Kaas Seele ist mir völlig egal. Im Gegenteil, du würdest mir wohl sogar einen Gefallen tun, wenn du ihn loswirst. Nur ... ich könnte dich dann nicht mehr mit absoluter Sicherheit an mich binden. Das Risiko wäre zu groß, dich am Leben zu lassen, auch wenn du mir noch so die Treue schwören solltest, also müsste ich dich töten. Und aus reiner Verachtung für deine Idiotie möglichst langsam. Noch eine gute Idee von deiner Seite, oder soll ich dir ein Ultimatum stellen, bis wann die Klinge endlich in deinem Herzen zu landen hat, bevor meine Diener anfangen, dir Körperteile abzuschneiden? Ich habe zwar keine besondere Eile, aber die doch eher entspannte Atmosphäre hier beginnt, mir auf die Nerven zu gehen.«
»Mir auch«, stellt der Meister fest. Dann reißt er plötzlich beide Arme hoch, streckt die Handflächen nach außen, und aus jeder von ihr explodiert ein Feuerball mitten in die Brust der ihn flankierenden Mumien. Er flucht, krallt seine verbrannten Hände zusammen, aber hat die Geistesgegenwart, beide Leichen schleunigst zu neuen Skeletten zu machen. Mit steifen Fingern versucht er, das Jade-Tan-Do wieder zu greifen.
»Du verdammter ...«, brüllt Azmodan und renkt dann den Kiefer seiner Maske aus, um sein Tripel an Magiekugeln zu spucken. Ich stürze nach vorne, rufe: »Weg da!«, der Meister muss aufhören, sich auf den Dolch zu konzentrieren ... aber schon lösen sich die tödlichen Stachelkugeln aus dem Schlund der Mumie ... Zwei bandagierte Hände blocken je eines der Geschosse. Das dritte saust knapp am Kopf des Meisters vorbei. Ein Krummschwert klappert zu Boden; die Mumie, die das von Azmodan bekommen hat, hat es fallen gelassen. Beide wieder erweckten stehen jetzt bewegungslos da, nachdem sie die Magiekugeln aufgehalten haben.
»Ihr wagt es ...«, schreit ihr nur scheinbarer Gebieter, da erreicht mich die Stimme des Meisters.
»Die Handschuhe, Dorelem!« Ich war ohnehin in Bewegung, das ändert nur ganz leicht die Richtung. Mein Arm streckt sich zur Seite, ich packe das Schwert vom Boden, reiße es hoch und mit etwas Unterstützung vom Zweiten, der in solchen Angelegenheit immer noch besser ist als ich, schlage ich mit einem Streich beide Hände der großen Mumie ab, in derem Körper Azmodan haust. Er schreit auf, beugt sich nach vorne und speit eine Säurewolke, aber ich bin schon weg, fließe in einer Feuerpfütze über den Boden nach hinten, arbeite derweil mit zwei darin geformten Händen daran, die Mumienfinger aus den dunkelgoldenen Kettenhandschuhen zu entfernen. Der Zweite tut das gleiche an einem anderen Teil meines Körpers. Als wir beim Meister sind, sind die Handschuhe frei. Er streckt mir die Hände entgegen; sie sehen fürchterlich aus, die Haut ist schwer gerötet, da, wo sie sich nicht schon zurück geschält hat.
»Zieh sie mir an!«, ruft er.
»Was? Aber deine ...«, werfe ich ein, aber er gestikuliert noch dringlicher, und widersprechen kann ich ohnehin nicht. Widerwillig versuche ich zumindest vorsichtig zu sein, aber er rammt seine Finger einfach hinein, ohne einen Laut; einzig seine krampfhaft zusammengepressten Zähne und die gespannten Muskeln an seinem Hals verraten die Schmerzen, unter denen er stehen muss. Doch da glättet sich sein Ausdruck. Er hebt den Blick; ich folge ihm. Azmodan hat mit seinen Armstümpfen die beiden rebellischen Mumien zur Seite gestoßen und ragt drohend auf. »Ich hätte dir nie ein großzügiges Angebot machen sollen! Du wertloser Wurm wirst dir noch lange wünschen, dich mir angeschlossen zu haben!«
»Ach, Azmodan, ich bin einfach zu gierig. Du hast mir den kleinen Finger hingestreckt, ich habe mir die ganze Hand genommen. Grüß deinen Bruder schön von mir.« Was hat er ... Der Meister hält beide Händflächen nach vorne ... oder versucht es zumindest; seine zitternden Finger werden nicht ganz gerade. Azmodan öffnet den Mund, um seine tödlichen Magiekugeln zu spucken ... was machen die Wächter? Plötzlich schießt eine Wand aus Feuer vom Boden unter Azmodan hoch, den ganzen Raum durchstreckend. Völlig geschockt stolpere ich zurück. Von einem gellenden Schrei begleitet, der das ganze Grab zu erschüttern scheint, geht die trockene Mumie lichterloh in Flammen auf. Ich spüre, wie der Zweite etwas aufhebt; vor lauter Überraschung habe ich gar nicht gemerkt, dass er die Kontrolle übernommen hat. Aber ich kann nicht wirklich protestieren. Unsere Hand schließt sich um die des Meisters; er zuckt nicht zurück. Da sehe ich, wie sich aus der brennenden Mumie ein Phantom erhebt. Es ist ein fürchterlich dürrer Mann mit tief eingefallenen Augen, schütterem, zerrauften Haar und fast konkaver Brust; die Hände sind knorrig wie die eines Greises, das Gesicht ist von Pockennarben übersät ... aber der Ausdruck darauf einer purster Verzückung. Die rasch zu Asche zerfallenden Binden um die Brust der Mumie lösen sich, und zwischen ihren durch dämonische Magie verzerrten Rippen leuchtet ein Juwel auf, leicht zur Seite versetzt ... Das Phantom spricht mit heiserer, aber hingebungsvoller Stimme. »Ich danke Euch, Meister ...« Da erlischt das Glühen des Juwels und der Geist zerplatzt. In meiner Hand wird es kurz warm; und da erst merke ich, dass der Zweite das Jade-Tan-Do gegen unsere und die des Meisters gepresst hat. Ruhe in Frieden, Kaa. Du beneidenswerter Bastard. Was redest du da, Zweiter? ... was meinst du? Ich habe mich gerade gefragt, ob der Seelenstein im Dolch die Vernichtung seines Zwillings überlebt hat. Vielleicht kann er immer noch Seelen stehlen! Und was ist mit ... ach, vergiss es! Ich habe ganz andere Fragen!
»Was zur Hölle hast du gerade getan?«, bringe ich hervor. Der Meister lässt sich Zeit mit der Antwort, senkt erst langsam die Hände und blickt die Kettenschützer darüber mit unlesbarem Ausdruck an. Endlich fängt er sich.
»Ich schätze, das war eine Feuerwand.«
»Ja, das hätte ich mir auch zusammenreimen können!« Er grinst spöttisch. »Lass dich doch ein wenig aufziehen. War eigentlich wie mit den Feuerbällen auch - ich dachte mir he, das müsste eigentlich funktionieren. Und es hat funktioniert. Sogar ohne, dass ich mich dabei halb selbst in die Luft gehen lasse. Oh, wo wir schon dabei sind ... das tut verdammt weh, wenn ich es recht bedenke ...« Er fummelt etwas hilflos an seinem Gürtel herum. Etwas entnerft schubse ich seine Hand weg, pule einen Heiltrank hervor, entstöpsle die Flasche und gebe sie ihm.
»Vielleicht solltest du nächstes Mal die Handschuhe ausziehen für sowas«, rüge ich ihn, während er trinkt. Immer noch mit ihnen an den Fingern wischt er sich den Mund. Und schweigt. Mit unlesbarem Ausdruck starrt er auf sein viertes Setteil, dreht sie hin und her im Licht, das ich darauf scheine.
»Hm, das ist nicht so gut«, murmelt er. Ich runzle besorgt die Stirn. »Was ist los?«
»Ich glaube, die Haut ist etwas zu vernarbt. Ich kann die Finger nicht mehr ganz ausstrecken. Alles ein wenig steif.« Das schockt mich, als hätte es meine eigenen Hände erwischt. »Himmel, das ist schrecklich!« Er zuckt mit den Schultern. »Ach, als ob ich die so oft brauchen würde. Lass mal kurz los ...« Der Zweite gibt ihm das Jade-Tan-Do; der Griff des Meisters schließt sich darum.
»Na also. Alles kein Problem.«
»Aber ...«
»Es sind meine Hände, oder? Mach dir keinen Kopf, Dorelem.Wir haben jetzt auch noch ein paar andere Dinge zu besprechen. Ihr beide ... warum habt ihr mich gerettet?« Er sieht die beiden Mumien an, welche Azmodan vorher wiederbelebt hat und die ihn dennoch verraten haben. Sie stehen jetzt zu uns gewandt und nicht mehr steif, aber passiv da.
»Kaelan und Griez, nicht wahr?«, flüstert der Zweite. Sie haben ihn wohl trotzdem gehört und nicken.
»Verstehe ich nicht ganz«, sagt der Meister. »Ich meine, ich habe euch umgebracht!« Die Untoten reagieren nicht. Ich lege ihrem Mörder eine Hand auf die Schulter. »Ich wage zu behaupten, dass Freiheit von Kaa und Azmodan schwerer wiegt als Hass auf dich. Und vielleicht auch die Freiheit der ganzen Welt vor dem Joch der Hölle, hm?« Jetzt nicken sie, wirken ein wenig erleichtert, dass ich in Worte fassen konnte, was sie mit ihrem verfaulten Körper nicht konnten. Unter der Schädelmaske verzieht der Meister den Mund. »Na, soll mir Recht sein. Und jetzt?« Kaelan und Griez sehen einander an, scheinen stille Unterhaltung zu führen, deren Inhalt uns verschlossen bleibt. Ich versuche es erneut.
»Ihr wollt ganz frei sein, oder? Denkt ihr, es würde helfen, wenn wir eure untoten Körper vernichten?« Zögerliches Nicken von einer von ihnen, wer der beiden es auch immer ist. Ein Grinsen vom Meister. »Gut! Dann eben noch einmal, was beim ersten Mal offenbar nicht ganz gezogen hat. Sagte ich doch, ihr habt den Tod verdient!«
»General!«, rufe ich entrüstet. »Sie haben dir das Leben gerettet!« Der Blick leerer Augenhöhlen landet auf mir, und ich spüre Verachtung. Unwillkürlich zucke ich zurück.
»Ich hätte es auch ohne sie geschafft. Haltet still, das ist eine gute Übung.« Wieder blüht die Feuerwand auf, wieder verbrennen Mumien. Ich halte das Jade-Tan-Do nicht mehr, also kann ich nicht sehen, was mit ihren Seelen geschieht ... sind sie froh, ihrem Gefängnis entkommen zu sein? Nehmen sie dem Meister seine letzte Bemerkung so übel wie ich das tue? Sie haben mehr als gebüßt ...
»Ruht in Frieden, Griez und Kaelan«, flüstere ich, und erst danach merke ich, dass ich das gleiche gesagt habe wie der Zweite zu Kaa. Eine gute Erinnerung. Bevor er eine Bemerkung zu meinem Abschiedswunsch machen kann, sehe ich ihm fest in die Augen. »General, was Azmodan gesagt hat, macht mir Sorgen. Und Kaa hat es auch noch bestätigt. Was hat das zu bedeuten? Du bist Kaas Meister?«
»Ist das nicht offensichtlich, Dorelem?«, fragt er. »Zweiter, Kaa war ein Diener des alten Generals, nicht wahr?«
»Ja«, antwortet der Angesprochene. »Er war der erste, an dem mein alter Meister seine Technologie zur Seelenspeicherung getestet hat. Der Plan war, zwei verbundene Seelensteine als Rückversicherung gegen den Tod zu nutzen: Einer im Dolch, einer im Herzen Kaas. Sollte Kaa sterben, war die Theorie, würde seine Seele in den Dolch wandern; wenn dann die Waffe irgendwann dazu benutzt würde, ein Leben zu nehmen, könnte Kaas Seele den Körper des Ermordeten übernehmen und ihn so wiederauferstehen lassen.«
»Aber dabei ist etwas schief gegangen«, vermutet der Meister.
»Genau. Kaas Seele wurde vom Seelenstein in seiner Brust verschluckt und er dadurch zur leeren Hülle. Zum ... relativen ... Glück für ihn wirkte der Dolch nun in die umgekehrte Richtung und konnte die Seelen der damit Getöteten an Kaa weitergeben. So war es ihm möglich, eine halbwegs normale Existenz zu führen, indem er tötete und die gestohlene Seele mit seiner Persönlichkeit füllte. Dies war aber nie perfekt, und über kurz oder lang brannte er die fremden Seelen buchstäblich aus. So musste er wieder töten, was ihn keine Reue kostete, denn er hatte ja keine Seele ...«
»Himmel ...«, hauche ich. Der Meister nickt. »Das erklärt Einiges. Also hat er statt Zwillingssteinen einen anderen Plan verfolgt ...«
»Exakt. Dass ein so kleiner Stein dennoch eine ganze menschliche Seele restlos aufsaugen kann, hat ihr wahres Potential verraten. Viele von ihnen sollten die Seele so verteilen können, dass sie nicht für immer in einem von ihnen verschwindet ... und so war es dann auch.« Der Meister reibt die Ornamente an den Knöcheln von Trang-Ouls Handschuhen; es ist klar, was sich unter ihnen befindet. »Das hat aber eine ganze Menge Seelensteine verlangt. Woher bekam er die? Hat es etwa mit gewissen ... Verbindungen zu tun?«
»Worauf wollt Ihr hinaus, Meister?«, will der Zweite unschuldig wissen.
»Stell dich nicht blöd!«, donnert der Meister plötzlich. »Azmodan hat mich, sicherlich auch von Kaa beeinflusst, angesprochen als wäre ich der alte General. Und der hat angeblich Baal gedient. Also?«
»Es tut mir Leid, Meister. Ja, das ist richtig. Mein alter Meister hat sich offen Baal angeschlossen und für seine Unterstützung des Großen Übels so viele Seelensteine erhalten, wie er für das Trang-Ouls Set benötigt hat.«
»Und das ist dir bisher als nicht erwähnenswert erschienen?«, schreie ich den Zweiten an.
»Niemand hat mich gefragt, was wie eine lahme Entschuldigung klingt - aber ich erinnere mich ziemlich gut daran, dass sowohl du, Erster, als auch Ihr, Meister, des Öfteren bei Erwähnung der Untaten meines alten Meisters meintet, gar nicht mehr erfahren zu wollen. Gerne kann ich Euch mehr darlegen, wenn Ihr dies wünscht. Ich werde selbstverständlich jegliche Frage offen beantworten.«
»Du verdammte Ratte ...«, beginne ich, aber der Meister schneidet mich ab.
»Es ist gut, Dorelem. Den Zweiten trifft keine Schuld, und woran auch? Das Wissen, dass mein Vorgänger in Diensten der Hölle stand überrascht mich nicht im Geringsten, dich etwa?«
»... nicht wirklich«, muss ich kleinlaut zugeben.
»Na also, dann gibt es hier doch gar keinen Diskussionsbedarf mehr. Und hier sind wir auch fertig, die Gräber sind ruhig, der Seelenfresser ist tot, meine Schulden sind beglichen. Azmodan ist wieder in der Hölle und kann sich da mit Belial streiten, was mir hervorragend in den Kram passt. Alles in Allem ein mehr als erfolgreicher halber Tag Verzögerung ... Deckard und sein Gehetze immer.« Während seiner Aufzählung reibt er sich weiter die nun immer ein wenig verkrümmten Hände, was überdeutlich den Teil unserer fragwürdigen Errungenschaften betont, den er nicht erwähnt. Bald darauf sind wir zurück in Lut Gholein. Der General marschiert in Atmas Taverne ein, wo die Besitzerin ihm sofort mit besorgtem Gesichtsausdruck entgegenläuft.
»General! Ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens, Atma, danke der Nachfrage. Wo ist Deckard?«
»Er schläft. Ich soll ihn sofort aufwecken, wenn du ankommst ...« Der Meister nickt. »Dann tu das. Ich habe erledigt, was zu erledigen war.«
»Das ist schön«, sagt sie mit warmen Lächeln. Dann wird ihr Ausdruck ernster. »Aber du scheinst etwas zu vergessen.« Er legt den Kopf schief ... und ich klopfe ihm kurz auf den Helm. Sie lächelt mir aufmunternd zu.
»Oh«, brummt der Meister und setzt Trang-Ouls Verkleidung ab. »Na gut.«
»Die Handschuhe auch, General! Behalt meinetwegen die Rüstung. Ich komme gleich wieder.«
»Atma, warte!«, ruft der Meister ihr nach. Sie hält inne. »Ja?« Er greift sich an den Gürtel, und diesmal schafft er es, hervorzuholen, was er will. Es ist der prall gefüllte Sack Milch, der niemals leer wird.
»Ich glaube, es wird gleich ziemlich hektisch, und dann werde ich erst einmal für unbestimmte Zeit weg sein, also möchte ich dir das hier gleich geben. Im kalten Norden wird es mir nicht viel nutzen ... aber ich wette, du kannst damit eine ganze Menge Gutes tun für deine Kinder.« Sie wirkt etwas spektisch. »Was ist ... ?« Er lächelt milde. »Dieser Lederbeutel mit Milch wird niemals leer. Es ist nie im Leben genug, um dir zu vergelten, was du mir geschenkt hast; aber ich weiß, dass du nie eine Belohnung im Sinn hast. Gibt das an zukünftige Generationen weiter, wenn es dafür sorgt, dass viele Kinder in meiner Situation nicht hungern müssen, macht mich das vielleicht glücklicher als jeder Sieg über einen mächtigen Dämon.« Sie starrt den Beutel in ihren Händen an, als wäre er voll Diamanten. »General ...«, beginnt sie. Er winkt ab. »Geh Deckard wecken, Atma.« Seine Stimme bricht etwas, als er ihren Namen ausspricht. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. »Das war sehr gut von dir, General.« Er wischt eine Träne aus dem Augenwinkel - die Handschuhe hat er noch nicht ausgezogen. »Ich ... musste das jetzt tun, Dorelem. Vielleicht ist dir das nicht ganz klar, aber dieser Helm ... du hattest von Anfang an Recht, weißt du?« Eine eisige Faust umklammert mein Herz. Nach einer kurzen Pause spricht er weiter, ganz leise.
»Dieses Set ... es macht mir Angst. Je mehr Teile davon ich trage, desto schwieriger wird es, eines von ihnen auszuziehen.«
»... du trägst die Handschuhe noch, General«, flüstere ich zurück.
»Die anderen müssen jetzt kein Drama wegen meiner Hände anfangen«, sagt er schnell. Ich trete ihm gegenüber und sehe ihm in die endlich sichtbaren Augen. »Bist du dir sicher, dass das der Grund ist ... oder willst du sie nur nicht ablegen?«
»Himmel, ich weiß es nicht, Dorelem. Manchmal kommt es mir in letzter Zeit vor, als wäre ich nicht mehr komplett Herr meiner Sinne. Merkt man etwas davon?« Ich presse meine Hände in verzweifeltem Stoßgebet zusammen. Himmel, er merkt es! Mit großen Augen nicke ich schwer.
»Scheiße.« Er packt den verfluchten Helm mit beiden Händen, starrt ihm in die Augenhöhlen. »Vielleicht hätte ich das wirklich nie tun sollen.«
»Wie bist du überhaupt auf diese Idee gekommen?«, stoße ich hervor. Schritte nähern sich aus dem oberen Stockwerk. Langsam, viel zu langsam für den kurzen Moment, den wir noch alleine haben, sieht er mich an. »Die Antwort liegt in dir, Dorelem.« Du ... du hast ihn ... Er wollte es wissen. Ich habe ihn nur in die richtige Richtung gewiesen. Wegen dir ... verdammt!
»General ... du musst dieses verfluchte Seelengefängnis aufgeben!« Sein Blick ist unendlich traurig, und schon bevor er zu sprechen beginnt, weiß ich, was er sagen wird.
»Ich fürchte, dafür ist es etwas zu spät. Es tut mir Leid. Adieu, Dorelem.«
Er setzt sich den Helm auf. Etwas an seiner Pose ändert sich.
Er hat seine Unsicherheit verloren. Seine Zweifel verloren.
Wir haben ... ihn verloren.
« ... und darum werde ich euch zumindest in naher Zukunft keine weiteren Ratschläge und Ideen liefern. Tut mir Leid.«
Hunradil lässt die Faust frustriert auf den Tisch fahren. »Das ist doch beschissen.«
Zerknirscht wirkt Dostrian, als er mit auf den Händen gestütztem Kinn spricht. Er meidet den Blick des Meisters.
»Ich verstehe das nicht. Ihr wart doch beide vorsichtig damit, oder? Wird doch niemand heimlich Schwächen auf Meister Ingkrias gezaubert haben, damit ihm die Kreide aus der Hand fällt, oder sowas?«
Das zaubert ein Lächeln auf Hunradils Gesicht. »He, das ist eine geniale ... » »Nein, ist es nicht«, unterbricht ihn der ernste schwarzhaarige Novize. »Hör zu, Nef, es tut mir Leid, auch wenn ich mir keiner Schuld bewusst bin. Du hättest niemals wegen uns Ärger bekommen sollen.«
Der Meister hebt eine Augenbraue. »Keiner Schuld bewusst? Ganz sicher?«
»Denkst du etwa ... jemand hätte gepetzt?«, wirft Lixt dazwischen. Mit einem milden Lächeln sieht der Meister sie an. »Ach, so weit würde ich gar nicht gehen wollen. Wir sind doch Freunde, oder? Und was wäre eine Freundschaft ohne Vertrauen?«
Die Betonung verrät die Unehrlichkeit - aber ich glaube, keiner von den drei anderen will wirklich hören, dass der Meister einen von ihnen schwer verdächtigt. Er fügt noch etwas hinzu: »Grundsätzlich möchte ich nur, dass hier keiner ein schlechtes Gewissen mit sich herumträgt. Wenn euch doch etwas einfällt, warum Valtores auf unser kleines Geheimnis gekommen sein könnte, dann sagt es mir unter vier Augen, und niemand muss auf irgendjemand böse sein, ich am wenigsten von allen.«
Peinliches Schweigen senkt sich über die Runde. In klarem Unwillen, für dauerhaftes Kippen der Stimmung verantwortlich zu sein, wechselt der Meister das Thema. »Aber sagt mal, was hab ich verpasst, während er mich in die Mangel genommen hat? Wichtige, geheime Dinge?«
»Oh, nicht viel«, haucht Lixt. »Wir haben uns vor allem Sorgen um dich gemacht.«
»Und um Golanthe«, fügt Dostrian hinzu, mit einem Zucken der Mundwinkel, das verrät, dass er den Namen leicht lächerlich findet - ob ihn selbst oder dass Lixt überhaupt einen vergeben hat, kann ich nicht abschätzen.
»Warum, was ist mit ihr?«, fragt der Meister unschuldig. Die Novizin sieht ein wenig aus, als hätte sie auf eine saure Zitrone gebissen.
»Den ganzen Tag mit ... Zeug beschäftigt ist sie«, hilft Hunradil aus. »Weißt ja vielleicht noch nicht, der Hauptgrund warum man den Novizen so vergleichsweise früh erlaubt, einen Golem zu bekommen ist, dass von da an der Golem alle anfallenden Arbeiten übernimmt, die der Novize eigentlich tun müsste. Also Küche putzen ...«, und da fügt er ein schelmisches Augenzwinkern hinzu, denn er weiß natürlich, dass der Meister das heute erst machen musste, »... oder Böden schrubben und andere, noch ekelhaftere Sachen.«
»Und darum wurmt es dich wohl am meisten, dass du noch keinen beschwören darfst, hm?«, stichelt der Meister zuckersüß zurück. Hunradil lässt ihn am Zustand seiner Zunge teilhaben. »Wenigstens werde ich bald einen bekommen, da bin ich mir ganz sicher. Bis du dagegen deinen zurück haben darfst, vergehen sicher noch Jahre!«
»Ach, ein wenig hilft mir unser kleines Extrageheimnis schon auch.« Dass Valtores von mir weiß, hat der Meister verschwiegen, wie ein, zwei andere Dinge auch. »Aber was ist jetzt das Problem damit, dass Golanthe so viel zu tun hat? Ich meine, klar, würde mir auch keinen Spaß machen, die Arbeit, aber warum macht ihr euch Sorgen?«
»Die anderen nur«, antwortet Lixt hastig. »Es dauert halt etwas länger als sonst, darum ist sie noch nicht aufgetaucht. Sie ist ein starkes Mädchen und wird schon auf sich aufpassen können!«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung«, lacht der Meister, und die Runde entspannt sich. »Einfach ein wenig mehr Vertrauen zeigen, nicht wahr?«
Lixt blickt, verständlicherweise, immer noch leicht kränklich. Der General dagegen ist längst ein Meister darin, Lügen zu übertünchen. Ich fühle da mehr mit der zierlichen Novizin. Wir verfangen uns mehr und mehr in einem Geflecht aus Unwahrheiten, der Meister hat kein perfektes Gedächtnis und muss höllisch aufpassen, wer was weiß; statt weniger misstrauisch zu sein ...
Du spielst das Spiel, oder du gehst unter.
Und wenn das Mitspielen allein schon zu verlieren bedeutet? Um Lixt wenigstens etwas zu beruhigen, schiebe ich ihr heimlich die Notiz des Meisters zu: Warte später auf mich.
Nicht viel später und ohne, dass etwas Interessantes beredet worden wäre, löst sich die Gruppe auf. Lixt murmelt etwas von wegen, dass Golanthe sicher schon auf sie wartet, und verdrückt sich als Erste; der Meister wartet ganz bewusst, bis auch Hunradil gähnt und geht, dann verabschieden wir uns kühl von Dostrian.
Zurück in unserem Zimmer setzt der Meister sich auf den Stuhl und schließt erst einmal die Augen. »Und wie er uns verraten hat.«
»Was macht dich so sicher?«
»Er ist sich keiner Schuld bewusst ... ha ... die anderen beiden hätten doch nicht einmal den Mut, zu Valtores zu gehen. Und du hast den ja gehört. Sein 'Protegé' ist Dostrian. Der Zweite hat schon Recht, er will nur, dass ihm der Alte über den Kopf streicht und 'brav gemacht' sagt. Vielleicht später ein paar Privatstunden. Kotzt mich das an.«
Ob er da nicht den Mut zumindest einer bestimmten Novizin übersieht? Zugegeben, man übersieht sie grundsätzlich leicht ... der Meister blickt für ein Weilchen an die Decke, dann wendet er sich abrupt an mich. »Wie lange noch bis zur Sperrstunde?«
»Dreiundvierzig Minuten«, antworte ich. »Denkst du, das ist genug Zeit, um mit Lixt zusammen Golanthe wieder zu erschaffen?«
Er lächelt. »Zeit wäre das sicher genug, aber die falsche Zeit ist es trotzdem. Hm ... haben wir morgen etwas vor?«
Ich bin verwirrt, also springt der Zweite ein, um keine Pause zu verursachen. »Die erste Lektion sind Flüche.« Das sagt eigentlich alles.
»Ja dann. Diese Rolle hier?«, fragt er, und auf Zustimmung greift er sich das Lernmaterial. »Dann wollen wir mal. Sag mir zehn Minuten nach Sperrstundenbeginn Bescheid, ja?«
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wie sollen wir dann Golanthe retten?
Wie wollen wir das jetzt? Bitte beachtet uns nicht, nur ein kleiner Privatausflug mit einer weiblichen Mitnovizin nach draußen, am besten, wo uns keiner sieht, und nein, wir haben keine Hintergedanken?
Das würde wahrscheinlich immer noch weniger unangenehme Fragen verursachen als morgen, wenn die anderen merken, dass Lixt immer noch keinen Golem hat.
Siehst du nicht, dass er einen Plan hat? Vertrau ihm doch einfach, du Held.
... na, wenn das was wird. Der Meister liest konzentriert, überfliegt manche Passagen mehrere Male, fängt noch einmal von vorne an, und nach etwa einer halben Stunde nickt er. »So, das sollte genug sein, damit ich morgen Ingkrias' blöde Fragen auch ohne Hilfe beantworten kann. Wie liegen wir in der Zeit?«
Ich sage es ihm, und er stöhnt. »Oh Himmel. Dann ... lernen wir eben etwas vor, für die noch blöderen Fragen.«
Als ich ihm später endlich sagen kann, dass es soweit ist, rollt er das Pergament sofort auf. »Dann los.«
»Wie, los? Es ist nach der Sperrstunde.«
»Was heißt, dass keine Menschen mehr unterwegs sind. Und ich hab zumindest heute Ruhe vor blöden Fragen, zumindest, wenn die Fragesteller sich nicht ebenfalls solchen stellen wollen.« Er wirkt fröhlich.
»Und ... die Skelette?«, frage ich hilflos, aber sein Blick antwortet nur 'also bitte!'.
Wir treten vor die Tür. Alles ist still, aber natürlich brennen die Fackeln, wie immer. »Die nächste Patrouille kommt wann?«, will er wissen, ich sage es ihm, und wir warten die kurze Zeit ab.
Da treten sie um die Ecke des Ganges, ich möchte unwillkürlich tiefer in die Schatten weichen, da hebt der Meister die Hand und grüne Punkte erscheinen über den Schädeln. Sofort beginnen die Knochenkrieger, aufeinander einzuhacken; langsam schreitet der Meister auf sie zu, derweil zerfallen zwei zu Staub, und das letzte, lädierte wird von ihm selbst unzeremoniell zerstört.
»Spinnst du?«, wage ich zu flüstern. »Wenn die das rausfinden ...«
»Oh, du Kleingläubiger«, grinst er - aber da höre ich hinter uns schon die klackernden Schritte weiterer heraneilender Krieger. Und ich kann ihn so nicht einmal verteidigen, wenn die Situation eskaliert!
Die drei Skelette der anderen Einheit erreichen uns ... und halten an. Der Meister inspiziert sie. »Passt. Sie wären bis ... hier gekommen, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte, also umdrehen und los geht’s.«
Oh.
Na, wenn uns das nicht mal einen riesigen Vorteil verschafft.
»Du ersetzt sie durch deine eigenen!«, rufe ich aus, als ich den Plan begreife.
»Korrekt«, nickt er selbstzufrieden. »Mit drei Gruppen, die ihre Runden machen, ersetzt, habe ich völlige Bewegungsfreiheit, wenn ich ein wenig aufpasse. Da hilfst du mir bei, weil du die Routen ja schon lange berechnet hast, und damit ist es gar nicht mehr so schlimm, Novize zu sein. Und scheiß auf die Sperrstunde.«
Wie er gelacht hat, als ich meinte, es wäre quasi nicht möglich, durch das Muster ihrer Kontrollen zu schlüpfen, nachdem ich ihre Wege das erste Mal für ihn beobachtet hatte ...
So machen wir uns vorsichtig auf den Weg zu Lixt. Der Zweite, der stumm Kalkulationen angestellt hat, führt ihn zu den richtigen Abzweigungen, und wir warten an Schlüsselstellen auf die zwei anderen Skelettgruppen, die wir durch eigene ersetzen. Zweimal begegnen wir auch der ersten; es wäre unmöglich gewesen, durch das Netz zu kommen ... Dann sind wir an der Tür der Novizin, und plötzlich etwas zögerlich, braucht der Meister kurz, um zu klopfen.
Das Holz schwingt fast sofort von ihm weg. »Nef! Ich ... ich dachte, du kommst nicht mehr ...«
»Schhh. Wir haben ...«
« ... eine Minute zwanzig«, helfe ich ihm. »Komm mit«, murmelt er. Lixt wirkt, als würde sie glauben zu träumen.
»Aber ... so spät?«
»He. Vertrau mir!«, zwinkert er, und lädt sie mit großer Geste ein. Seine Unsicherheit ist weg - denn jetzt kann er angeben. Wie schlafwandelnd tritt sie auf den Gang - und da biegt eine Gruppe Skelette um die Ecke.
Lixt erschrickt, will gleich wieder zurück laufen, aber der Meister hält sie fest. Salutiert dem Führungsskelett, und das grüßt zurück.
»Was hast du ...«, haucht die Novizin. Der Meister scheucht sie voran. »Später.«
Ein paar Biegungen und Begegnungen mit für uns harmlosen Patrouillen liegen vor uns, jedes Mal bleibt Lixt fast das Herz stehen. Dann, endlich, sind wir an unserem Ziel: eine Sackgasse, ein Gang, der gegraben wurde, um die Novizenquartiere zu erweitern. Aber die Zahl der Neuankömmlinge wuchs nicht, und so liegt er, ungemauert, brach. Bloße Erde: Was wir brauchen. Der Meister reibt sich die Hände. »Da wären wir! In Kürze wird Golanthe wieder unter uns weilen.«
Unsere Begleiterin ist immer noch komplett verwirrt. Sie schüttelt den Kopf. »In Ordnung. Wir sind da. Wie hast du das gemacht?« Die Antwort ist - auch ein Kopfschütteln.
»Na, na, ich darf euch doch nichts mehr beibringen. Befehl von ganz oben. Tut mir Leid.« Sein Grinsen verrät den Schelm. Lixt stemmt die Hände in die Hüften. »Du hast es versprochen!«
»Habe ich?«, fragt mich der Meister. Ich verziehe den Mund und schüttle als Dritter in Folge den Kopf. »Mit keinem Wort, wenn wir ganz pedantisch sein wollen.«
»Also, das ist doch ...«, beginnt sie loszulegen. Der Meister ist kurz davor, immer noch grinsend, sie zu unterbrechen, aber ich falle beiden ins Wort. »Er hat die Skelette durch eigene ersetzt. Ich habe die Patrouillenrouten im Kopf. Eigentlich ganz einfach.«
Der Meister sieht mich ganz böse an.
Zu Recht.
Aber wieder kommt er nicht zum Sprechen. »Könnte das einfach so jeder machen?«, fragt Lixt aufgeregt. Ich zucke mit den Schultern. »Die Materialbeschaffung ist natürlich ein Problem, aber ...«
»Das genügt«, unterbricht mich jetzt der Meister. »Wir sind ja auch wegen etwas Anderem hier, nicht wahr? Golanthe. Es gehört eigentlich kein besonderes Geheimnis dazu. Wenn du den gleichen Zauber benutzt, um sie wieder zu beschwören, den du ursprünglich auch verwendet hast, kommt sie immer wieder.«
»Aber ... was ist, wenn ich ihn anders betone, oder ...«
»Oh, ich würde mir da keine Sorgen machen. Mache ich auch nie. Ich glaube, man müsste sich anstrengen, nicht den immer gleichen Golem zu beschwören.«
Ich grinse schief. »Der Himmel weiß, dass er sich oft genug nicht voll auf meine Wiedererschaffung konzentrieren konnte.« Das lässt Lixt wieder den Meister ignorieren, was diesen wieder finster blicken lässt. Was soll das? »Heißt das, du musstest auch schon einmal neu erschaffen werden?«
»Gestatte mir, kurz zu lachen! Ich bin im dreiundfünfzigsten Körper seit meiner Geburt!«
Kurz verschlägt es ihr die Sprache, dann beißt sie sich auf die Unterlippe. »Also ist es wirklich in Ordnung, wenn ich einfach ... Himmel, ich hab meinen Stab gar nicht dabei ...«
»Braucht es nicht«, beruhigt sie der Meister sanft. »Reine Krücken. Nützlich für die Konzentration, aber nicht mehr. Dorelem, würdest du ihr da aushelfen können?«
Was meint er ...
Mach dich zum Stab.
Ah. Ich werde lang und rund. Der Meister hebt mich auf und gibt den Tonstab an seine Mitnovizin weiter. Nickt mit einem aufmunterndem Lächeln auf den Lippen. Lixts Zähne hinterlassen Furchen auf ihrer Haut. Sie schließt die Augen. »Na schön ...«
Ein gemurmelter Zauberspruch, so sinnlos wie der Stab, außer als äußeres Zeichen der Gedanken, die das Talent der Beschwörer steuern. Die Wand vor uns vibriert, ein Stück von dem festgebackenen Lehm löst sich, aber fällt nicht, bildet die Form, Beine, Arme sprießen, und zuletzt der Kopf.
Lixt wagt es, ein Auge zu öffnen. »Golanthe ... ?«
Der neue Golem kommt auf sie zu und schließt sie in die Arme. Lixt springt ein wenig hoch, um die Umarmung zu erwidern. Ihre Augen glitzern, als sie ihre Freude herausschreit. Der Meister zuckt zusammen, aber hat die Güte, sie nicht zu bitten, still zu sein. Wir sind hier tief in nicht kontrolliertem Territorium. Und Skelette hören ohnehin nicht gut, habe ich mir sagen lassen. Kann ja bei Valtores' Lektionen auch aufpassen.
Nach nach einer Minute löst sich Lixt von dem Ton. »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
Golanthe kann nur nicken und ein grobes Lächeln versuchen. Der Meister tritt dazu. »Wenn ich darf ...« Er legt eine Hand an Golanthes Kinn, eine andere auf ihre Brust und konzentriert sich kurz. Ihr Tonkörper ... verspannt sich, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks. Dann verschwinden die Hände.
»Versuch es.«
Ein Geräusch wie ein Husten ertönt. Lixt bekommt große Augen. Ihr Golem ist nicht weniger überrascht. Sie versucht es noch einmal. Fast ein Ton. Wieder. »Ii ... «, ja! »Lii ... kt.«
»Du schaffst es«, spornt ihre Meisterin sie an. Und in der Tat. »Lixt. Ich ... fro ... au.«
»Das üben wir noch lang und breit!«, strahlt die Angesprochene. Dann wendet sie sich an den Meister. »Vielen, vielen Dank. Ich wusste immer, dass mehr in ihr steckt als eine willenlose Dienerin, und ihr den Gehorsam aufzuerlegen, hat mir fast das Herz gebrochen. Aber jetzt ... jetzt ist alles anders! Nie wieder allein!«
Höflich verbeugt sich der Meister. »Das Mindeste, was ich tun konnte.«
Kurz noch grinst Lixt über das ganze Gesicht. Dann wird sie ernst. »In Ordnung, nun, da wir das haben ... was ist jetzt eigentlich passiert?«
Kurz überlegt er, dann zuckt er mit den Schultern. »Kein Sinn, was zu verbergen, würdest du ja eh gleich aus erster Hand erfahren. Also, nachdem wir ... « Und damit erzählt er ihr alles. Sie wird immer besorgter, und am Ende kommt sie natürlich nur zu einem Schluss. »Du musst das unbedingt jemandem sagen!«
»Und wem? Valtores?«, höhnt der Meister. Sie nickt, übersieht den Tonfall. »Ich denke, der wäre der beste!«
»Nein. Ganz schlechte Idee. Um genau zu sein, wird niemand außer den Anwesenden davon erfahren.«
Bevor sie heftig widersprechen kann, erklärt er sich. »Valtores hat mir heute gesagt, was passiert, wenn ich zugebe, dass ich angegriffen worden bin. Er wird das als Vorwand nutzen, mir ein paar Privilegien angedeihen zu lassen. Privatunterricht. Eine Eskorte Skelette zum Schutz. Ein besseres Zimmer.«
»Aber das wäre doch toll?«, haucht Lixt unschuldig.
»Und würde bedeuten, dass ich euch die nächsten fünf Jahre mindestens nicht mehr sehen würde. Einzelhaft im goldenen Käfig. Valtores hatte in einem Recht, das er gesagt hat: Wenn ich mich vorbildlich verhalte, wird wer auch immer es auf mich abgesehen hat erkennen, dass ich keine Gefahr darstelle, und die Angriffe werden aufhören.«
« ... Mehrzahl?«
Er vermeidet kurz ihren Blick und ignoriert die Frage. »Dann können wir auch irgendwann wieder dazu übergehen, dass ich euch ein wenig unter die Arme greife. Wissenschaftlicher Austausch. Zumindest, wenn der Schöpfer dieses Ausdrucks sich bei mir entschuldigt. Zur Hölle, dann würde ich morgen wieder damit anfangen, wenn ihr versprecht, vorsichtig zu sein und den Mund zu halten.«
»Moment, was meinst du mit 'entschuldigen'?«
»Also Lixt«, stöhnt der Meister, »es sollte klar sein, dass Valtores mich nicht zufällig zur Seite genommen hat. Jemand hat ihm was gesteckt, und wir wissen glaube ich beide, wer als einziger in Frage kommt.«
»Du glaubst, dass Dostrian ... ?«
»Wer sonst? Er ist sonst auch immer so überkorrekt, warum sollte er das in dieser Hinsicht ändern? Eigentlich war ich blöd, dass ich ihm vertraut habe.«
Sie starrt auf ihre Füße. »Ich glaube nicht, dass du solche Schlüsse ziehen solltest ...«
»Es muss einer von euch dreien gewesen sein, jeder andere Novize war immer in Sichtweite von Dorelem, und keiner hat etwas mitbekommen. Dir vertraue ich, offensichtlich, und Hunradil, mit Verlaub, traue ich das nicht zu.«
Er redet sich etwas in Rage. Lixt blickt verzweifelt. »Dostrian ist dein Freund! Er hat das nicht getan!«
Der Meister legt ihr die Hände auf die Schultern. »Bitte, Lixt. Es ist schön, dass du auf seiner Seite stehst, aber ich kann leider nicht so naiv sein. Es hätte mich umbringen können, dass er geredet hat, ist dir das klar?« Sie wird blass, aber er ist nicht fertig. »Das lässt einen ein wenig anders über Freundschaft nachdenken. Vielleicht war ihm das auch nicht klar. In Ordnung, meinetwegen, obwohl ich ihn für schlauer gehalten hätte. Eine Entschuldigung erwarte ich zumindest.«
Sie zittert leicht. Seine Hände festigen ihren Griff. »Es tut mir wirklich Leid, so hart sein zu müssen. Wirklich. Trotzdem, ich möchte nur noch einmal klar stellen, dass ich dir auch vertraue, hierüber kein Wort zu ihm zu verlieren. Oder zu sonst wem.«
Ihre Stimme folgt dem Körper. »Warum ... denkst du, dass du mir ... vertrauen kannst?«
Sein Lächeln spiegelt sich nicht in den Augen wider. »Lixt ... ich tu mehr als das.«
Dann beugt er sich nach unten und küsst sie.
---Nicht viel später sind wir zurück in unserem Novizenzimmer.
»Du bist so still«, sagt er. Und ich sage nichts. »Ist was?«
Mein Blick sollte alles sagen. Aber nein, die Frage steht im Raum. Mühsam halte ich meine Stimme neutral.
»Ich kann nicht sagen, dass ich das verstehe.«
Er seufzt. »Was ist, bist du etwa doch eifersüchtig?« Dieser Mensch!
Haha ... ne, aber ernsthaft, was wurmt dich jetzt so?
Ihr ... »Natürlich nicht! Das ist lächerlich!«
»Aber etwas stört dich daran. Bist du nicht glücklich um meiner Willen?«, ätzt er.
Wünschte, ich könnte tief Luft holen, ohne dass es lächerlich aussieht. Ich begnüge mich mit einer langen Pause.
»Also ... vielleicht klingt das jetzt furchtbar dämlich, aber du liebst sie nicht, oder?«
Sein Blick schweift in die Ferne. »Ist das wichtig?«, fragt er, tonlos. »Beantworte einfach meine Frage!«, schreie ich, warum so laut? Ich weiß es selbst nicht genau.
Etwas ... Anderes tritt in seine Augen. »Habe ... ich das gerade nicht?«
»Das ist keine ...«, beginne ich, aber unterbreche mich selbst. Denke nach. Dann: »Es ist dir egal?«
»Fast. Es ist nicht mir egal, es ist grundsätzlich egal. Aber ich kann auch direkter werden, wenn es dir so viel bedeutet. Die Antwort ist nein.«
»Und warum«, und meine Stimme zittert, da ich meinen kleinen Tonkörper anspanne, um nicht wieder zu schreien, »hast du sie dann geküsst?«
Wieder dieser Blick in die Ferne. »Man muss Menschen nicht lieben, um sie zu küssen.«
»Aber wird sie«, und diesmal beiße ich meine gerade geformten Zähne bewusst zusammen, um durch sie zu sprechen, »das genauso sehen?«
Ihr mit eueren Fragen, wenn euch beiden die Antworten doch jedesmal glasklar sind.
Nimmt er das auch an, und weicht deswegen jedesmal aus? »Lag ich mit der Eifersucht gar nicht so falsch, Dorelem?«
»Was ...«, aber diesmal wird er zornig und unterbricht mich. »Oder warum sind dir ihre Gefühle so wichtig?«
Ich baue mich zu einer nicht besonders beeindruckenden Größe auf. »Vielleicht, weil sie eine Freundin ist?«
Er starrt auf seine Füße. »Das dachte ich auch von Dostrian«, bringt er heraus.
»Um hier ganz sicher zu sein«, sage ich und beiße jedes Wort ab, »ich irre mich hier nicht fundamental, oder? Sie liebt dich und denkt, du tust das Gleiche. Tust du aber nicht, und wenn sie die Wahrheit herausfindet, wird sie am Boden zerstört sein. Derweil spielst du nur mit ihr.«
»Wusste nicht, dass du auf einmal ein Experte in der Liebe bist!«, schnappt er. Aber ich habe gerade keine Lust, angeschnappt zu werden. »Habe. Ich. Recht. Oder. Nicht.«
Jetzt schreit er. »Ja! Hast du! Zufrieden?!«
Plötzlich wird mir bewusst, dass ich eine Grenze überschritten habe, und gebe keine Antwort. Aber ... da ich schon so weit bin ...
Ich schwöre bei Diablos verstreuter Seele, wenn du es soweit bringst, dass er uns durch einen weniger nervigen Golem ersetzt, werde ich dich langsam und qualvoll töten, und glaube mir, ich finde einen Weg!
»Wenn es dir selbst so schwer fällt ... warum tust du es dann?«, frage ich ihn schließlich, und versuche, sanft zu sein. Denn welchen Schluss sollte ich sonst aus seiner Wut ziehen? Seinem fast ohnmächtigen Zorn auf meine bohrenden Fragen ... als wollte er genau das nicht hören?
Überraschenderweise lässt seine Antwort nicht lange auf sich warten. »Weil es so am einfachsten ist.«
»General«, seufze ich und vergrabe mein Gesicht in den Händchen. »Soll ich dir die nächste halbe Stunde immer weitere Fragen stellen, oder möchtest du mir einfach gleich erklären, was du dir diesmal für einen großartigen Plan ausgedacht hast, von dem ich wieder einmal zu spät erfahre?«
Er faltet die Hände, blickt zum Himmel, legt sein Kinn auf die verschränkten Daumen und ist für eine Weile still. Bis er die Arme hochreißt. »Na schön! Dann teile ich halt meine Gedanken mit dir. Aber pass auf«, und hier hebt er seinen Zeigefinger, »es wird dir nicht gefallen.«
»Weniger als es mir jetzt schon gefällt?«
»Wir werden sehen. Es ist eigentlich ganz einfach. Offenbar kann ich hier niemandem vertrauen, wie mir Dostrians Verrat gezeigt hat. Ingkrias' Mordversuche. Valtores' Träume von Veränderung, die ich für ihn auf seine Weise katalysieren kann. Das hier ist ein Höllenloch und ja, der Ausdruck klingt ein wenig blöd auf den Lippen von jemand, der weiß wie die Hölle tatsächlich von innen aussieht. Ich brauche zumindest einen Menschen, auf den ich mich blind verlassen kann. Jemand, der mich liebt. Aber das ist nicht alles. Sie weiß mehr als jeder andere. Gefährliches Wissen. Wissen, dass mich meinen letzten Rückhalt kosten kann, wenn Valtores rausfindet, dass er vielleicht die Hälfte von dem über mich weiß, was er denkt. Ich habe keine Lust, jeden Tag aufzustehen und mich zu fragen, hat sie schon etwas fallen lassen? Hat er sie schon zur Seite genommen und ausgequetscht?
Jetzt hat sie ein Geheimnis, das zu behalten ihr persönlich extrem wichtig sein sollte. Die restlichen Geheimnisse unter Verschluss zu halten, sollte im Gegensatz dazu Kinderkram sein für die gute Lixt. Nebenbei wird sie ohnehin ihr Bestes geben, um mich nicht in Bedrängnis zu bringen, weil sie mich liebt. Also. Gründe genug, warum ich es getan habe?«
Ich glaube es nicht.
Tu es ruhig, das klingt sehr logisch, und ich muss ihm applaudieren für seinen abermals gezeigten Pragmatismus.
»Ihre Gefühle sind dir also in deinen Überlegungen wirklich völlig egal?«
»Dorelem ... ich bin ohnehin in weniger als einem Monat hier draußen, länger will ich wirklich nicht von der Außenwelt abgeschnitten sein. Sie war schon die ganze Zeit offensichtlich in mich verschossen, sie wäre ohnehin traurig gewesen, wenn ich abdampfe. Jetzt wird sie vielleicht ein wenig trauriger sein, aber derweil hat sie wenigstens die Illusion von Glück. Das ist doch besser als nichts, oder?«
Mein Ausdruck ist eine Grimasse. »Das ist grausam. Ach ja, und ist in deinem Komplex aus 'guten Gründen' auch irgendwie Natalya enthalten?«
Grenze. Überschritten. Er springt auf. »Du wirst mich hier nicht anklagen, indem du sie benutzt! Denkst du vielleicht, es ist leicht für mich, die Dinge zu tun, zu denen mich der Intrigensumpf hier zwingt?«
»Ich denke«, sage ich und drehe mich von ihm weg, »dass du es dir viel zu leicht machst.«
»Jetzt warte ... «
»Und«, speie ich, als ich mich zur Tür bewege, »ich finde es lächerlich, dass du dir offenbar mehr Kompetenz zutraust als mir, was die Liebe angeht.«
Große Worte für einen Golem, dem man das Wort erst erklären musste.
Der Protest des Generals wird den Rest der Nacht für mich ungehört bleiben; die nagende Stimme des Zweiten kann ich nicht ausschalten. Es werden lange Stunden bis zum Morgen ... ich verbringe sie einsam nachdenkend in der Sackgasse, wo Golanthe neu erschaffen wurde, die Hände in den Dreck gegraben. Ob ich ...
---Wir sollten ihn wecken.
Soll er selber erledigen. Sein Problem, wenn er zu spät zur Fluchstunde kommt. Vielleicht kriegt Ingrkias ja einen Herzinfarkt, wenn der General dann doch hereinspaziert.
Abgesehen davon, dass du kindisch bist - er hat es uns befohlen.
Das ist natürlich ein Argument. Mit drei Skelettgruppen auf unserer Seite ist meine Bewegungsfreiheit deutlich erhöht, und bald bin ich wieder an der Tür des Generals. Ich klopfe. Ein gedämpftes Geräusch ertönt, dann geht bald darauf die Tür auf.
»Oh, du bist es«, gähnt er, noch im Halbschlaf. »Guten Morgen«, sage ich, ohne große Emotion.
»Bist du immer noch sauer auf mich?«, fragt er, als ich mich durch seine Beine hindurch schlängle. Ich klettere auf den Tisch, um ihn anzusehen, bevor ich antworte. »Sauer? Man kann nicht eine ganze Nacht lang ständig wütend sein. Keine Lust, ewig zu schmollen. Meine Meinung: Du hättest es nicht tun sollen. Ich finde es völlig falsch. Aber jetzt ist es passiert, und letztlich musst du die Suppe selbst auslöffeln, und die Sache wird dich noch in den Hintern beißen, davon bin ich überzeugt.«
»Also ... wieder gut?«, lächelt er schwach. Ich funkle ihn an. »Es ist für mich erledigt ... solange du mich nicht da rein ziehst. Ich wasche meine Hände in Unschuld.«
Er seufzt. »Ich denke, damit kann ich leben. Muss schließlich auch mit meinem schlechten Gewissen leben.«
»Ach, hast du doch eines?«
»Ja, verdammt! Wie oft denn noch, wirklich gern betrüge ich die Arme doch auch nicht.«
Plötzlich stutzt er. »Bist du größer geworden?« »Vielleicht«, antworte ich lakonisch. »Mach dich fertig!«
»Garantiert nicht mehr sauer«, murmelt er, während er in seine Hose hüpft.
---Er hat verdammtes Glück, dass er gestern die Zeit totgeschlagen hat mit Lernen. Auch ohne dass ich ihm einsage - und der Zweite ist ausnahmsweise in den technischen Details auch nicht besonders bewandert - kann der ganz offensichtlich schäumende Ingkrias keine Lücke im Wissen des Generals finden. Die Lektion verläuft ohne Zwischenfälle, wenn man davon absieht, dass der Unterrichtende immer wieder mit so etwas wie Furcht in den Augen zu einem der Schüler blickt. Der General ist die Unschuld selbst ...
Pfeifend brechen wir nach dieser seltsamen Darbietung zum Mittagessen auf - und er lässt sich etwas Zeit. Will er etwa Ingkrias ... nein. Dostrian erklärt Hunradil etwas und bemerkt so gar nicht, dass Lixt zurück bleibt; und so können sie und der General nebeneinander und relativ unbeobachtet die Korridore entlang gehen. Sie strahlt, er lächelt zurück. Krampfhaft, wie ich sehe, aber sie ist dafür sicher blind. »Na, wie geht’s?«, fragt er lahm, und sie kichert. »Hab kaum geschlafen!« Ihre Hand sucht seine, und etwas zögerlich nimmt er sie. »Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber möchtest du das so offen zur Schau stellen?«, flüstert er.
Rehaugen. »Nur ein paar Meter?« Er seufzt, lächelt aber und stimmt zu. Mir verknotet sich der Magen. Wenigstens muss ich nicht mit ihr reden, weil sie nur für den General Augen hat, ich wüsste nicht, ob ich diese Farce aufrecht halten könnte.
Oh, in so einem Fall überlass einfach mir das Reden.
Bis jetzt hast du das noch nie. Denkst du nicht, sie würde den Unterschied merken?
Ich glaube, im Moment würde sie es nicht merken, wenn du ihr den Arm abschneidest.
Wäre ich nicht gerade ein Armreif, würde ich mit den Zähnen knirschen.
Bevor jemand etwas merkt, löst sie sich widerstrebend von ihm, aber beim Essen sitzen sie nebeneinander, was bedeutet, dass Lixt Dostrian gegenüber sitzt; das lässt den kurz die Stirn runzeln, aber offenbar ist es ihm nicht bemerkenswert genug, um etwas zu sagen.
Es gibt Suppe. Der General hebt den Deckel von der dampfenden Schüssel - und stutzt. »Haben die doch glatt den Löffel vergessen!«
Hunradil grinst ihn an. »Bewegung ist gesund!« Das kommentiert der General mit einem Rümpfen seiner Nase und macht sich auf dem Weg zurück zu den Golems, die das Essen verteilt haben; da er mit Lixt als Letztes der Novizengruppe gekommen ist, braucht er wenigstens nicht noch einmal anstehen, alle anderen haben schon ihre Portion bekommen.
»Entschuldigung, aber ihr habt mir keinen Löffel ...«, beginnt er, aber da hält ihm einer der Golems schon stumm einen hin. Etwas verwirrt bedankt sich der General artig und macht sich auf den Rückweg zum Tisch.
Der Zweite möchte etwas sagen, ich lasse ihn. »Ihr möchtet vielleicht einen Blick in den Löffel werfen«, flüstert er ein.
Warum das denn? Doch bevor er mir sagen kann, dass ich einfach in unseren Erinnerungen graben sollte, komme ich selbst auf den Gedanken ... oh, tatsächlich. Da ist ja ein Zettel drin, angefeuchtet und somit angeklebt.
Gift, steht darauf in groben Lettern.
»Na, da können wir ja froh sein, dass das Golemnetzwerk funktioniert ...«, murmelt der General mehr zu sich selbst als zum Zweiten. »Danke«, dann zu dem. Er setzt sich und rührt lustlos in der klaren Brühe.
Hunradil ist schon fertig, und nach kurzer Zeit bemerkt er das Verhalten seines Gegenübers. »Was ist los?«
»Ist nicht besonders«, meint er. »Und ich hab eh kaum Hunger«, fügt er hinzu, mit einem Seitenblick zu Lixt, die auch kaum etwas isst - nicht unglaublich ungewöhnlich, aber wir kennen ja den Grund. Immerhin wird sie keine blöden Fragen stellen.
»Keinen Hunger? Gibt es nicht! War doch eh viel zu wenig. Komm, schieb rüber!«, fordert der stämmige Novize. Panik tritt in die Augen des Generals. »Die ist doch schon kalt jetzt ... «, versucht er es, aber Hunradil greift sich die Schüssel einfach. »Ah, von wegen! Heiß ist die, da verbrennt man sich ja! Kann man doch nicht verkommen lassen.«
Sein Löffel taucht ein ...
»Nein!«, ruft der General, und weil er den Tisch zwischen sich und dem Hungrigen hat, muss er aufspringen, seine Arme vorwerfen ... und stößt so die Suppe um und in den Schoß des anderen. Was großes Gebrüll nach sich zieht, »bist du wahnsinnig?« noch der netteste der Ausdrücke, die Hunradil um sich wirft. Der General entschuldigt sich wieder und wieder, versucht, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen, aber vergebens - der Aufruhr am Tisch hat alle Augenpaare in der Nähe zu uns schwenken lassen.
»Warum hast du das gemacht?«, schreit der Verbrühte ... und der General seufzt. »Ich wollte nicht, dass du stirbst.«
»Ich würde gerne gerade sterben, oder noch besser, ich wünschte du würdest, warte nur, du kleine Ratte, ich ...«
»Die Suppe war vergiftet«, flüstert der General, und obwohl Hunradil das eigentlich übertönen sollte, hat es irgendwie jeder gehört. Es wird still im Raum.
»Was ist hier los?«, schneidet plötzlich eine wohlbekannte Stimme durch das betretene Schweigen.
Oh, verdammter Mist.
Valtores ist hier.
Nach einem langen Tag verabschiede ich mich von Lixt. Ich möchte den vollen Körper zur Verfügung haben, wenn der Meister gleich in sein Zimmer geht, für den Fall der Fälle. Sie ist etwas traurig, dass ich gehen muss - wird wieder eine Nacht ganz alleine verbringen - aber ich verspreche ihr, dass ich den Meister überzeuge, möglichst schnell etwas wegen Golanthe zu unternehmen. Lixt fühlt sich nicht sicher genug, ganz ohne Aufsicht ihren Golem neu zu beschwören - abgesehen davon, dass sie gar nicht wüsste, wie sie ungesehen an Material kommt, hier in den überall vermauerten Hallen. Auch das, lässt der Meister ihr durch mich mitteilen, ist kein Problem. Er hat einen Plan. Natürlich. Wird er ihn mir verraten? Natürlich nicht. Das Übliche.Wieder vereint tarne ich mich als Armreif, zur weiteren Sicherheit unter den Ärmeln des Novizengewandes versteckt, und begleite so den Meister durch die Gänge. Ein unbekannter Tongolem kommt uns entgegen; ich spanne figurativ die Muskel an ... ist es ein Attentäter? Nein, er drückt sich brav an die Wand und lässt den Meister ohne Probleme vorbei.
Und murmelt ihm dabei etwas zu. Kurz schießt der Blick des Angesprochenen zur Seite, dann zwingt er aber seine Augen nach vorne. Tut so, als würde er sich am Kopf kratzen, um mit mir zu flüstern. »Was hat er gesagt?«
»Fluchfalle über der Tür«, antworte ich, die krude Sprache des anderen Golems interpretierend. Der Meister grinst. »Ausgezeichnete Arbeit, ihr beide, wirklich.«
»Du solltest Ingkrias' Golem danken. Dass er so schnell einen Boten bekommen hat, und ihm innerhalb eines Tages genug Sprache beigebracht hat, dass ich ihn verstehen kann ...«
»Ja, scheint so, als hätten die größten Idioten die anständigsten Golems, haha.« Ich verstehe den Witz, fühle mich aber trotzdem verpflichtet, zu protestieren, was der Meister aber unterbricht. »Nein, deine Anständigkeit macht der Zweite gut wieder wett.«
Wir versinken für ein Weilchen in Schweigen, bis die Tür und die Falle dahinter auftauchen. Eine Dreiergruppe Skelette kommt gerade um die Ecke; der Meister geht an seinem Zimmer vorbei, lässt sie passieren, außer Sichtweite geraten, und dreht dann um.
»So ... wärst du dann so gut, Golem?«, fragt er mich, und dann fällt ihm etwas ein. »Oder soll ich dich jetzt Dorelem nennen?«
Ich bin ein wenig zerknirscht. »Na ja, den Namen hat 'nur' Lixt mir gegeben, was ja eigentlich irgendwie dein Recht wäre, aber ... er gefällt mir ganz gut ...«
»Ach, ich bin ganz froh darum. Du meintest immer, dass du nicht unbedingt einen Namen brauchst, mit Golem zufrieden bist, aber mir ist es schon lang immer blöder vorgekommen, dass ich dich so nenne. Nur bin ich wirklich nicht gut mit Namen, und du hast mich nicht wirklich gedrängt, also ... es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, möchte ich sagen.« Kurze Pause. »Aber ich fand es ein wenig komisch, dass der Zweite es mir sagt.«
Er ist leicht verletzt, dachte ich es mir doch. »Ich war leider lange damit beschäftigt, Lixt zu beruhigen. Hättest du das lieber ihm überlassen?«
»Haha, nein. Aber sei vorsichtig, dass ich nicht eifersüchtig werde auf die ganze Aufmerksamkeit, die du meinem Mädchen schenkst ... Scherz. Was hältst du eigentlich von der Sache, Zweiter? Willst du wirklich keinen besseren Namen?«
»Ich hatte nie einen Namen und verlange nach keinem. Jedoch möchte ich höflichst darauf hinweisen, dass die nächste Patrouille in etwa drei Minuten vorbeikommen wird. Und wir nicht wissen, wie diese Falle konkret aussehen wird. Ihr wollt vermeiden, dass jemand bemerkt, dass man Euch nach dem Leben trachtet, habe ich das richtig verstanden?«
»Ja, ja, so ist es«, antwortet der Meister zerstreut.
»Darf ich dann aufs Ergebenste Abstand empfehlen?«
»Sicher. Aber ist es wirklich in Ordnung, dass ich dich weiterhin 'Zweiter' nenne? Das ist so ... abwertend. Und ich glaube, du hast deinen Willen, mit uns konstruktiv zusammenzuarbeiten, genug bewiesen.«
»Es ist so gut wie jede andere Anrede, um Verwechslungen zu vermeiden. Ich werde jetzt hineingehen.«
Irgendwie benimmt er sich komisch - ich weiß ja, dass er eine Menge Privates zu verbergen hat, und nachdem ich schon mehr und weniger freiwillig ein paar Blicke darauf werfen durfte, weiß ich auch, dass er guten Grund dafür hat. Aber es war selten so offensichtlich, dass ihm ein Thema so ... nahe geht.
Wir fließen unter der Türschwelle hindurch. Sofort sehe ich, wie ein dunkel oranges Leuchten beginnt, den sonst lichtlosen Raum zu erhellen, sodass meine Nachtsicht nutzlos wird. Über unserem Kopf schwebt das Symbol eines Fluchs ... ein einzelner Glühfaden, wie der Schweif eines Kometen, der von einer im Kreis fliegenden Kugel ausgeht.
Ach so ist das. Und ich hatte mich schon gewundert, wie er den Meister mit einem Fluch umbringen will.
Was ist das?
Mittelpunkt. Verwirren auf die ganz Gemeine. Die verwirrten Gegner greifen nicht mehr wahllos Ziele an, sondern nur noch ein Bestimmtes.
Ich fühle mich gar nicht so, als müsste ich den Meister angreifen.
Nein, Tonschädel. Wir sind das Ziel. Mach dich bereit.
Wo ... oh. Ich höre sie, bevor ich sie in dem schlechten Licht sehe, unzählige Füße in stetigem Rhythmus, ein Klicken und Scharren, eine Armee: Skorpione, gut ein Dutzend, die bis zur Auslösung des Fluches friedlich im Strohbett geruht hatten, und jetzt auf uns zurennen, dabei keine Rücksicht aufeinander nehmen, es zählt nur, dass wir sterben. Es sind große Exemplare, mit mächtigen Scheren und stolz erhobenen Stacheln, zuckend und bis zum Bersten mit Gift gefüllt. Sie wirken gesund, wohl genährt, gezüchtet sicher für genau ein solches Attentat. Kann sogar wie ein Unfall aussehen, wenn man nicht zu viele Fragen stellt, oder stellen will.
Die Klauen haben einen größeren Durchmesser als meine Schulterbreite. Die Spitzen der Stachel überragen mich.
Meine Hände formen ihre kleinen, lächerlich wirkenden Krallen. Sollten wir nicht lieber dem Meister Bescheid geben?
»Oh, hier ist ein ganzes Nest Skorpione, aber keine Sorge, die beißen nicht«? Wir müssten sie ohnehin ausrotten. Klar könnten wir schnell rausgehen, aber dann sammeln sie sich an der Schwelle und wir kommen nicht mehr rein.
»Alles in Ordnung?«, flüstert der Meister durch den Spalt am Fuß der Tür. »Wir müssen Kammerjäger spielen«, antworte ich, erleichtert, dass er nun doch informiert ist. Dann beginnt der Kampf. Ich lasse den Zweiten übernehmen - habe ich Ahnung davon, wie man Skorpione am besten verletzt? Er offenbar schon. Dem stoßenden Stachel des ersten weicht er aus, klug die Bewegungen des Gliedertiers lesend, was ich völlig verpasst hätte. Bisher hatte ich nur Übung mit sichtbaren Muskeln. Der Zweite packt den Stachel, schiebt ihn zur Seite, zwischen schon zupackende Scheren, die so blockiert sind, und den ersten auch vorerst außer Gefecht setzen. Schnell schrumpft unser Körper, damit der Hieb von der anderen Seite daneben geht, wir fließen unter den vergleichsweise weichen Bauch des Angreifers, und wie damals bei Duriel, stößt der Zweite nach oben, bohrt Klauen zwischen Körpersegmente und reißt. Eingeweide übergießen uns, das seltsam klingende Insektengeschrei erklingt, und dann wird der noch zuckende Körper schon weggerissen: Die anderen spüren ihr Ziel, setzen die Jagd fort, um jeden Preis. Noch sind die Krallen oben vom Heben des verendeten Kollegen, der Zweite nutzt das, springt darunter hinweg, packt ein Bein, reißt es aus und stößt es umgedreht in die gerade geschaffene Lücke im Panzer. Er erklimmt den ausgeschalteten Skorpion, um mehr Überblick zu gewinnen ...
Der Todeskampf hat unserem letzten Opfer nicht sämtliche Kontrolle gekostet. Von hinten durchbohrt uns der Stachel.
Was solls. Keine Nerven hier zum Paralysieren.
Wir fließen zurück, um die Verdickung mit dem Gift darin, bis der Schaft des Schwanzendes in unserem Körper steckt, an der Verbindungsstelle bricht der Zweite das ganze Stachelsystem ab. Diese etwas klobige Waffe findet bald ein Ziel, und ich finde heraus, dass Skorpione nicht gegen ihr eigenes Gift immun sind.
Da halten die anderen plötzlich inne, wirken verwirrt. Was ist los?
Fluchdauer zu Ende.
Oh.
Na denn, das macht die Sache leichter.
Aber sie wehren sich jetzt gar nicht mehr!
Oh, sicher. Angreifen werden sie uns nicht mehr.
Ich töte ungern wehrlose Tiere.
Du spinnst.
Die Tür schiebt sich einen Spalt auf. »Alles klar? Oh. Die perfekte Gelegenheit, das einmal auszuprobieren.«
Der Meister hebt eine Hand, und plötzlich tanzen grüne Punkte über den Köpfen der Skorpione. Kurz wirken sie noch hilfloser - und gehen dann aufeinander los, ein wildes Gemetzel. Kichernd tritt der Meister ein, geht vorsichtig um die sich gegenseitig zerreißenden Gliedertiere herum und zündet die Öllampe an, bevor er die Tür schließt.
»Gerade recht, da kommen die Skelette.«
Ich starre missmutig auf das grausame Schauspiel. »Ist was, Go ... Dolerem?«, fragt der Meister besorgt.
»Dorelem. Ich weiß nicht, das kommt mir vor, wie einer Fliege die Flügel auszureißen.«
»Fliegen haben keine Stachel. Kann nicht sagen, dass ich dich hier verstehe.«
Er zerschlägt den letzten Überlebenden mit seinem Schuh. »Schau dir das an, hätte glatt noch durch die Sohle gestochen. Was haben Skorpione jetzt mit einem Fluch zu tun?«
Der Zweite erklärt es ihm, während ich mich schon daran mache, die verstümmelten Überreste einzusammeln. Wie soll ich die denn vernünftig verstecken?
»Leg sie einfach auf einen Haufen. Also, Mittelpunkt, hm. Klingt teuflisch. Aber nützlich. Verwirren funktioniert ja schon einmal prima.«
Ach, das waren die grünen Punkte ... wenn so etwas über mir tanzte, würde ich sicher auch ganz kirre werden. Als ich die Kadaver gestapelt habe, erschafft der Meister abwesend ein halbes Skelett aus ihnen: Ohne Gliedmaßen außer einem handlosen Arm. Es zerfällt nahezu sofort wieder, und hinterlässt - natürlich - nur Staub. Ich rümpfe die Nase ... die Weichteile müssen ja trotzdem noch entsorgt werden. In einem kleinen Beutel, den kann er dann wegwerfen, beschließe ich.
»Kommst du klar mit dem Rest?«, fragt der Meister, mit großer Hoffnung in der Stimme, dass ich nicht verneine.
»Aber natürlich. Leg dich hin.«, komme ich ihm entgegen. Was solls. Das erledigt sich so nebenbei.
Der Hauptkörper ist derweil schon mit einem anderen Golem allein - Meisterin Fratellas schlanker Eisendiener, den sie so geformt hat, wie sie vielleicht einmal in ihrer Jugend ausgesehen hat, mit breiter Brust und Hüften. Ähnlich meinem Modell hat sie ebenfalls versteckte Klingen in den Armen, Dolche mit filigran scheinender Klinge, aber das täuscht, genauso wie die sonst harmlose Erscheinung, ohne die Stacheln und Dornen überall, die der Meister mir verpasst hat. Die Dolche sind seit Kurzem mit potentem Gift verzaubert. Eine unserer interessantesten Nachrichten für den Meister, da Meisterin Fratella die Verzauberung kurzerhand vor meinen Augen an ihrem Golem ausprobiert hat.
Man muss es ihr lassen, die Sache permanent zu machen, hat mein Meister nicht hinbekommen. Wobei ihn der Nahkampf natürlich auch nie interessiert hat. Schade nur, dass es etwas wenig Sinn hätte, unseren eigenen Dolch mit Gift zu verstärken ...
Ja, eine wahre Schande, das. Viel bedrückender finde ich, dass die gute Meisterin tatsächlich zu vernünftiger Stunde ins Bett gegangen ist und wir deswegen schon viel früher als sonst die Nacht mit einer stummen Wächterin in der Ecke des Raumes beginnen.
Konzentrier dich doch derweil auf das Saubermachen.
Nein, danke, da nehme ich dir doch lieber noch ein paar Stunden mit Schach ab. Oder sollen wir sie auch ansprechen?
Ingrias' Golem leistet gute Arbeit und wir können ihm offenbar vertrauen, es gibt keinen Grund, dieses Risiko einzugehen.
Hast ja Recht.
»Mir wurde gesagt, dass ich dir für ein gewisses Geschenk danken muss?«, ertönt plötzlich eine hohe, metallische Stimme im Raum. Was mir ein Grinsen aufs Gesicht zaubert. »Das klingt richtig, ja ...«, antworte ich. Die Nacht ist gerettet.
Oh Hölle, und ich habe mich so auf ein wenig Ruhe gefreut ...
Tatsächlich hat der Zweite nach einigen Stunden keinen Grund mehr, sich zu beschweren. Meine Gesprächspartnerin ist nicht ganz so in Dankbarkeit ergeben wie der Papiergolem, aber sie möchte genausowenig wie er, dass mir und damit dem Meister etwas zustößt. Der Zweite übernimmt das Reden nach kurzer Zeit, leiert ihr, ohne zuviel von unserer Situation preiszugeben, Information über Information aus den Stahlrippen. Könnte die Meisterin Interesse daran haben, dem General zu schaden? Ein klares 'vielleicht', aber sie beharrte bisher auf der Meinung, dass er zwar mehr schaden als nutzen würde, schreckt aber davor zurück, ihn zu exekutieren. Ist insofern, allein weil mehr als ein Meister das deutlich anders sehen - ohne es direkt auszusprechen, allerdings - eine starke Unterstützerin von Meister Valtores, wenn sich die Ältesten wieder einmal streiten. Viele von den genannten Namen sagen mir nichts, wobei ich überrascht bin, dass der so trockene und in der Vergangenheit zu leben scheinende Meister Baranin ganz klar ausspricht, dass er den Verbleib des Generals hier für sehr richtig hält. Der Zweite saugt natürlich die uns noch unbekannten Namen auf wie ein Schwamm. Ich stelle fest, dass Ingkrias kein einziges Mal erwähnt wird.
Er ist ein Opportunist. Hat keine feste Meinung, kann so jede Seite unterstützen, wenn die am Gewinnen ist, und am Schluss behaupten, dass er es immer schon gesagt hat. Und zieht nebenbei die Fäden im Hintergrund. Genau, was ich ursprünglich von Lixt dachte.
Und auf welche Gelegenheit genau wartet er? Mir fehlt hier irgendwie die Motivation, wenn man bedenkt, wie alt er schon ist.
Ich weiß es nicht. Aber es kann nicht gut sein, dass ihm so viel daran liegt, die potentesten Flüche aus dem Buch zu erfahren - und das Wissen über sie sorgsam geheim hält. Und nebenbei hinterrücks versucht, den Status Quo zu untergraben. Die Leute scheinen auf Valtores zu hören, seine Meinung hat Gewicht, auch wenn hier keiner ein definierter Anführer ist ... das kann Ingkrias nicht gefallen.
Du meinst, er plant einen Putsch?
Ich denke, er weiß nicht, warum Valtores den Meister als Novizen aufgenommen hat - so wenig wie wir, möchte ich hinzufügen - und das macht ihn völlig fertig. Nach dem, was ich so höre, freut sich Valtores durchaus, dass er seine Ansichten durchsetzen kann, aber es scheint fast so, als liege ihn wirklich nicht allzuviel an Machtgewinn. Was auch kompletter Unfug wäre, die haben ein gutes Gleichgewicht geschaffen. Würde einer versuchen, sich über die anderen zu erheben, bekäme er von allen Seiten Widerstand. Wenn man eine solche Situation versteht, ist das das Paradies. Man ist in einer Position, die sich quasi nicht verbessern lässt, als Teil eines gleichberechtigten Gremiums, das den Laden am Laufen hält. Aber weil man sich als schon immer als vernünftig erwiesen hat, kann man Vorschläge bringen, die öfter als die von anderen gehört werden. Valtores hat sich hier ein wunderbares Nest geschaffen, er kann quasi tun, was er will, ohne die Regeln ihrer Oligarchie auch nur zu biegen.
Ingkrias dagegen versteht die Situation nicht im mindesten. Es geht ihm nicht ein, dass man vollkommen zufrieden sein kann damit, es so weit gebracht zu haben. So ist er paranoid - möchte Valtores vielleicht die absolute Macht an sich reißen, ihn, der andere Meinungen hat, aus dem Rat werfen? Niemals würde Valtores das machen, weil er nicht dumm ist, aber das könnte man Ingkrias nie erklären. Er sieht den Meister, einen unbekannten Faktor, aufgenommen mit unbekannter Motivation, und sieht eine Trumpfkarte. Eine Waffe in der Hinterhand. Er will Klarheit, also entfernt er die Karte aus dem Spiel. Ich bezweifle, dass er wirklich weiter denkt als so. Inklusive der Trang-Oul-Verbindung. Wetten, dass er keine Ahnung hat, was genau es bedeutet, dass der Meister einen Gürtel mit dem Symbol trägt, aber sich enorm viel darauf zusammenreimt?
Hm. Das klingt relativ schlüssig. Hast du sowas schon einmal erlebt?
Pass auf, ein Beispiel. Eine Stadt, tyrannisch regiert von einem Mann, der absolut unantastbar ist, vergiss es, er ist der Herrscher, und bleibt das auf unabsehbare Zeit. Er hat allerdings keine Lust, jede einzelne Entscheidung zu treffen, jedes Detail der Stadt zu steuern, es gibt Besseres zu tun. Also sucht er sich einen Haufen Idioten, die sowieso die ganze Zeit schon das Gefühl hatten, dass ihnen eigentlich mehr Macht, mehr Einfluss zustehen sollte, wenn da nicht dieser Kerl an der Spitze wäre. Sagt ihnen, passt auf, du kriegst dieses Stadtviertel, du dieses, ihr trefft euch einmal in der Woche und trefft Entscheidungen, und wehe, ihr nervt mich. So eliminiert er sie aus der Gleichung. Sie sind froh, ihre Macht zu haben, so legitim, wie es geht, dazu, machen seine Drecksarbeit und freuen sich des Lebens. In den Haufen Idioten setzt er zwei, drei schlaue Leute, die genau wissen, das ist das Beste, was ihnen je passieren könnte, und sie erzählen ihm sofort, falls irgendjemand auf dumme Gedanken kommt. Jetzt stell dir vor, es gibt den Mann an der Spitze nicht mehr. Was passiert? Nichts. Die Gruppe an der Spitze regiert weiter. Wird einer von ihnen die Macht übernehmen? Unmöglich. Sie haben sich die ganze Zeit gegenseitig klein gehalten. Die Schlauen arbeiten perfekt zusammen, sind die besten Freunde, gegen sie kommt niemandes Meinung an, also versucht es auch niemand. So war es hier, als Rathma das Zeitliche gesegnet hat. Seine ersten Jünger haben gemeinsam die Zügel in die Hand genommen, und der Ältestenrat besteht seitdem ohne Querelen.
Und der angesprochene Tyrann ist nicht zufällig jemand, den du sehr gut kennst ...?
Wenn ich dir das erklären muss, wirst du aus unserem Rat von zwei Leuten geworfen. Ebenfalls überflüssiger Hinweis: Du gehörst zu den Idioten.
Welche Ehre. Schade nur, dass ich trotzdem das letzte Wort habe.
Hast du das.
Hm. Also, es ist bald Morgen ... sollten wir denn nicht das Trang-Oul Kapitel aufschlagen? Ich bin mir sicher, Fratellas Golem wird das nicht stören.
... wir fragen sie. Mehr darüber, was Ingkrias vielleicht doch triftigen Grund für seine Paranoia gegeben haben könnte zu erfahren, ist einfach zu wichtig.
»Ich würde auf Auftrag meines Meisters ein paar Seiten hier auf eigene Faust durchlesen. Gibt es noch etwas, worüber wir reden sollten?«
»Tatsächlich gibt es das. Du solltest es nicht tun«, antwortet sie schnell. Ich bin sofort besorgt. War die Übervorsicht des Zweiten begründet? »Warum?«
»Ich habe strikte Anweisung, alles Unerwartete, was du tust, zu melden, schriftlich natürlich. Großzügig interpretiert habe ich erwartet, dass du reden kannst, also kann ich das vermeiden. Aber dass du selbst Interesse an dem Buch zeigst, ist definitiv unerwartet, nicht nur von meiner Meisterin, sondern auch von mir.«
»Verdammt, habe ich es mit der Frage schon versaut?« Ich ohrfeige mich innerlich.
»Unerwartetes, was du tust. Noch hast du nichts getan. Aber ich würde nicht das Umblättern beginnen.«
Halb unbewusst imitiere ich das Ausatmen angehaltener Luft. »Danke für die faire Warnung.«
»Das Wenigste, was ich tun konnte.«
Die Unterhaltung ist damit gestorben. Wann werden wir dem Buch die Geheimnisse entreißen können?
---Etwas später wecke in den Meister. »Wie angenehm, zur Abwechslung mal wieder von deiner süßen Stimme aus dem Schlaf geholt zu werden, Dorelem. War das richtig?«
»Ja!«, strahle ich ihn an. Er grinst verschroben, reibt sich den Schlaf aus den Augen. »Nun denn, was steht heute an?«
»Vormittag hilfst du in der Küche aus, kein Unterricht. Später ist Beschwörung angesagt, als Einziges. Wie jeden Mittwoch. Was würdest du ohne mich machen?«
»Keine Ahnung, es mir aufschreiben?«, gähnt er. »Wenn es mir wichtig wäre, könnte ich es mir sicher auch merken. Hm, das heißt, es ist auch wieder Zeit für unser wöchentliches Treffen?«
»Aber selbstverständlich.«
Er streift sich die Hose über. »Dostrian konfrontieren oder nicht, das ist hier die Frage.«
»Mit was? Wir haben nur Vermutungen. Zur Hölle, vielleicht ist Mei ... Valtores wirklich selbst draufgekommen.«
»Niemals. Nein, ich weiß, was ich mache.«
Ein paar Sekunden Stille später stelle ich eine Frage, die ich mir sparen könnte. »Aber du wirst es mir nicht sagen?«
»Ach, ich hab den ganzen Tag Zeit, darüber nachzudenken ... da ist doch noch nichts in Stein gemeißelt, warum Worte verschwenden.« Dann reibt er sich das Kinn. »In der Küche, hm?«
»Noch ein Plan?«
»Wir werden sehen, wir werden sehen. Was ist das?« Er deutet auf ein kleines feuchtes Leinensäckchen.
»Skorpioninnereien. Die müsstest du wegschaffen«, flöte ich. Er rollt nur mit den Augen und wirft die Arme hoch. Dieser Golem immer. Schon klar.
Töpfe schrubben sich schnell, wenn man jemand hat, der hineinsteigen kann und in jede Ecke kommt. Und ich habe ja nur eine Tonhaut, ist ja nicht so schlimm, wenn ich dreckig werde, richtig? Pah, ich helfe ihm ja gerne, aber er sollte nicht einfach so annehmen, dass es für mich überhaupt kein Problem ist. Vielleicht spreche ich ihn irgendwann darauf an ...
Dann werde ich durch seinen zuletzt gefassten Plan abgelenkt, für den er mich braucht und den er mir schließlich doch verrät. Es ist eigentlich ganz einfach. Der Abfall vom Kochen ist hier unter besonderer Aufsicht. Mit einem gewaltigen Komplex voller übereifriger Novizen lässt man auch ausgekochte, gesplitterte und hohle, von Geflügel stammende Knochen nicht einfach so herumliegen. Darum werden alle diese prinzipiell unbrauchbaren Gebeine nur vorsichtshalber vor der Entsorgung noch einmal komplett zermahlen. Alle brauchbaren Knochen sind längst schon für Experimente, Ersatzteile und Ausrüstung beiseite geschafft worden. Ich habe mitbekommen, dass es immer wieder aufkommende Diskussionen gibt, ob es in Ordnung ist, den natürlichen Lebenskreislauf so vieler Nutztiere zunächst anzuwerfen - durch Zucht - und dann wieder zu unterbrechen - durch Schlachtung. Man bemüht sich offenbar, die Population an Vieh konstant zu halten, um nicht zu viele Seelen auf einmal hin- und herzuschieben. Oder so. Ganz habe ich die Philosophie dahinter nicht verstanden, aber da bin ich, glaube ich, nicht alleine. Letztlich ist das aber egal, denn der Pragmatismus gewinnt hier immer: Totenbeschwörer brauchen Knochen in großzügigen Mengen. Punkt. Und das Fleisch schmeckt eben den meisten, was natürlich selten als Grund zugegeben wird, aber garantiert ein entscheidender Faktor ist.
Worauf ich eigentlich hinaus will - es sollte unmöglich für einen Novizen sein, sich einfach so einen Skelettdiener zu erschaffen, wann immer er oder sie will. Mal ganz abgesehen davon, dass dies auffallen würde. Die Transportwege in die Lager sind sicher, und wie gesagt, Abfall wird zermahlen.
»Ich frage mich wirklich, ob die das hier nur zur Schau machen. Wenigstens die Meister sollten doch wissen, dass es völlig umsonst ist?«, murmelt der Meister, als die Grube voller Knochenmehl schon zum neunten Mal in Folge verräterisch hochstaubt. Zum ersten Mal seit einiger Zeit ist die Armee wieder komplett, versteckt unter dem auch zermahlen offenbar noch problemlos zum Beschwören geeigneten Material.
»Vielleicht. Aber ich denke nicht, dass der übliche Novize sich so einfach klar machen kann, dass es nur wichtig ist, dass es ein einmal lebendes Körpergerüst war«, überlege ich halblaut. »Ich meine, die waren überrascht genug, als du die Insektenpanzer benutzt hast.«
»Auch wieder wahr. Tja, was man eben in der Praxis so alles mitbekommt ...«. Der Meister pfeift beim Abschließen der noch anstehenden Arbeiten.
»Was hast du jetzt mit den schlafenden Kriegern da unten vor?«
»Oh, ich hab da so ein paar Ideen ...«. Und wem wird er sie nicht erzählen? Richtig.
Ich finde es sehr gesund, dass er eine gewisse Verschwiegenheit pflegt. Gerade in diesem unüberschaubaren Sumpf aus Geheimnissen.
Ja, aber uns gegenüber?
Seine Sache.
Ich gebs auf.
Das Mittagessen ist ereignislos, genauso wie der Beschwörungsmarathon, vier Stunden am Stück. Übung für Übung für Übung. Der Meister muss sich vorkommen wie ein Schachmeister, der in peinlichster Genauigkeit beigebracht bekommt, in welche Richtungen man den Springer bewegen kann. Aber er bekommt eben keine Vorzugsbehandlung. Meister Valtores benimmt sich völlig normal; wo Ingkrias überkorrigiert hat und seine Schuld damit peinlichst offensichtlich war, ist der Beschwörungslehrer völlig natürlich in seiner klassischen Kühle. Er stellt dem Meister nicht mehr Fragen als den anderen Schülern, kritisiert nahezu gleich viele kleine Details in dessen Technik wie bei anderen - um genau zu sein, ein paar mehr, da der Meister natürlich einige eigene Ideen eingebracht hat, die sich oft mit der Standardmethode beißen. Und ich muss sagen, von außen betrachtet, kann er davon durchaus etwas lernen. Er hat sich sehr gut geschlagen durch eigenes Improvisieren und Ausprobieren, aber manchmal ist, was Meister Valtores ihm rät, einfach eleganter, ökonomischer, effizienter.
Irgendwann ist es vorbei. Der Meister wendet sich ganz normal zum Gehen, folgt der Dreiergruppe unserer Freunde - nun gut, je nachdem, ob Dostrian uns jetzt wirklich verraten hat oder nicht - um sich später zu ihnen an den Tisch zu setzen ... da legt ihm beim Herausgehen der Blutgolem des Lehrers eine Hand auf die Schulter. Oh. Na ja, nicht wirklich Grund zur Sorge, natürlich will er mit seinem überqualifizierten Novizen reden, und das hier ist eine relativ unauffällige Gelegenheit.
»Neflum, ich möchte mit dir reden. Setz dich, bitte.« Lixt hört das noch und dreht sich kurz um, aber geht dann schnell weiter. Der Meister nickt brav und wartet auf die erste Frage. »Hast du das Gefühl, dass du dich mittlerweile hier gut eingelebt hast? Dass du zurecht kommst mit den Pflichten eines Novizen und dem Studium deiner Fächer?«
»Oh, auf jeden Fall«, antwortet der Meister und legt genau die richtige Menge mildes Lächeln in die Stimme. »Es ist natürlich manchmal ein wenig stressig, aber eigentlich ist es Erholung gegenüber dem, was ich draußen teilweise an Problemen hatte.«
»Soso. Vermisst du diese Freiheit gelegentlich?« Wie üblich ist der Tonfall des alten Meisters nicht zu deuten.
»Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde. Zumindest beim Topfschrubben.«
Meister Valtores geht nicht auf den Scherz ein. »Du scheinst auch schon Freunde unter Gleichaltrigen gefunden zu haben.«
Die Schlinge zieht sich enger ...
Sicher hat der Meister dieses Gespräch schon unzählige Male durchgespielt. Der kommt schon zurecht.
»Nun, so lange kennen wir uns noch nicht, aber ich würde sagen, wir sind auf bestem Weg.«
»Und mit guten Bekannten bespricht man natürlich auch gerne den Lernstoff, in der Freizeit?«
Enger ...
»Ich meine, im Gedanken des wissenschaftlichen Austausches ... «, gibt der Meister etwas schwach zurück, aber er weiß ja schon, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, sich hier zu verteidigen.
»Ein hochgestochener Ausdruck. Den du vermutlich von Dostrian übernommen hast, der ihn von mir hat. Ja, der Austausch ist sicherlich fruchtbar. Wobei ich mich frage, was du von ihnen wirklich lernen kannst.« Eine gefährliche Schärfe durchdringt die sorgfältige Neutralität in den Sätzen des Beschwörungslehrers.
»Oh, dies und das ... ich meine, sie haben natürlich einige Jahre länger Erfahrung als ich«, weicht der Meister aus, aber eigentlich wartet er nur wie ich darauf, dass der Hammer fällt.
Dass Meister Valtores das fast wörtlich nimmt und seine Handflächen laut klatschend auf den Tisch schlägt, lässt ihn dann doch zusammenzucken. »Du bringst ihnen Dinge bei, für die ich sie in fünf Jahren noch nicht reif genug halten würde, General!«, donnert er. »Hast du irgendeine Ahnung, wie gefährlich so etwas sein kann? Was für Versuchungen du in ihnen wecken könntest? Techniken, die du offenbar für harmlose Spielereien hältst, die unzählige Menschenleben kosten könnten, wenn sie in die falschen Hände geraten?«
Hat er ihn gerade 'General' genannt? Der versucht, zu beschwichtigen. »Es sind doch nur ...«
»Nur, nur! Es ist nicht falsch, auf Erreichtes stolz zu sein, aber du bist dir offenbar nicht im Geringsten der Verantwortung bewusst, die du hast! Ich habe dich aufgenommen, damit du lernst, dein Wissen unter Kontrolle zu bekommen, nicht, damit du es überall verstreust wie tickende Zeitbomben!«
Er funkelt den Meister an. Autsch. Das war ein wenig heftiger als erwartet. Kurz senkt sich Stille über den Raum, während der Meister überlegt. Seine Frage ist dann allerdings ganz einfach. »Und jetzt?«
Meister Valtores seufzt und setzt dann wieder absolute Neutralität auf. »Wir brauchen hier nicht um den heißen Brei herum reden, General. Du kommst hier an, versprichst, dich unterzuordnen, aber brichst mit Hingabe so viele Regeln in so kurzer Zeit, dass ich dich nicht nur herauswerfen sollte, sondern am besten gleich dafür sorgen, dass du nie wieder irgendwelche Regeln brichst.«
Eiskalt bleibt der Meister sitzen. Gut so. Der Blutgolem ist nicht wirklich einer, mit dem zu spaßen ist. Nach einer sich dehnenden Pause redet Meister Valtores weiter. »Aber das würde bedeuten, dass ich meine Zeit verschwendet hätte, und dass ich mich in dir getäuscht hätte, beides Dinge, die ich ungern tue. Ich hatte Gelegenheit genug, mir ein Bild von dir zu machen. Du bist nicht nur talentiert, du bist brilliant. Wenn du auch nur ein Fünkchen weniger Schläue in dir hättest, wäre das Buch für dich komplett nutzlos gewesen, oder der Umgang damit hätte dich vermutlich relativ spektakulär das Leben gekostet. Das ist ein Potential, das ich durchaus erkenne.«
»Vielen Dank«, antwortet der Meister tonlos.
»Ha«, schnaubt sein Gegenüber, »du solltest das nicht als Lob auffassen, General. Denn so willkürlich du deinen Namen angeblich gewählt hast, ich sehe dich an und sehe dessen ersten Träger. Jeder Bericht über seine Persönlichkeit, sein Verhalten, du erfüllst sie, als wärst du die Wiedergeburt des Bösen selbst. Die wenigen Bilder, die wir haben, könnten von dir in etwa fünfzig Jahren sein, die Nase, die Wangenknochen, sogar die Haarfarbe stimmt bereits. Schneeweiß in deinem Alter, und doch bist du kein Albino. Es ist mehr als beunruhigend. Es ist geradezu beängstigend.«
Nichts von dieser Emotion fließt in seine Rede, aber wenn man eine derart kultivierte Neutralität pflegt, ist allein das Aussprechen von Gefühlen wohl schon das Äquivalent zu schreiender Panik.
Der Meister versucht, seine Reaktion ähnlich trocken zu halten, und macht es gar nicht übel: »Ich hasse es, mich wiederholen zu müssen, aber dann wüsste ich erneut gerne, warum ich überhaupt noch lebe.«
»Eine Frage, auf die ich die Antwort auch gerne wüsste. Aber ich habe schon verstanden. Warum schütze ich dich? Nun, kannst du das nicht selbst denken?«
»Potential?«
»Exakt. Du bist gefährlich. Du machst Probleme. Verursachst mir die ersten Kopfschmerzen seit gut zehn Jahren. Aber du bist voller Chancen. So Viele hier denken, du bist verdorben bis zum Kern, dein Name allein hätte ihnen gereicht, dich zu verdammen. Und übersehen das Wichtigste: dass ohne Leute wie dich die Welt sich nicht weiterdreht.«
Er dreht dem Meister jetzt den Rücken zu und starrt an die Tafel. »Du bist jung, voller Energie, frischer Ideen. Das Buch hat dir geholfen, aber die Anwendung ist deine. In der kurzen Zeit, in der du hier bist, hast du mich schon mehr als einmal überrascht, und das in meinem Spezialgebiet. Weißt du, dass du seit zehn Jahren der erste Autodidakt bist, den wir hier aufgenommen haben?«
Der Meister schaltet schnell. »Die Quelle der Kopfschmerzen?«
Meister Valtores wirft ihm einen Blick zu, als wäre die Frage die dümmstmögliche. »Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Wenn es nur darum ginge, dir dein Wissen auszupressen, könnten wir das auch auf unangenehmere Weise machen, das ginge schneller und effizienter, und danach würdest du sang- und klanglos entsorgt.«
Eiskalt.
Man kommt nicht in eine solche Position ohne ein gesundes Maß an Skrupellosigkeit.
»Nein, es ist von eminenter Wichtigkeit, dass du am Leben bleibst. Deine Ideen weiterentwickelst. Deine Neugier, deinen Forschungsdrang weiterhin für das Gute nutzt. Ich habe mit vielen Leuten geredet in den letzten Wochen, viele Berichte gelesen, wenig geschlafen.«
Mit präzisen, gleich weiten Schritten beginnt er, auf und ab zu gehen. »Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass du bisher Einiges vollbracht hast. Von Tristram über Lut Gholein bis Kurast. Und tiefer, angeblich. Andere zerreißen sich den Mund, dass du mit deiner Macht die Welt spalten wirst, Krieg bringen, Leid, Tod in allen Ländern Sanktuarios. Was sein kann. Auch dafür hast du das Potential, das Erbe deines Namens ist Zeugnis genug dafür. Aber hast du irgendetwas in dieser Richtung unternommen? Bisher wurdest du herumgescheucht auf deiner Jagd nach den Großen Übeln, hast ohne zu klagen und ohne dich feiern zu lassen des Öfteren die Koffer gepackt und auf deiner selbst auferlegten Mission weitergemacht. Wenn du das nur tust, um dich zu profilieren, überall an Macht und Einfluss zu gewinnen, dann wäre ich fast gewillt, dir das zu gönnen, so viel Mühe, wie du dir gibst. Aber nein.«
Er bleibt stehen und sieht dem Meister direkt in die Augen.
»Die anderen sehen die Gefahr, die du darstellen könntest. Was sie dabei übersehen, in ihren konservativen, verkrusteten Hirnen, ist wie vielen Menschen du helfen könntest. Du schon geholfen hast. Sie sehen einen Dämon kurz vor dem Amoklauf, einen Chaosstifter. Ich sehe einen jungen Mann, kaum erwachsen, mit eisernem Willen und so viel Hoffnung in den Augen.«
Und endlich zeigt Meister Valtores ein äußerliches Zeichen davon, dass er sich in das redet, was bei ihm als Leidenschaft durchgeht: Er ballt die Faust an seiner Seite. »Wenn wir nicht bereit sind, ein Risiko einzugehen, den nächsten Generationen ein wenig Freiheit zu lassen, Fehler zu begehen, sie aus diesen lernen lassen, ihnen das Korsett uralter überkommener Traditionen überspannen und beim kleinsten Anzeichen des Wandels danach schreien, selbigen auszumerzen mit Stumpf und Stiel, dann werden wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten aussterben, überholt von einer sich um uns ändernden Welt. Es ist eine Überzeugung, der ich anhänge, seit ich damals selbst Novize war, als ich jeden Tag ausbrechen wollte und am liebsten ganz Sanktuario radikal neu gestalten wollte.«
Der Meister runzelt die Stirn. »Ihr seht Euch selbst in mir?«
»Trang-Oul bewahre mich vor dem Gedanken.«
Er stützt sich schwer auf das Pult vor ihm. »Dafür bist du viel zu sehr von dir selbst eingenommen. Früh habe ich erkannt, dass man durchaus versuchen kann, die Welt zu ändern, aber die Welt ist genauso konservativ wie die allermeisten ihrer Bewohner. Man muss sie in winzigen Schritten voranbringen. Mit kleinen Stößen in die richtige Richtung. Darum bin ich hier geblieben, bin Meister geworden, habe Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin, um andere vollbringen zu können, auf die ich sehr stolz bin. Ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet, das derer, die nach mir kommen, besser zu gestalten.«
Der Meister nickt beeindruckt, dann spielt ein schelmisches Grinsen um seine Lippen. »Und letztlich Euer eigenes, nicht wahr? Schließlich wird Euere Seele auch in Zukunft weiter auf Sanktuario wandeln.«
Das Grinsen, das ihm antwortet, ist komplett freudlos. »Bilde dir nur nicht ein, auch nur einen Hauch unseres Glaubens zu verstehen. Um zu einem Ende zu kommen: Ich wollte, dass du einen Einblick gewinnst in was mich antreibt, um besser verstehen zu können, in welchem Dilemma ich mich durch dein Verhalten befinde. Einerseits halte ich meine Entscheidung, dich hier lernen zu lassen, für immer noch völlig richtig. Es ist nicht nur das zweifelsohne gewaltige Potential, das in der steckt, die Chance, dass du zum besten und wichtigsten Nekromanten heranwächst, den die Welt je gesehen hat.« Der Meister versucht, Bescheidenheit zur Schau zu stellen und heftig zu protestieren, aber erhält keine Gelegenheit dazu. »Ich liefere keine leeren Phrasen und erwarte sie nicht. Bei jedem anderen müsste ich fürchten, dass es ihm zu Kopf steigt, aber wenn dich deine bisherigen Erfolge noch nicht zum unerträglichsten Egomanen der Welt gemacht haben, ist eine Portion einfacher Wahrheit von einem alten Meister auch nicht mehr schädlich. Der andere Grund ist ohnehin viel wichtiger: Du bist überheblich, stolz, rebellisch, manchmal auf geradezu peinlich kindische Weise, aber wie soeben attestiert, niemals ins Unerträgliche. Ich bin ein vorsichtiger Mensch, aber völlig gewillt, dir zuzugestehen, dass du ein guter Mensch bist, und das sollte jeder in dir sehen, nicht ein potentielles Monster nur wegen deines Namens. Diese Beobachtung ist mir mehr wert als alles andere.«
Langsam wird es dem Meister fast peinlich. »Ich ... gebe mir Mühe.«
»Tust du nicht.« Meister Valtores lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass er all das nicht als Lob meint, sondern es eben schlichte Feststellungen sind. »Es wirkt eben nicht gezwungen. Eine Einschätzung, die ich mir vor Kurzem weiter bestätigen konnte, als ich mit deinem Golem geredet habe.«
»Ihr habt ... «, stößt der Meister hervor, in gut gespielter Überraschung. Was dennoch nicht im Mindesten überzeugt.
»Tu nicht so, du weißt es längst. Ich fände es schön«, und die Betonung sticht besonders aus seinen sonst so wohl modulierten Worten hervor, »wenn du mir sagen würdest, wie du den Kontakt hältst.«
Lange überlegt der Meister nicht, bevor er seinen Ärmel hochkrempelt und den Armreif aus Ton auf den Tisch hält. Ich entfalte mich. »Erfreut, Euch wiederzusehen«, sage ich höflich und verbeuge mich leicht.
Das treibt dem alten Meister nun doch eine Augenbraue in die Höhe. »Du bist ein ... Ableger des Golems, der über den Folianten wacht?« Ich nicke, und der Meister tätschelt mir den Kopf. »Das ist nun nicht eine Idee von mir. Mehr eine Mischung aus Glück im Unglück und Dorelems Fähigkeit, aus der Not eine Tugend zu machen.«
»Ist das dein Name?«, wirft der Blutgolem ein, und wieder nicke ich nur. Möchte mich nicht allzusehr einmischen.
Meister Valtores reibt sich das Kinn. »Soso. Nun, das erklärt Einiges. Gibt es einen bestimmten Grund für dieses ... Arrangement?«
Der Meister zuckt mit den Schultern. »Ich hatte bisher nicht wirklich Zeit, das Buch in aller Ruhe von vorne bis hinten zu durchforsten. So, ganz banal, wird mir die Arbeit von Leuten abgenommen, die das mit dem peniblen Nachforschen ohnehin viel besser können als ich.« Ein Teil der Wahrheit. Dass insbesondere der Zweite noch deutlich mehr als das tut - was sage ich, wenn man bedenkt, was ich mit dem Papiergolem losgetreten habe, ist mein Beitrag zu besser Verschwiegenem nicht wirklich von der Hand zu weisen - muss der werte Meister ja nicht unbedingt wissen.
»Ein wenig zu banal. Aber gut. Ich habe nun wirklich selten erlebt, dass auch der edelste Totenbeschwörer wirklich nett zu seinem Golem ist, von einem solchen Grad an gegenseitigem Respekt ganz zu schweigen.«
Nicht ungesehen von mir blickt der Blutgolem bewusst teilnahmslos an die Decke. Sein Meister fährt fort: »Das ist allein deswegen keine Selbstverständlichkeit, da sich die allermeisten noch nicht einmal bewusst sind, dass Golems durchaus freien Willen haben.«
»Wenn ich mir die Frage erlauben darf, wie kommt es, dass das offenbar nicht aus kompletter Unwissenheit geboren, sondern entgegen der Lehrmeinung ist?«, wage ich einzuwerfen.
Deinen Vorsatz, still zu halten, hast du aber schnell gebrochen.
Der Blick des Gefragten wird finster. »Oh, es wissen einige der sogenannten 'Weisen', wahrscheinlich sogar die meisten, sonst wäre der Titel ja eine komplette Farce, nicht wahr? Sie beschließen nur, wieder und wieder, Generation um Generation, dieses Wissen geflissentlich zu ignorieren.«
»Aber ... warum? Das ist doch ... «
»Eine Schande?« Auf mein mutiges, weil heftiges Nicken seufzt Meister Valtores in echter Enttäuschung. »Stell dir vor, wir würden beginnen, den Novizen zu erzählen, dass jeder einzelne Nekromant, der ihnen bisher als Vorbild gedient hat, seit Jahren mit teilweise voller Kenntnis dieser Tatsache ein denkendes und fühlendes Wesen als rechtlosen Sklaven missbraucht hat. Weißt du, was das für uns alle bedeuten würde?«
Ich balle die Fäuste, ernsthaft wütend. »Das macht es keinen Deut besser.«
»Nein, tut es nicht«, schnappt Valtores. »Aber die Wahrheit herauskommen zu lassen ... würde viel Leid bringen«, fährt er etwas sanfter fort. »Versteh mich nicht falsch. Ich finde es nicht richtig, wirklich nicht. Dennoch muss ich praktisch denken. Ich habe Verantwortung. Auch den Golems gegenüber, aber gleichfalls den Menschen.«
»Dorelem ...» Dem Meister wird mein Einmischen vielleicht ein wenig zu viel, aber ich lasse mich nicht bremsen.
»Und wie, wenn ich höflichst fragen darf, nehmt Ihr Euere Verantwortung gegenüber den Golems wahr?«
Valtores sieht mich an, und in seinen eiskalten Augen liegt etwas, das ich bisher dort nicht gesehen habe ... Milde.
»Wie ich bereits erklärte, ich hatte den Traum, radikale Veränderungen herbei zu führen. Aber ich gab ihn auf. Denn ich sah ein, dass dies mehr Leid bringen würde, als ich gewillt war, verursacht zu haben. Jetzt bemühe ich mich, die Veränderungen klein, aber stetig zu halten. Du wirst die Gruppe um Dostrian auch schon kennen gelernt haben?«
Ich nicke vorsichtig.
»Er ist nicht umsonst mein Protegé. Denn auch in ihm sehe ich dieses nahezu unbegrenzte Potential. Und zwar zu nachgradiger Veränderung. Meine Schritte sind langsam, vorsichtig. Aber ich glaube, dass es höchste Zeit wird, dass er und seine Freunde die Wahrheit erfahren. Sie sind jung, und die Zukunft liegt in ihren Händen. So werde ich die Verantwortung an sie weitergeben, damit die Zukunft durch sie besser wird.«
Oh.
Kurz ist es still. Bis der Meister eine zögerliche Frage vorbringt: »Und ... was jetzt?«
»Ich hatte noch vor, mit dir über den wahren Grund deines Hierseins zu sprechen, aber da du ja über alles informiert bist, was ich schon mit Dorelem besprochen habe, ist das hinfällig. Stattdessen kommen wir gleich zu einem Punkt, wegen dem ich auch eher früher als später mit dir reden wollte.«
Man merkt immer mehr, Valtores ist jemand, der ganz genau plant. Mit derart ... revolutionären Ideen, auch nach Jahren des Abschliffs beim Gang durch die Instanzen, in seiner Position, muss er wohl auch vorsichtig sein. Nur, dass der Meister ihn nicht vorsichtig sein lässt. Mir soll es Recht sein; wenn er dann auch noch feststellen wird, dass die Revolution um ihn herum längst im Gange ist und er sich nicht durch ein halbgar auf den Weg gebrachtes Erbe zufrieden in den ewigen Ruhestand verabschieden kann, wird er schon merken, dass er vielleicht insgesamt ein wenig zu vorsichtig war.
Du bist auch nie zufrieden, oder? Mit seinen Ansichten sollte er für dich ein Heiliger sein.
Dafür hätte er tatsächlich etwas tun sollen statt nur 'die Zukunft in die richtigen Hände legen'.
Meckern, Meckern, nichts als Meckern.
»Denn«, so fährt Valtores fort, »ich bin zwar nunmehr zu dem Schluss gekommen, dass es gut und richtig ist, dich hier zu haben, um dir einen vernünftigen Weg aufzeigen zu können, von deinen Ideen zu profitieren et cetera. Aber andere sind da nicht wirklich zu überzeugen - und stur. Ich glaube, dass dein Leben in schwerer Gefahr ist.«
Ach, tut er das.
»Durch wen denn in etwa?«, fragt der Meister, in aller Unschuld. Valtores' Blick wird hart. »Das sind Spekulationen meinerseits, die dich nicht zu interessieren haben. Mehr als ein reines Gefühl steckt auf jeden Fall hinter meiner Warnung.«
»Und was bedeutet das für mich, bekomme ich Personenschutz?«
»Nein. Das wäre fatal. Deine Präsenz hier ist ohnehin schon ein Affront für Viele. Sonderbehandlung, auch wenn dies für dich weniger Freiheiten bedeuten würde, kommt gar nicht in Frage. Es ist wieder ein Dilemma, für das ich allerdings dieses Mal glaube eine leichte Lösung gefunden zu haben. Du wirst weiterhin ganz normaler Novize bleiben und dich mustergültig verhalten, und ich meine das mehr als ernst. Es war schwer genug, einige Ratsmitglieder davon zu überzeugen, dass die plötzlichen Fortschritte der Novizen um dich herum nur von dem Verlangen stammen, sich mit dir zu messen, und nicht von heimlichen Lektionen, die du ihnen gibst.«
Der Meister presst die Lippen aufeinander, aber antwortet nicht. Gut, denn Valtores ist noch nicht fertig. »Diesen Status wirst du mindestens noch ein Jahr lang haben müssen. Irgendwann werden sich die Wogen glätten und du wirst akzeptiert werden als ganz normaler Novize, der unter Kontrolle ist und keine finsteren Absichten hegt. Dann können wir vielleicht darüber reden, dich ein paar Prüfungen vorziehen zu lassen, ein paar Privatstunden mit verschiedenen Meistern arrangieren, und so weiter. Ich wiederhole, das ist in deinem Interesse. Wenn du nicht lernst, dich zu benehmen, bist du bald ein toter Mann, und das fänden wir beide eine ganz und gar bedauerliche Verschwendung.«
Der Meister studiert seine Fingernägel. »Und ... wo ist das Dilemma daran?«
»Dieser Weg bedeutet große Gefahr für dich in naher Zukunft, solange noch nicht allen klar ist, dass du harmlos sein solltest. Es ist gut möglich, dass schon morgen, übermorgen, nächste Woche ein Skelett in deinem Zimmer auf dich wartet, mit dem Dolch in der Hand, oder ein Golem plötzlich 'wahnsinnig' wird und dein Genick bricht.«
Meisterhafte Selbstkontrolle des Generals, als Valtores das erste Beispiel nennt.
»Aber ohne Beweis, ohne Grund außer einer Vorahnung, kann ich dich nicht schützen. Deswegen ist es allerdings kein wirkliches Dilemma, weil ich glaube, dass du ganz gut auf dich selbst aufpassen kannst.«
Sein kalter Blick fokussiert den Meister jetzt.
»Wenn du tatsächlich angegriffen werden solltest, dann wende dich sofort an mich. Ich denke, dir wird langsam klar sein, welche Risiken ich für dich eingegangen bin, also vertraue mir. Und hör auf, selbst noch viel größere Risiken einzugehen.«
Er wendet sich zum Ausgang. »Damit sollte vorerst alles geklärt sein.«
Der Meister steht auch auf. »Ich danke Euch für Euere Offenheit und werde mir größte Mühe geben, die in mich gesteckten Erwartungen zu erfüllen.« Das muss sogar für Valtores' Ohren extrem hohl klingen. »Und ich halte Euch auf dem Laufenden, so unauffällig wie möglich natürlich, wenn mir etwas auffällt.«
»Tu das.«
Sein Golem nickt mir noch zu, dann sind sie verschwunden. Ich tarne mich wieder, um gleich darauf dem Meister zuzuflüstern: »Warum hast du es ihm nicht gesagt?«
»Ich bin mir noch nicht sicher, was ihn angeht. Hätte ja fast erwartet, dass er mich hochkant herauswirft. Dass er gleich so viel Pläne für mich hat, überrascht mich jetzt doch ein wenig.«
Wir sind auf dem Weg zur Gemeinschaftshalle. »Und du bist zu stur, dich einfach zu fügen?«
»Du hast ihn gehört, Personenschutz, Vorzugsbehandlung, das bedeutet nur, dass ich einige Freiheiten verliere. Privilegierter Novize im goldenen Käfig. Muss ich nicht haben, es gibt hier noch eine ganze Menge mehr Netze zu spinnen, bevor die alten Herren schnallen, dass ich nicht im Mindesten vorhabe, hier länger zu bleiben als nötig. Valtores mehr als eingeschlossen.«
»Und der zweite Mordversuch in drei Tagen lässt dich nicht ein wenig an der Sinnhaftigkeit dessen zweifeln, hier völlig unbesorgt weiter den Intrigenkönig spielen zu wollen?«
»Och ...«, meint der Meister, und nickt einem vorbeigehenden Golem zu, der aber nicht reagiert, »ich denke, je länger wir uns nichts anmerken lassen und den Dingen ihren Lauf, desto sicherer wird es.«
Er nickt dem nächsten Golem zu, und der nickt zurück.
«... und darum werde ich euch zumindest in naher Zukunft keine weiteren Ratschläge und Ideen liefern. Tut mir Leid.«
Hunradil lässt die Faust frustriert auf den Tisch fahren. »Das ist doch beschissen.«
Zerknirscht wirkt Dostrian, als er mit auf den Händen gestütztem Kinn spricht. Er meidet den Blick des Meisters.
»Ich verstehe das nicht. Ihr wart doch beide vorsichtig damit, oder? Wird doch niemand heimlich Schwächen auf Meister Ingkrias gezaubert haben, damit ihm die Kreide aus der Hand fällt, oder sowas?«
Das zaubert ein Lächeln auf Hunradils Gesicht. »He, das ist eine geniale ... » »Nein, ist es nicht«, unterbricht ihn der ernste schwarzhaarige Novize. »Hör zu, Nef, es tut mir Leid, auch wenn ich mir keiner Schuld bewusst bin. Du hättest niemals wegen uns Ärger bekommen sollen.«
Der Meister hebt eine Augenbraue. »Keiner Schuld bewusst? Ganz sicher?«
»Denkst du etwa ... jemand hätte gepetzt?«, wirft Lixt dazwischen. Mit einem milden Lächeln sieht der Meister sie an. »Ach, so weit würde ich gar nicht gehen wollen. Wir sind doch Freunde, oder? Und was wäre eine Freundschaft ohne Vertrauen?«
Die Betonung verrät die Unehrlichkeit - aber ich glaube, keiner von den drei anderen will wirklich hören, dass der Meister einen von ihnen schwer verdächtigt. Er fügt noch etwas hinzu: »Grundsätzlich möchte ich nur, dass hier keiner ein schlechtes Gewissen mit sich herumträgt. Wenn euch doch etwas einfällt, warum Valtores auf unser kleines Geheimnis gekommen sein könnte, dann sagt es mir unter vier Augen, und niemand muss auf irgendjemand böse sein, ich am wenigsten von allen.«
Peinliches Schweigen senkt sich über die Runde. In klarem Unwillen, für dauerhaftes Kippen der Stimmung verantwortlich zu sein, wechselt der Meister das Thema. »Aber sagt mal, was hab ich verpasst, während er mich in die Mangel genommen hat? Wichtige, geheime Dinge?«
»Oh, nicht viel«, haucht Lixt. »Wir haben uns vor allem Sorgen um dich gemacht.«
»Und um Golanthe«, fügt Dostrian hinzu, mit einem Zucken der Mundwinkel, das verrät, dass er den Namen leicht lächerlich findet - ob ihn selbst oder dass Lixt überhaupt einen vergeben hat, kann ich nicht abschätzen.
»Warum, was ist mit ihr?«, fragt der Meister unschuldig. Die Novizin sieht ein wenig aus, als hätte sie auf eine saure Zitrone gebissen.
»Den ganzen Tag mit ... Zeug beschäftigt ist sie«, hilft Hunradil aus. »Weißt ja vielleicht noch nicht, der Hauptgrund warum man den Novizen so vergleichsweise früh erlaubt, einen Golem zu bekommen ist, dass von da an der Golem alle anfallenden Arbeiten übernimmt, die der Novize eigentlich tun müsste. Also Küche putzen ...«, und da fügt er ein schelmisches Augenzwinkern hinzu, denn er weiß natürlich, dass der Meister das heute erst machen musste, »... oder Böden schrubben und andere, noch ekelhaftere Sachen.«
»Und darum wurmt es dich wohl am meisten, dass du noch keinen beschwören darfst, hm?«, stichelt der Meister zuckersüß zurück. Hunradil lässt ihn am Zustand seiner Zunge teilhaben. »Wenigstens werde ich bald einen bekommen, da bin ich mir ganz sicher. Bis du dagegen deinen zurück haben darfst, vergehen sicher noch Jahre!«
»Ach, ein wenig hilft mir unser kleines Extrageheimnis schon auch.« Dass Valtores von mir weiß, hat der Meister verschwiegen, wie ein, zwei andere Dinge auch. »Aber was ist jetzt das Problem damit, dass Golanthe so viel zu tun hat? Ich meine, klar, würde mir auch keinen Spaß machen, die Arbeit, aber warum macht ihr euch Sorgen?«
»Die anderen nur«, antwortet Lixt hastig. »Es dauert halt etwas länger als sonst, darum ist sie noch nicht aufgetaucht. Sie ist ein starkes Mädchen und wird schon auf sich aufpassen können!«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung«, lacht der Meister, und die Runde entspannt sich. »Einfach ein wenig mehr Vertrauen zeigen, nicht wahr?«
Lixt blickt, verständlicherweise, immer noch leicht kränklich. Der General dagegen ist längst ein Meister darin, Lügen zu übertünchen. Ich fühle da mehr mit der zierlichen Novizin. Wir verfangen uns mehr und mehr in einem Geflecht aus Unwahrheiten, der Meister hat kein perfektes Gedächtnis und muss höllisch aufpassen, wer was weiß; statt weniger misstrauisch zu sein ...
Du spielst das Spiel, oder du gehst unter.
Und wenn das Mitspielen allein schon zu verlieren bedeutet? Um Lixt wenigstens etwas zu beruhigen, schiebe ich ihr heimlich die Notiz des Meisters zu: Warte später auf mich.
Nicht viel später und ohne, dass etwas Interessantes beredet worden wäre, löst sich die Gruppe auf. Lixt murmelt etwas von wegen, dass Golanthe sicher schon auf sie wartet, und verdrückt sich als Erste; der Meister wartet ganz bewusst, bis auch Hunradil gähnt und geht, dann verabschieden wir uns kühl von Dostrian.
Zurück in unserem Zimmer setzt der Meister sich auf den Stuhl und schließt erst einmal die Augen. »Und wie er uns verraten hat.«
»Was macht dich so sicher?«
»Er ist sich keiner Schuld bewusst ... ha ... die anderen beiden hätten doch nicht einmal den Mut, zu Valtores zu gehen. Und du hast den ja gehört. Sein 'Protegé' ist Dostrian. Der Zweite hat schon Recht, er will nur, dass ihm der Alte über den Kopf streicht und 'brav gemacht' sagt. Vielleicht später ein paar Privatstunden. Kotzt mich das an.«
Ob er da nicht den Mut zumindest einer bestimmten Novizin übersieht? Zugegeben, man übersieht sie grundsätzlich leicht ... der Meister blickt für ein Weilchen an die Decke, dann wendet er sich abrupt an mich. »Wie lange noch bis zur Sperrstunde?«
»Dreiundvierzig Minuten«, antworte ich. »Denkst du, das ist genug Zeit, um mit Lixt zusammen Golanthe wieder zu erschaffen?«
Er lächelt. »Zeit wäre das sicher genug, aber die falsche Zeit ist es trotzdem. Hm ... haben wir morgen etwas vor?«
Ich bin verwirrt, also springt der Zweite ein, um keine Pause zu verursachen. »Die erste Lektion sind Flüche.« Das sagt eigentlich alles.
»Ja dann. Diese Rolle hier?«, fragt er, und auf Zustimmung greift er sich das Lernmaterial. »Dann wollen wir mal. Sag mir zehn Minuten nach Sperrstundenbeginn Bescheid, ja?«
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wie sollen wir dann Golanthe retten?
Wie wollen wir das jetzt? Bitte beachtet uns nicht, nur ein kleiner Privatausflug mit einer weiblichen Mitnovizin nach draußen, am besten, wo uns keiner sieht, und nein, wir haben keine Hintergedanken?
Das würde wahrscheinlich immer noch weniger unangenehme Fragen verursachen als morgen, wenn die anderen merken, dass Lixt immer noch keinen Golem hat.
Siehst du nicht, dass er einen Plan hat? Vertrau ihm doch einfach, du Held.
... na, wenn das was wird. Der Meister liest konzentriert, überfliegt manche Passagen mehrere Male, fängt noch einmal von vorne an, und nach etwa einer halben Stunde nickt er. »So, das sollte genug sein, damit ich morgen Ingkrias' blöde Fragen auch ohne Hilfe beantworten kann. Wie liegen wir in der Zeit?«
Ich sage es ihm, und er stöhnt. »Oh Himmel. Dann ... lernen wir eben etwas vor, für die noch blöderen Fragen.«
Als ich ihm später endlich sagen kann, dass es soweit ist, rollt er das Pergament sofort auf. »Dann los.«
»Wie, los? Es ist nach der Sperrstunde.«
»Was heißt, dass keine Menschen mehr unterwegs sind. Und ich hab zumindest heute Ruhe vor blöden Fragen, zumindest, wenn die Fragesteller sich nicht ebenfalls solchen stellen wollen.« Er wirkt fröhlich.
»Und ... die Skelette?«, frage ich hilflos, aber sein Blick antwortet nur 'also bitte!'.
Wir treten vor die Tür. Alles ist still, aber natürlich brennen die Fackeln, wie immer. »Die nächste Patrouille kommt wann?«, will er wissen, ich sage es ihm, und wir warten die kurze Zeit ab.
Da treten sie um die Ecke des Ganges, ich möchte unwillkürlich tiefer in die Schatten weichen, da hebt der Meister die Hand und grüne Punkte erscheinen über den Schädeln. Sofort beginnen die Knochenkrieger, aufeinander einzuhacken; langsam schreitet der Meister auf sie zu, derweil zerfallen zwei zu Staub, und das letzte, lädierte wird von ihm selbst unzeremoniell zerstört.
»Spinnst du?«, wage ich zu flüstern. »Wenn die das rausfinden ...«
»Oh, du Kleingläubiger«, grinst er - aber da höre ich hinter uns schon die klackernden Schritte weiterer heraneilender Krieger. Und ich kann ihn so nicht einmal verteidigen, wenn die Situation eskaliert!
Die drei Skelette der anderen Einheit erreichen uns ... und halten an. Der Meister inspiziert sie. »Passt. Sie wären bis ... hier gekommen, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte, also umdrehen und los geht’s.«
Oh.
Na, wenn uns das nicht mal einen riesigen Vorteil verschafft.
»Du ersetzt sie durch deine eigenen!«, rufe ich aus, als ich den Plan begreife.
»Korrekt«, nickt er selbstzufrieden. »Mit drei Gruppen, die ihre Runden machen, ersetzt, habe ich völlige Bewegungsfreiheit, wenn ich ein wenig aufpasse. Da hilfst du mir bei, weil du die Routen ja schon lange berechnet hast, und damit ist es gar nicht mehr so schlimm, Novize zu sein. Und scheiß auf die Sperrstunde.«
Wie er gelacht hat, als ich meinte, es wäre quasi nicht möglich, durch das Muster ihrer Kontrollen zu schlüpfen, nachdem ich ihre Wege das erste Mal für ihn beobachtet hatte ...
So machen wir uns vorsichtig auf den Weg zu Lixt. Der Zweite, der stumm Kalkulationen angestellt hat, führt ihn zu den richtigen Abzweigungen, und wir warten an Schlüsselstellen auf die zwei anderen Skelettgruppen, die wir durch eigene ersetzen. Zweimal begegnen wir auch der ersten; es wäre unmöglich gewesen, durch das Netz zu kommen ... Dann sind wir an der Tür der Novizin, und plötzlich etwas zögerlich, braucht der Meister kurz, um zu klopfen.
Das Holz schwingt fast sofort von ihm weg. »Nef! Ich ... ich dachte, du kommst nicht mehr ...«
»Schhh. Wir haben ...»
«... eine Minute zwanzig«, helfe ich ihm. »Komm mit«, murmelt er. Lixt wirkt, als würde sie glauben zu träumen.
»Aber ... so spät?«
»He. Vertrau mir!«, zwinkert er, und lädt sie mit großer Geste ein. Seine Unsicherheit ist weg - denn jetzt kann er angeben. Wie schlafwandelnd tritt sie auf den Gang - und da biegt eine Gruppe Skelette um die Ecke.
Lixt erschrickt, will gleich wieder zurück laufen, aber der Meister hält sie fest. Salutiert dem Führungsskelett, und das grüßt zurück.
»Was hast du ...«, haucht die Novizin. Der Meister scheucht sie voran. »Später.«
Ein paar Biegungen und Begegnungen mit für uns harmlosen Patrouillen liegen vor uns, jedes Mal bleibt Lixt fast das Herz stehen. Dann, endlich, sind wir an unserem Ziel: eine Sackgasse, ein Gang, der gegraben wurde, um die Novizenquartiere zu erweitern. Aber die Zahl der Neuankömmlinge wuchs nicht, und so liegt er, ungemauert, brach. Bloße Erde: Was wir brauchen. Der Meister reibt sich die Hände. »Da wären wir! In Kürze wird Golanthe wieder unter uns weilen.«
Unsere Begleiterin ist immer noch komplett verwirrt. Sie schüttelt den Kopf. »In Ordnung. Wir sind da. Wie hast du das gemacht?« Die Antwort ist - auch ein Kopfschütteln.
»Na, na, ich darf euch doch nichts mehr beibringen. Befehl von ganz oben. Tut mir Leid.« Sein Grinsen verrät den Schelm. Lixt stemmt die Hände in die Hüften. »Du hast es versprochen!«
»Habe ich?«, fragt mich der Meister. Ich verziehe den Mund und schüttle als Dritter in Folge den Kopf. »Mit keinem Wort, wenn wir ganz pedantisch sein wollen.«
»Also, das ist doch ...«, beginnt sie loszulegen. Der Meister ist kurz davor, immer noch grinsend, sie zu unterbrechen, aber ich falle beiden ins Wort. »Er hat die Skelette durch eigene ersetzt. Ich habe die Patrouillenrouten im Kopf. Eigentlich ganz einfach.«
Der Meister sieht mich ganz böse an.
Zu Recht.
Aber wieder kommt er nicht zum Sprechen. »Könnte das einfach so jeder machen?«, fragt Lixt aufgeregt. Ich zucke mit den Schultern. »Die Materialbeschaffung ist natürlich ein Problem, aber ...«
»Das genügt«, unterbricht mich jetzt der Meister. »Wir sind ja auch wegen etwas Anderem hier, nicht wahr? Golanthe. Es gehört eigentlich kein besonderes Geheimnis dazu. Wenn du den gleichen Zauber benutzt, um sie wieder zu beschwören, den du ursprünglich auch verwendet hast, kommt sie immer wieder.«
»Aber ... was ist, wenn ich ihn anders betone, oder ...«
»Oh, ich würde mir da keine Sorgen machen. Mache ich auch nie. Ich glaube, man müsste sich anstrengen, nicht den immer gleichen Golem zu beschwören.«
Ich grinse schief. »Der Himmel weiß, dass er sich oft genug nicht voll auf meine Wiedererschaffung konzentrieren konnte.« Das lässt Lixt wieder den Meister ignorieren, was diesen wieder finster blicken lässt. Was soll das? »Heißt das, du musstest auch schon einmal neu erschaffen werden?«
»Gestatte mir, kurz zu lachen! Ich bin im dreiundfünfzigsten Körper seit meiner Geburt!«
Kurz verschlägt es ihr die Sprache, dann beißt sie sich auf die Unterlippe. »Also ist es wirklich in Ordnung, wenn ich einfach ... Himmel, ich hab meinen Stab gar nicht dabei ...«
»Braucht es nicht«, beruhigt sie der Meister sanft. »Reine Krücken. Nützlich für die Konzentration, aber nicht mehr. Dorelem, würdest du ihr da aushelfen können?«
Was meint er ...
Mach dich zum Stab.
Ah. Ich werde lang und rund. Der Meister hebt mich auf und gibt den Tonstab an seine Mitnovizin weiter. Nickt mit einem aufmunterndem Lächeln auf den Lippen. Lixts Zähne hinterlassen Furchen auf ihrer Haut. Sie schließt die Augen. »Na schön ...«
Ein gemurmelter Zauberspruch, so sinnlos wie der Stab, außer als äußeres Zeichen der Gedanken, die das Talent der Beschwörer steuern. Die Wand vor uns vibriert, ein Stück von dem festgebackenen Lehm löst sich, aber fällt nicht, bildet die Form, Beine, Arme sprießen, und zuletzt der Kopf.
Lixt wagt es, ein Auge zu öffnen. »Golanthe ...?«
Der neue Golem kommt auf sie zu und schließt sie in die Arme. Lixt springt ein wenig hoch, um die Umarmung zu erwidern. Ihre Augen glitzern, als sie ihre Freude herausschreit. Der Meister zuckt zusammen, aber hat die Güte, sie nicht zu bitten, still zu sein. Wir sind hier tief in nicht kontrolliertem Territorium. Und Skelette hören ohnehin nicht gut, habe ich mir sagen lassen. Kann ja bei Valtores' Lektionen auch aufpassen.
Nach nach einer Minute löst sich Lixt von dem Ton. »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
Golanthe kann nur nicken und ein grobes Lächeln versuchen. Der Meister tritt dazu. »Wenn ich darf ...« Er legt eine Hand an Golanthes Kinn, eine andere auf ihre Brust und konzentriert sich kurz. Ihr Tonkörper ... verspannt sich, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks. Dann verschwinden die Hände.
»Versuch es.«
Ein Geräusch wie ein Husten ertönt. Lixt bekommt große Augen. Ihr Golem ist nicht weniger überrascht. Sie versucht es noch einmal. Fast ein Ton. Wieder. »Ii ... «, ja! »Lii ... kt.«
»Du schaffst es«, spornt ihre Meisterin sie an. Und in der Tat. »Lixt. Ich ... fro ... au.«
»Das üben wir noch lang und breit!«, strahlt die Angesprochene. Dann wendet sie sich an den Meister. »Vielen, vielen Dank. Ich wusste immer, dass mehr in ihr steckt als eine willenlose Dienerin, und ihr den Gehorsam aufzuerlegen, hat mir fast das Herz gebrochen. Aber jetzt ... jetzt ist alles anders! Nie wieder allein!«
Höflich verbeugt sich der Meister. »Das Mindeste, was ich tun konnte.«
Kurz noch grinst Lixt über das ganze Gesicht. Dann wird sie ernst. »In Ordnung, nun, da wir das haben ... was ist jetzt eigentlich passiert?«
Kurz überlegt er, dann zuckt er mit den Schultern. »Kein Sinn, was zu verbergen, würdest du ja eh gleich aus erster Hand erfahren. Also, nachdem wir ... « Und damit erzählt er ihr alles. Sie wird immer besorgter, und am Ende kommt sie natürlich nur zu einem Schluss. »Du musst das unbedingt jemandem sagen!«
»Und wem? Valtores?«, höhnt der Meister. Sie nickt, übersieht den Tonfall. »Ich denke, der wäre der beste!«
»Nein. Ganz schlechte Idee. Um genau zu sein, wird niemand außer den Anwesenden davon erfahren.«
Bevor sie heftig widersprechen kann, erklärt er sich. »Valtores hat mir heute gesagt, was passiert, wenn ich zugebe, dass ich angegriffen worden bin. Er wird das als Vorwand nutzen, mir ein paar Privilegien angedeihen zu lassen. Privatunterricht. Eine Eskorte Skelette zum Schutz. Ein besseres Zimmer.«
»Aber das wäre doch toll?«, haucht Lixt unschuldig.
»Und würde bedeuten, dass ich euch die nächsten fünf Jahre mindestens nicht mehr sehen würde. Einzelhaft im goldenen Käfig. Valtores hatte in einem Recht, das er gesagt hat: Wenn ich mich vorbildlich verhalte, wird wer auch immer es auf mich abgesehen hat erkennen, dass ich keine Gefahr darstelle, und die Angriffe werden aufhören.«
«... Mehrzahl?«
Er vermeidet kurz ihren Blick und ignoriert die Frage. »Dann können wir auch irgendwann wieder dazu übergehen, dass ich euch ein wenig unter die Arme greife. Wissenschaftlicher Austausch. Zumindest, wenn der Schöpfer dieses Ausdrucks sich bei mir entschuldigt. Zur Hölle, dann würde ich morgen wieder damit anfangen, wenn ihr versprecht, vorsichtig zu sein und den Mund zu halten.«
»Moment, was meinst du mit 'entschuldigen'?«
»Also Lixt«, stöhnt der Meister, »es sollte klar sein, dass Valtores mich nicht zufällig zur Seite genommen hat. Jemand hat ihm was gesteckt, und wir wissen glaube ich beide, wer als einziger in Frage kommt.«
»Du glaubst, dass Dostrian ...?«
»Wer sonst? Er ist sonst auch immer so überkorrekt, warum sollte er das in dieser Hinsicht ändern? Eigentlich war ich blöd, dass ich ihm vertraut habe.«
Sie starrt auf ihre Füße. »Ich glaube nicht, dass du solche Schlüsse ziehen solltest ...«
»Es muss einer von euch dreien gewesen sein, jeder andere Novize war immer in Sichtweite von Dorelem, und keiner hat etwas mitbekommen. Dir vertraue ich, offensichtlich, und Hunradil, mit Verlaub, traue ich das nicht zu.«
Er redet sich etwas in Rage. Lixt blickt verzweifelt. »Dostrian ist dein Freund! Er hat das nicht getan!«
Der Meister legt ihr die Hände auf die Schultern. »Bitte, Lixt. Es ist schön, dass du auf seiner Seite stehst, aber ich kann leider nicht so naiv sein. Es hätte mich umbringen können, dass er geredet hat, ist dir das klar?« Sie wird blass, aber er ist nicht fertig. »Das lässt einen ein wenig anders über Freundschaft nachdenken. Vielleicht war ihm das auch nicht klar. In Ordnung, meinetwegen, obwohl ich ihn für schlauer gehalten hätte. Eine Entschuldigung erwarte ich zumindest.«
Sie zittert leicht. Seine Hände festigen ihren Griff. »Es tut mir wirklich Leid, so hart sein zu müssen. Wirklich. Trotzdem, ich möchte nur noch einmal klar stellen, dass ich dir auch vertraue, hierüber kein Wort zu ihm zu verlieren. Oder zu sonst wem.«
Ihre Stimme folgt dem Körper. »Warum ... denkst du, dass du mir ... vertrauen kannst?«
Sein Lächeln spiegelt sich nicht in den Augen wider. »Lixt ... ich tu mehr als das.«
Dann beugt er sich nach unten und küsst sie.
---Nicht viel später sind wir zurück in unserem Novizenzimmer.
»Du bist so still«, sagt er. Und ich sage nichts. »Ist was?«
Mein Blick sollte alles sagen. Aber nein, die Frage steht im Raum. Mühsam halte ich meine Stimme neutral.
»Ich kann nicht sagen, dass ich das verstehe.«
Er seufzt. »Was ist, bist du etwa doch eifersüchtig?« Dieser Mensch!
Haha ... ne, aber ernsthaft, was wurmt dich jetzt so?
Ihr ... »Natürlich nicht! Das ist lächerlich!«
»Aber etwas stört dich daran. Bist du nicht glücklich um meiner Willen?«, ätzt er.
Wünschte, ich könnte tief Luft holen, ohne dass es lächerlich aussieht. Ich begnüge mich mit einer langen Pause.
»Also ... vielleicht klingt das jetzt furchtbar dämlich, aber du liebst sie nicht, oder?«
Sein Blick schweift in die Ferne. »Ist das wichtig?«, fragt er, tonlos. »Beantworte einfach meine Frage!«, schreie ich, warum so laut? Ich weiß es selbst nicht genau.
Etwas ... Anderes tritt in seine Augen. »Habe ... ich das gerade nicht?«
»Das ist keine ...«, beginne ich, aber unterbreche mich selbst. Denke nach. Dann: »Es ist dir egal?«
»Fast. Es ist nicht mir egal, es ist grundsätzlich egal. Aber ich kann auch direkter werden, wenn es dir so viel bedeutet. Die Antwort ist nein.«
»Und warum«, und meine Stimme zittert, da ich meinen kleinen Tonkörper anspanne, um nicht wieder zu schreien, »hast du sie dann geküsst?«
Wieder dieser Blick in die Ferne. »Man muss Menschen nicht lieben, um sie zu küssen.«
»Aber wird sie«, und diesmal beiße ich meine gerade geformten Zähne bewusst zusammen, um durch sie zu sprechen, »das genauso sehen?«
Ihr mit eueren Fragen, wenn euch beiden die Antworten doch jedesmal glasklar sind.
Nimmt er das auch an, und weicht deswegen jedesmal aus? »Lag ich mit der Eifersucht gar nicht so falsch, Dorelem?«
»Was ...«, aber diesmal wird er zornig und unterbricht mich. »Oder warum sind dir ihre Gefühle so wichtig?«
Ich baue mich zu einer nicht besonders beeindruckenden Größe auf. »Vielleicht, weil sie eine Freundin ist?«
Er starrt auf seine Füße. »Das dachte ich auch von Dostrian«, bringt er heraus.
»Um hier ganz sicher zu sein«, sage ich und beiße jedes Wort ab, »ich irre mich hier nicht fundamental, oder? Sie liebt dich und denkt, du tust das Gleiche. Tust du aber nicht, und wenn sie die Wahrheit herausfindet, wird sie am Boden zerstört sein. Derweil spielst du nur mit ihr.«
»Wusste nicht, dass du auf einmal ein Experte in der Liebe bist!«, schnappt er. Aber ich habe gerade keine Lust, angeschnappt zu werden. »Habe. Ich. Recht. Oder. Nicht.«
Jetzt schreit er. »Ja! Hast du! Zufrieden?!«
Plötzlich wird mir bewusst, dass ich eine Grenze überschritten habe, und gebe keine Antwort. Aber ... da ich schon so weit bin ...
Ich schwöre bei Diablos verstreuter Seele, wenn du es soweit bringst, dass er uns durch einen weniger nervigen Golem ersetzt, werde ich dich langsam und qualvoll töten, und glaube mir, ich finde einen Weg!
»Wenn es dir selbst so schwer fällt ... warum tust du es dann?«, frage ich ihn schließlich, und versuche, sanft zu sein. Denn welchen Schluss sollte ich sonst aus seiner Wut ziehen? Seinem fast ohnmächtigen Zorn auf meine bohrenden Fragen ... als wollte er genau das nicht hören?
Überraschenderweise lässt seine Antwort nicht lange auf sich warten. »Weil es so am einfachsten ist.«
»General«, seufze ich und vergrabe mein Gesicht in den Händchen. »Soll ich dir die nächste halbe Stunde immer weitere Fragen stellen, oder möchtest du mir einfach gleich erklären, was du dir diesmal für einen großartigen Plan ausgedacht hast, von dem ich wieder einmal zu spät erfahre?«
Er faltet die Hände, blickt zum Himmel, legt sein Kinn auf die verschränkten Daumen und ist für eine Weile still. Bis er die Arme hochreißt. »Na schön! Dann teile ich halt meine Gedanken mit dir. Aber pass auf«, und hier hebt er seinen Zeigefinger, »es wird dir nicht gefallen.«
»Weniger als es mir jetzt schon gefällt?«
»Wir werden sehen. Es ist eigentlich ganz einfach. Offenbar kann ich hier niemandem vertrauen, wie mir Dostrians Verrat gezeigt hat. Ingkrias' Mordversuche. Valtores' Träume von Veränderung, die ich für ihn auf seine Weise katalysieren kann. Das hier ist ein Höllenloch und ja, der Ausdruck klingt ein wenig blöd auf den Lippen von jemand, der weiß wie die Hölle tatsächlich von innen aussieht. Ich brauche zumindest einen Menschen, auf den ich mich blind verlassen kann. Jemand, der mich liebt. Aber das ist nicht alles. Sie weiß mehr als jeder andere. Gefährliches Wissen. Wissen, dass mich meinen letzten Rückhalt kosten kann, wenn Valtores rausfindet, dass er vielleicht die Hälfte von dem über mich weiß, was er denkt. Ich habe keine Lust, jeden Tag aufzustehen und mich zu fragen, hat sie schon etwas fallen lassen? Hat er sie schon zur Seite genommen und ausgequetscht?
Jetzt hat sie ein Geheimnis, das zu behalten ihr persönlich extrem wichtig sein sollte. Die restlichen Geheimnisse unter Verschluss zu halten, sollte im Gegensatz dazu Kinderkram sein für die gute Lixt. Nebenbei wird sie ohnehin ihr Bestes geben, um mich nicht in Bedrängnis zu bringen, weil sie mich liebt. Also. Gründe genug, warum ich es getan habe?«
Ich glaube es nicht.
Tu es ruhig, das klingt sehr logisch, und ich muss ihm applaudieren für seinen abermals gezeigten Pragmatismus.
»Ihre Gefühle sind dir also in deinen Überlegungen wirklich völlig egal?«
»Dorelem ... ich bin ohnehin in weniger als einem Monat hier draußen, länger will ich wirklich nicht von der Außenwelt abgeschnitten sein. Sie war schon die ganze Zeit offensichtlich in mich verschossen, sie wäre ohnehin traurig gewesen, wenn ich abdampfe. Jetzt wird sie vielleicht ein wenig trauriger sein, aber derweil hat sie wenigstens die Illusion von Glück. Das ist doch besser als nichts, oder?«
Mein Ausdruck ist eine Grimasse. »Das ist grausam. Ach ja, und ist in deinem Komplex aus 'guten Gründen' auch irgendwie Natalya enthalten?«
Grenze. Überschritten. Er springt auf. »Du wirst mich hier nicht anklagen, indem du sie benutzt! Denkst du vielleicht, es ist leicht für mich, die Dinge zu tun, zu denen mich der Intrigensumpf hier zwingt?«
»Ich denke«, sage ich und drehe mich von ihm weg, »dass du es dir viel zu leicht machst.«
»Jetzt warte ... «
»Und«, speie ich, als ich mich zur Tür bewege, »ich finde es lächerlich, dass du dir offenbar mehr Kompetenz zutraust als mir, was die Liebe angeht.«
Große Worte für einen Golem, dem man das Wort erst erklären musste.
Der Protest des Generals wird den Rest der Nacht für mich ungehört bleiben; die nagende Stimme des Zweiten kann ich nicht ausschalten. Es werden lange Stunden bis zum Morgen ... ich verbringe sie einsam nachdenkend in der Sackgasse, wo Golanthe neu erschaffen wurde, die Hände in den Dreck gegraben. Ob ich ...
---Wir sollten ihn wecken.
Soll er selber erledigen. Sein Problem, wenn er zu spät zur Fluchstunde kommt. Vielleicht kriegt Ingrkias ja einen Herzinfarkt, wenn der General dann doch hereinspaziert.
Abgesehen davon, dass du kindisch bist - er hat es uns befohlen.
Das ist natürlich ein Argument. Mit drei Skelettgruppen auf unserer Seite ist meine Bewegungsfreiheit deutlich erhöht, und bald bin ich wieder an der Tür des Generals. Ich klopfe. Ein gedämpftes Geräusch ertönt, dann geht bald darauf die Tür auf.
»Oh, du bist es«, gähnt er, noch im Halbschlaf. »Guten Morgen«, sage ich, ohne große Emotion.
»Bist du immer noch sauer auf mich?«, fragt er, als ich mich durch seine Beine hindurch schlängle. Ich klettere auf den Tisch, um ihn anzusehen, bevor ich antworte. »Sauer? Man kann nicht eine ganze Nacht lang ständig wütend sein. Keine Lust, ewig zu schmollen. Meine Meinung: Du hättest es nicht tun sollen. Ich finde es völlig falsch. Aber jetzt ist es passiert, und letztlich musst du die Suppe selbst auslöffeln, und die Sache wird dich noch in den Hintern beißen, davon bin ich überzeugt.«
»Also ... wieder gut?«, lächelt er schwach. Ich funkle ihn an. »Es ist für mich erledigt ... solange du mich nicht da rein ziehst. Ich wasche meine Hände in Unschuld.«
Er seufzt. »Ich denke, damit kann ich leben. Muss schließlich auch mit meinem schlechten Gewissen leben.«
»Ach, hast du doch eines?«
»Ja, verdammt! Wie oft denn noch, wirklich gern betrüge ich die Arme doch auch nicht.«
Plötzlich stutzt er. »Bist du größer geworden?« »Vielleicht«, antworte ich lakonisch. »Mach dich fertig!«
»Garantiert nicht mehr sauer«, murmelt er, während er in seine Hose hüpft.
---Er hat verdammtes Glück, dass er gestern die Zeit totgeschlagen hat mit Lernen. Auch ohne dass ich ihm einsage - und der Zweite ist ausnahmsweise in den technischen Details auch nicht besonders bewandert - kann der ganz offensichtlich schäumende Ingkrias keine Lücke im Wissen des Generals finden. Die Lektion verläuft ohne Zwischenfälle, wenn man davon absieht, dass der Unterrichtende immer wieder mit so etwas wie Furcht in den Augen zu einem der Schüler blickt. Der General ist die Unschuld selbst ...
Pfeifend brechen wir nach dieser seltsamen Darbietung zum Mittagessen auf - und er lässt sich etwas Zeit. Will er etwa Ingkrias ... nein. Dostrian erklärt Hunradil etwas und bemerkt so gar nicht, dass Lixt zurück bleibt; und so können sie und der General nebeneinander und relativ unbeobachtet die Korridore entlang gehen. Sie strahlt, er lächelt zurück. Krampfhaft, wie ich sehe, aber sie ist dafür sicher blind. »Na, wie geht’s?«, fragt er lahm, und sie kichert. »Hab kaum geschlafen!« Ihre Hand sucht seine, und etwas zögerlich nimmt er sie. »Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber möchtest du das so offen zur Schau stellen?«, flüstert er.
Rehaugen. »Nur ein paar Meter?« Er seufzt, lächelt aber und stimmt zu. Mir verknotet sich der Magen. Wenigstens muss ich nicht mit ihr reden, weil sie nur für den General Augen hat, ich wüsste nicht, ob ich diese Farce aufrecht halten könnte.
Oh, in so einem Fall überlass einfach mir das Reden.
Bis jetzt hast du das noch nie. Denkst du nicht, sie würde den Unterschied merken?
Ich glaube, im Moment würde sie es nicht merken, wenn du ihr den Arm abschneidest.
Wäre ich nicht gerade ein Armreif, würde ich mit den Zähnen knirschen.
Bevor jemand etwas merkt, löst sie sich widerstrebend von ihm, aber beim Essen sitzen sie nebeneinander, was bedeutet, dass Lixt Dostrian gegenüber sitzt; das lässt den kurz die Stirn runzeln, aber offenbar ist es ihm nicht bemerkenswert genug, um etwas zu sagen.
Es gibt Suppe. Der General hebt den Deckel von der dampfenden Schüssel - und stutzt. »Haben die doch glatt den Löffel vergessen!«
Hunradil grinst ihn an. »Bewegung ist gesund!« Das kommentiert der General mit einem Rümpfen seiner Nase und macht sich auf dem Weg zurück zu den Golems, die das Essen verteilt haben; da er mit Lixt als Letztes der Novizengruppe gekommen ist, braucht er wenigstens nicht noch einmal anstehen, alle anderen haben schon ihre Portion bekommen.
»Entschuldigung, aber ihr habt mir keinen Löffel ...«, beginnt er, aber da hält ihm einer der Golems schon stumm einen hin. Etwas verwirrt bedankt sich der General artig und macht sich auf den Rückweg zum Tisch.
Der Zweite möchte etwas sagen, ich lasse ihn. »Ihr möchtet vielleicht einen Blick in den Löffel werfen«, flüstert er ein.
Warum das denn? Doch bevor er mir sagen kann, dass ich einfach in unseren Erinnerungen graben sollte, komme ich selbst auf den Gedanken ... oh, tatsächlich. Da ist ja ein Zettel drin, angefeuchtet und somit angeklebt.
Gift, steht darauf in groben Lettern.
»Na, da können wir ja froh sein, dass das Golemnetzwerk funktioniert ...«, murmelt der General mehr zu sich selbst als zum Zweiten. »Danke«, dann zu dem. Er setzt sich und rührt lustlos in der klaren Brühe.
Hunradil ist schon fertig, und nach kurzer Zeit bemerkt er das Verhalten seines Gegenübers. »Was ist los?«
»Ist nicht besonders«, meint er. »Und ich hab eh kaum Hunger«, fügt er hinzu, mit einem Seitenblick zu Lixt, die auch kaum etwas isst - nicht unglaublich ungewöhnlich, aber wir kennen ja den Grund. Immerhin wird sie keine blöden Fragen stellen.
»Keinen Hunger? Gibt es nicht! War doch eh viel zu wenig. Komm, schieb rüber!«, fordert der stämmige Novize. Panik tritt in die Augen des Generals. »Die ist doch schon kalt jetzt ... «, versucht er es, aber Hunradil greift sich die Schüssel einfach. »Ah, von wegen! Heiß ist die, da verbrennt man sich ja! Kann man doch nicht verkommen lassen.«
Sein Löffel taucht ein ...
»Nein!«, ruft der General, und weil er den Tisch zwischen sich und dem Hungrigen hat, muss er aufspringen, seine Arme vorwerfen ... und stößt so die Suppe um und in den Schoß des anderen. Was großes Gebrüll nach sich zieht, »bist du wahnsinnig?« noch der netteste der Ausdrücke, die Hunradil um sich wirft. Der General entschuldigt sich wieder und wieder, versucht, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen, aber vergebens - der Aufruhr am Tisch hat alle Augenpaare in der Nähe zu uns schwenken lassen.
»Warum hast du das gemacht?«, schreit der Verbrühte ... und der General seufzt. »Ich wollte nicht, dass du stirbst.«
»Ich würde gerne gerade sterben, oder noch besser, ich wünschte du würdest, warte nur, du kleine Ratte, ich ...«
»Die Suppe war vergiftet«, flüstert der General, und obwohl Hunradil das eigentlich übertönen sollte, hat es irgendwie jeder gehört. Es wird still im Raum.
»Was ist hier los?«, schneidet plötzlich eine wohlbekannte Stimme durch das betretene Schweigen.
Oh, verdammter Mist.
Valtores ist hier. Die Spinne wandert langsam über den Tisch; dann duckt sie sich, zieht ihre acht Beine gleichzeitig an, und springt hoch. Sie landet auf den vier mittleren, die anderen sind gestreckt; ein weiterer Hüpfer, jedes zweite Bein ist erhoben; noch ein Sprung, und sie versucht, die vorderen und hinteren beiden Beine als Halt zu benutzen, versagt aber und fällt um.
Der Meister richtet sie wieder auf.
»Na ja, ein wenig Arbeit braucht sie vielleicht noch.«
»Das ist trotzdem der Hammer! Kannst du sie zum Tanzen bringen?«
»Wenn du dir eine Choreographie überlegst ...«
Dostrian lehnt sich zurück. »Ich finde es ja viel interessanter, dass du sie tatsächlich aus einer echten toten Spinne erschaffen hast. Merten hat für seine sicher Abfälle vom Essen gesammelt, aber dass es aus Chitin auch geht, hätte ich wirklich nicht gedacht. So sieht sie wie lebendig aus.«
»Auch ein Exoskelett ist ein Skelett«, winkt der Meister ab. »Wenn man genug Fliegen zusammenbringt, kann man daraus einen ganzen Krieger erschaffen!«
»Das klingt so, als hättest du das schon mal gemacht?«, fragt Lixts zarte Stimme behutsam nach. Der Meister grinst, aber nicht in die Richtung des Zwischenrufs. »Ja ... es war in einer ekelhaften Höhle voller Würmer und Käfer, tief unter der Wüste ...«
Dostrian wirkt ein wenig enttäuscht, dass der Meister wieder dazu gebracht worden ist, abzuschweifen, statt ihm und seinen Freunden eine neue, aufregende Technik beizubringen, die sie noch nicht kannten. Aber Hunradil und Lixt hängen an den Lippen des Helden, der sich unglaublich über die Aufmerksamkeit freut. Eher über die des braunhaarigen Novizen; er ist immer noch ein wenig vorsichtig dem dritten Mitglied in der Gruppe von Freunden gegenüber, seit er erst vor vier Tagen herausgefunden hat, dass Lixt nicht schon ziemlich lange auf einen Wachstumsschub und den Stimmbruch wartet; Lixt redet einfach nicht gerne. Außerdem ist sie weiblich. Sie meint, sie hätte gerne längere Haare, die sind aber nicht erlaubt, weil sich fehlgeschlagene Beschwörungen daran festhalten können; und eine Frisur wie Dostrians, die gerade an die Grenzen stößt, findet sie noch fürchterlicher als die Alternative, fast gar keine Haare zu tragen.
Vielleicht ist der Meister auch ein wenig übervorsichtig, weil er meint, dass Lixt ihm ein wenig zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Ich sollte ihn mal darauf ansprechen.
Zunächst haben wir aber etwas anderes anzusprechen.
Ist ja schon gut. Ich stehe mit den Golems von Dostrian und Lixt am Eingang der Freizeithalle; es sind gerade keine Meister anwesend, was ungewöhnlich ist, aber ich weiß, dass so viele von diesen sich in der Kammer mit der Geheimen Kunst der Nekromantie die Klinke in die Hand geben, dass sich teilweise Schlangen vor der Tür bilden; kein Wunder, dass Aufsichtspflichten etwas schleifen gelassen werden. Falls doch einer auftaucht, hat Dostrians Golem die Anweisung, mich einfach zu den anderen auf den Tisch zu werfen, als wäre ich ein Teil von ihm; dann lassen die Novizen schnell Beweise verschwinden. Und mich natürlich auch.
Dieses System - bis auf die Tatsache, dass das geworfene Projektil lebendig ist - ist auch mit allen anderen Novizen im Raum abgesprochen, die genauso heimlich Übungen und Tricks versuchen, die ihnen eigentlich nicht erlaubt sind; Dostrians Idee, an einem Strang zu ziehen, kommt nicht bei jedem gut an, aber es ist allgemein bekannt, dass man sich auf ihn verlassen kann. Die Umstände sind so extrem günstig für den Meister, mit seinen weit fortgeschrittenen Fähigkeiten seine neuen Freunde etwas zu beeindrucken.
»Also, Ratte - ein Wurm, so groß wie ein zweistöckiges Haus? Das nehm ich dir nicht ab!«
Der Meister boxt Hunradil in die Schulter. »Das ist für den Namen, und das ...« er schlägt noch einmal zu »... dafür, dass du mir nicht glaubst! Es war eine Wurmkönigin, die ständig mehr ihrer ekelhaften Brut ausgespuckt hat ... und ihr Unterleib war im Boden vergraben, wie tief, weiß ich nicht! Vielleicht war sie zwanzig Meter länger!«
»Wie hast du sie bezwungen?«, fragt Dostrian. Er ist auch in Stimmung geraten. So steif, wie er sich oft gibt, er lässt sich leicht aus seiner Schale locken, und sein Witz ist nicht nur vorhanden, sondern oft von großem Geist. Am scharfzüngigsten aus der Runde ist allerdings Lixt - alle ihrer sparsamen Bemerkungen treffen genau ins Schwarze.
Lässt du dich jetzt schon von Geschichten ablenken, an denen du selbst mitgewirkt hast?
Ich bin nur überrascht, dass der Meister nicht einmal versucht, zu übertreiben. Aber na gut. Jetzt hab ich mir auch überlegt, wie ich anfange. Ich klopfe Dostrians Golem gegen das Bein, und als er zu mir heruntersieht, bitte ich ihn durch Gesten, mich hochzuheben. Auf seiner Augenhöhe winke ich auch Lixts Golem zu mir. Du hältst weiter Ausschau?
Wenn sich jemand nähert, gebe ich sofort Bescheid, und wir fliegen durch den Raum.
Ich sehe den beiden Golems in die wenig ausgebildeten Gesichter.
»Ihr werdet nicht glauben, dass ich euch was sagen kann ... «
Beide reagieren in etwa so, wie es Ingkrias' Golem vor etwa zwei Wochen tat; ich falle fast von der Hand, auf der ich stehe. »Ich weiß, das ist ziemlich überraschend. Aber das muss nicht jeder wissen, also halte mich etwas bedeckt, ja? Hören könnt ihr mich eh, das weiß ich.«
Nach einem kurzen Moment immer noch anhaltender Verwirrung versteckt mich Dostrians Golem wieder vor den möglichen Blicken der anderen Novizen. Dann rede ich schnell, aber leise weiter.
»Also ja, mein Meister hat mir die Fähigkeit gegeben, zu sprechen. Ich habe erst vor kurzem herausgefunden, dass das nicht nur ungewöhnlich ist, sondern sogar eigentlich nie gemacht wird. Finde ich nicht richtig. Euch gibt es jetzt in etwa so lange wie mich; ihr seid sicher noch genauso verwirrt über alle möglichen Kleinigkeiten des Lebens, das ihr erst seit kurzem führt. Und konntet mit niemandem darüber sprechen. Wir werden in diese Welt geworfen und bekommen gleich Befehle, aber dass wir eigenständig denken können, und erst einmal verloren sind, interessiert niemanden.«
Dostrians wirkt skeptisch ... aber Lixts Golem nickt kurz und eindringlich.
»Mein Meister hat eine Weile gebraucht, um festzustellen, dass ich überhaupt einen eigenen Willen habe; ich glaube, euren ist das noch gar nicht bewusst, und den wenigsten anderen Totenbeschwörern auch. Ich denke nicht einmal, dass sie allzuviel dafür können, zumindest nicht eure Meister, die es gar nicht besser wissen können; aber das heißt nicht, dass es so bleiben muss.«
He, das war aber nicht Teil der Idee!
Der Meister sagte, mach ihnen ein Angebot. Ich komme schon darauf. Heißt nicht, dass ich nicht meine eigenen Gedanken dazu unterbreiten kann, oder?
Ich kanns dir nicht oft genug sagen, bevor sie wussten, dass es ein Leben außerhalb der Knechtschaft gibt, waren sie vielleicht nicht glücklich, aber es war ihnen egal! Jetzt sind sie auf jeden Fall unglücklich, und werden das sein, bis ihre Existenz endet!
Und was genau schert dich das Glück anderer Golems? Seit wann hast du denn Mitleid?
Du bist dabei, eine handfeste Revolution anzuzetteln.
Möglich. Ich weiß, dass ich nicht länger zusehe, wie hier unzählige unserer Mitgolems systematisch unterdrückt werden.
Das System ...
Ist mir egal! Die Nekromanten haben gefälligst zu lernen, dass sie nett zu ihren Golems sein sollen, oder sie sollen es bleiben lassen.
Golems haben keine Macht. Exakt überhaupt gar keine. Du erreichst nichts. Außer, dass du in ihnen Hoffnungen weckst, die nur enttäuscht werden können.
Ich ... gebe ihnen eine Chance.
Und wir hatten diesen Auftrag so oder so, was meinst du, welche Gedanken sie sich alleine gemacht hätten? Lieber sage ich ihnen, dass sie ihren Meistern nicht böse sein sollen, statt dass sie die falschen Schlüsse ziehen. Jetzt lass mich weiter reden.
»Ich würde also gerne von euch wissen, ob ihr prinzipiell daran interessiert wärt, über euch hinauszugehen und mehr zu sein als nur stumme Werkzeuge.«
Ist dir das neutral genug?
Nicht mal im Geringsten.
Weil du nicht weißt, was ein Kompromiss ist.
Beide überlegen. Schon nach kurzer Zeit nickt Lixts Golem. Dostrians tut sich schwerer ... und schüttelt schließlich den Kopf. Gut, dass ich ihn ohnehin schon die ganze Zeit etwas fragen wollte. »Sag mal ... dein Meister kann dir doch nicht wirklich Befehle durch seine Gedanken schicken, oder?«
Er sieht mich schief an, dann schüttelt er den Kopf.
»Aber du tust ihm den Gefallen, so zu tun, als könnte er es. Warum?«
Da ist er hilflos; mit Gesten wird das etwas schwierig. Also versuche ich es mir zu erklären. »Magst du ihn? Ist er nett zu dir?«
Er wirkt unentschieden.
»Möchtest du, dass er gerne netter wäre?«
Immer noch keine klare Antwort.
»Hättest du gerne Anerkennung dafür, dass du ihm so hilfst?«
Deutliches Nein.
»Du denkst, es ist einfach nur das Richtige?«
Kurzes Überlegen ... und er nickt.
»Das ist sehr edel vor dir, und ich finde es bewundernswert. Aber ... du weißt, dass er das nicht verstehen wird, nicht verstehen kann. Du wirst irgendwann einmal nicht abschätzen können, was er von dir möchte. Er wird enttäuscht sein oder sogar in Gefahr geraten, und du wirst für etwas bestraft, was eigentlich sehr gut gemeint war. Oder vielleicht läuft alles gut, wer weiß. Stell dir vor, er lebt noch weitere sechzig, siebzig Jahre. Du liest ihm jeden Wunsch von den Lippen ab. Du wirst nie ein Wort des Dankes dafür erhalten, kein Lächeln wird je von ihm an dich gerichtet werden. Schaffst du das? All diese Zeit?«
Er ist immer noch unentschlossen. Bis Lixts Golem ihm eine Hand auf die Schulter legt. Er zuckt zusammen. Sie schüttelt den Kopf. Er lässt seinen sinken. Und schüttelt ihn schließlich auch.
»Ihr beide habt euer Leben noch vor euch. Ihr würdet es sehr gerne nutzen, um euren Meistern zu helfen, davon bin ich überzeugt. Es sind gute Menschen. Aber ihr könnt sie auch nicht nach besten Kräften unterstützen, wenn ihr euch nicht verständigen könnt.
Mein Meister hat mich gebeten, euch zu fragen, ob ihr gerne sprechen lernen möchtet. Wenn ja, wird er euren Meistern anbieten, gemeinsam für euch daran zu arbeiten. Was soll ich ihm sagen?«
Und schließlich nicken beide in Einigkeit. Ich lächle. »Ich hoffe, dass ihr euch bald mit mir unterhalten könnt. Ich sage ihm gleich Bescheid; bitte passt derweil kurz alleine auf.«
Schnell krieche ich um Stuhlbeine und an Wänden entlang, im Schatten der allgegenwärtigen Fackeln, bis ich beim Meister angelangt bin. Klettere auf den Tisch, winke den anderen Novizen zu; Lixt lächelt mich freundlich an, was mich freut. Sie ist sicher gut zu ihrem Golem. Der Meister schiebt mir Zettel und eine abgebrochene Bleistiftspitze hin. »Ist irgendwas?«
Pflichtbewusst schreibe ich in für mich großen, für ihn recht kleinen Buchstaben »Sie wollen«, wobei ich versuche, verspielte Schnörkel in die Lettern zu legen, wie Ingkrias' Golem sie macht, aber versage ziemlich. Ich lerne aber. Er hatte jetzt schon öfter Gelegenheit, mit mir zu reden, und bringt mir seine Schrift bei, was ihm sehr viel Spaß zu machen scheint. Der Meister nickt und schickt mich wieder zurück; immerhin muss das Frühwarnsystem intakt bleiben. Da ich mittlerweile sehr gut vom Zweiten darin unterrichtet wurde, mein Gehör nur auf eine Quelle auszurichten, kann ich aber trotzdem alles hören, was am Tisch besprochen wird.
Die anderen Golems sehen mich erwartungsvoll an; ich zucke mit den Schultern. »Wir werden sehen.« Dass ich mithören kann, verrate ich ihnen nicht. Wer weiß, wie ihre Meister reagieren; das müssen sie nicht unbedingt mitbekommen.
Meiner beginnt, das Gespräch auf das richtige Thema zu lenken: »Nun sag mal, Hunradil. Ich mach mich ja gerne lustig, aber warum hast du eigentlich noch keinen Golem?«
Der Angesprochene runzelt etwas verärgert die Stirn, aber antwortet dann doch. »Offenbar ... bin ich noch nicht reif genug dafür.«
»Golems zu erschaffen lernt man nicht im normalen Unterricht«, hilft Dostrian aus. »Irgendwann nimmt ein Meister einen zur Seite und sagt: Du bist bereit zu lernen. Du bereitest dich einen ganzen Monat intensiv vor, und dann darfst du immer einen Golem besitzen.«
»Aha, und was ist Teil dieser Vorbereitung?«
Dostrian reibt sich das Kinn, dann zuckt er mit den Schultern. »Wir dürfen das eigentlich nicht verraten, aber ... Hunradil weiß es ohnehin schon. Manchmal kommt er mir hungriger vor nach Geheimnissen als nach Essen ...«
Dafür fängt er sich einen Klaps auf den Hinterkopf ein. Bringt ihn nicht wirklich aus der Fassung, aber lässt eines seiner seltenen, aber sehr ehrlichen Grinsen erscheinen. »Und wir wissen ja auch, dass du wahrscheinlich so vorbereitet bist, wie es gerade geht, also was solls.«
Trotzdem sieht er sich noch einmal um, ob auch wirklich kein anderer Novize zuhört.
»Also, am Wichtigsten ist eigentlich der Respekt vor dem Golems, das haben wir wohl am meisten eingeschärft bekommen. Sie sind kein Spielzeug und nicht dafür da, deine Wäsche aufzuräumen. Einen Golem zu haben ist eine große Verantwortung, dir selbst und deinen Mitmenschen gegenüber.«
Der Meister runzelt die Stirn. »Und dem Golem gegenüber?«
Das verwirrt die Runde. »Warum dem Golem?«, fragt Dostrian. »Nein, es geht vor allem darum, dass du dir deiner Kontrolle ganz sicher bist, dass Befehle befolgt werden, und sich da nicht irgendeine Form von eigenem Willen entwickelt. Das ist ja mit das größte Problem an der Sache.«
Hör ihn dir an.
Hm, ist ganz gut, dass die beiden das nicht mithören. Aber was heißt das denn jetzt, haben sie versagt, diesen Willen auszuschalten bei ihren Golems? Die beiden können ganz klar für sich denken und entscheiden, wenn man sie lässt.
Und Ingkrias ist dafür auch zu blöd? Nein, den Willen kann man Golems nicht ausschalten, das sieht man ja bei uns. Die Hölle weiß, dass mein Meister daran lange gearbeitet hat. Aber es ist schlicht unmöglich, ohne die Fähigkeit, zu denken, zu interpretieren, kann man auch keine komplexen Befehle befolgen, einfache Logik.
»Ein Problem?«, wirft der Meister ein, die Augenbraue erhoben. Dostrian starrt ihn an.
»Du willst mir sagen, du siehst kein Problem darin, dass ein Golem jederzeit beschließen könnte, er hat keine Lust, auf dich zu hören, und läuft weg?«
Der Meister beschwichtigt, aber er redet etwas zu schnell bei seiner Antwort; ich erkenne, dass er da sicher noch Einiges zu sagen haben wird ... aber noch möchte er sich nicht mit den anderen streiten. »Schon klar, so meinte ich das nicht. Aber interessehalber - wie schaltet ihr den Willen denn aus?«
Lixt ist es, die antwortet. »HelKoThulEthFal. Die magischen Silben.«
»Gehorsam«, übersetzt der Meister tonlos, und erntet ein Lächeln. »Ja, du kennst dich aus! Tagelang haben wir den Zauber geübt, bis er gepasst hat. Du ersetzt die Möglichkeit aufstrebender Individualität komplett durch reine Befehlsbefolgung; wie hat Meister Baranin das ausgedrückt? Ein frisch erschaffener Golem ist eine Schiefertafel, die er selbst mit unzähligen Dingen beschreiben könnte. Gehorsam nimmt dem Golem die Kreide und gibt sie dem Beschwörer.«
»Schön auswendig gelernt«, zieht Hunradil sie auf. Lixt strahlt ihn von unten an. »Und wenn du auch so gut im auswendig Lernen wärst, dann würdest du sicher auch bald einen Golem befehlen können!«
Der wahrscheinlich doppelt so schwere Novize hat dafür nur ein Grunzen übrig. Der Meister dagegen scheint tief in Gedanken. Das ... ist aber keine sehr gute Sache, was die da lernen ...
Grundfalsch ist es, wie gerade gesagt. So funktioniert das einfach nicht.
Wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Nicht, dass die Fesseln von Gehorsam mir völlig egal wären ... wie glühende Ketten kommen sie mir manchmal vor, die mich über und über umschlingen.
»Aber wie kommst du jetzt darauf? Du bist doch ein Golemexperte, nach deinem Kleinen zu urteilen. Dass er sich zweiteilen kann, das ist ja Wahnsinn! Und folgen tut er dir aufs Wort.«
»Tja, Lixt«, murmelt der Meister und starrt in die Ferne, »das tut er deswegen, weil er es gerne tut. Er ist nicht mein Diener; er ist mein Freund.«
Sofort weichen die drei Novizen etwas von ihm zurück.
»Du spinnst«, stößt Dostrian mit einem gequälten Lächeln hervor, als glaubte er noch an einen Witz. »Du hast deinem Golem nicht den Willen gelassen.«
»Ach, die Entscheidung habe ich nicht bewusst getroffen, das kannst du mir glauben. Aber ich würde es immer wieder gleich tun.«
Lixt hat eine Hand vor den Mund geschlagen. »Das ... das ist doch grausam von dir! Wenn er denken kann, aber dein Sklave ist ... das ist unmenschlich!«
»Er ist nur ein Golem«, tut Hunradil ihre Bedenken ab. Dostrian schüttelt den Kopf. »Sie hat völlig Recht. Das ist nicht richtig von dir. Es muss furchtbar für ihn sein!«
Nervös sieht Hunradil zu mir hinüber. »Woher sollen wir wissen, dass er dich nicht heimlich hasst? Dass er das nicht an uns auslässt?«
Der Meister sieht alle drei scharf an. »Beruhigt euch, oder redet wenigstens leiser. Wir sind hier nicht allein.«
Dostrian ist jetzt deutlich wütend, senkt aber seine Stimme. »Ohne Gehorsam«, zischt er, »ist er eine Bedrohung für uns alle. Das lasse ich nicht zu! Wir haben versprochen, seine Existenz zu verheimlichen, wenn du versuchst, dich zu integrieren, aber wenn du ihn nicht vernünftig unter Kontrolle hast, werde ich das einem Meister melden!«
Darauf lehnt der Meister sich zurück. »Woher meintest du wusste ich, was HelKoThulEthFal bedeutet?«
»Du weißt, was NefLum heißt, oder nicht?«
»Touché, Lixt. Aber ich versichere euch ... er ist unter dem Einfluss von Gehorsam. Auch, wenn mir das immer mehr Leid tut.«
Jetzt sind die anderen völlig verwirrt. Hunradil spricht es aus. »Aber Mensch, dann kann er doch keinen freien Willen haben!«
Der Blick des Meisters ist eisig. »Gehorsam löscht den freien Willen eines Golems nicht aus. Das wüsste ich.«
Dostrian schüttelt den Kopf. »Du hast den Zauber wann nach seiner Erschaffung angewendet, einen Monat, zwei? Sicher war seine Persönlichkeit schon zu weit entwickelt, als dass du sie so losgeworden wärst. Du brauchst einen viel stärkeren Zauber. Lass dir von einem Meister helfen. Ich sag es dir im Guten. Es ist besser für dich und den Golem.«
»Das bezweifle ich. Jeden Teil deiner Aussage. Gehorsam hin oder her, auch eure sofort damit belegten Golems haben freien Willen, tut mir Leid, euch das sagen zu müssen. Die erzählen euch hier kompletten Unfug.«
Dostrian stößt ihm mit den Finger vor die Brust. »Wir lassen dir eine Menge durchgehen, weil du definitiv eine Menge weißt. Aber wer bist du, den Lehren, die Jahrhunderte alt sind, jegliche Gültigkeit abzusprechen?«
»Jemand, der noch ältere Lehren kennt«, gibt der Meister staubtrocken zurück. Dann wird er milder.
»Du kannst mich gerne verraten, Dostrian. Aber dann ist dir sicher auch klar, dass ihr alle keine interessanten, verbotenen, aber ach so verlockenden Techniken mehr von mir lernen werdet. Und du glaubst doch so an die Seele unserer Wissenschaft, den konstanten Austausch untereinander? Die sperren mich in mehr als einen Elfenbeinturm, wenn du diese Kleinigkeit fallen lässt. Ist aber völlig unwichtig. Ich will dich hier nicht erpressen mit was ich dir noch sagen könnte oder eben nicht. Du bist - ihr alle seid - so kurz, wie wir uns auch erst kennen, meine Freunde geworden. Von mir aus könnt ihr alles wissen, was ich weiß, ich will damit nicht handeln. Ich habe das Thema angesprochen, weil ich glaube, dass ich euch vertrauen kann. Bitte respektiert das - und vertraut mir auch.«
Ohne eine Antwort zu erwarten, steht er auf.
»Und denkt bitte in Ruhe darüber nach, ob ihr euch ganz sicher seid, dass euere Golems in geistloser Zufriedenheit existieren oder ob da vielleicht mehr dahinter steckt.«
Er setzt an, weiterzureden - und hält inne, dreht sich stattdessen um und geht, auf mich zu. Ich sehe den Satz vor mir, den er nicht ausgesprochen hat ... oder fragt sie doch einfach.
Sie würden ja gerne antworten ...
Als er ankommt, nickt er den beiden Golems zu. »Ich glaube, euere Meister sind noch nicht ganz bereit, umzudenken ... aber denkt dennoch über mein Angebot nach. Und sie müssen ja nicht alles wissen.«
Während er redet, gleite ich unauffällig von Dostrians Golem auf den Ärmel des Meisters, wobei ich mich schnell vom Golem verabschiede.
»Soll ich sie belauschen, Meister?«
Die Antwort ist ein Kopfschütteln. »Nein. Ich werde schon sehen, zu welchem Schluss sie kommen. Wenn sie petzen wollen - was soll ich machen, sie umbringen? Sie hatten jetzt zwei Wochen Zeit, mich kennen zu lernen. Entweder, sie trauen mir zu, hier vernünftig zu sein, oder es war umsonst und dann fangen wir eben von vorne an, unter erschwerten Umständen, was solls.«
»Aber täte es dir nicht Leid?«, wage ich einzuwenden.
Der Meister bleibt kurz stehen und dreht sich um, aber die Freizeithalle ist schon weit zurück.
»Nett sind sie ja schon«, sagt er schließlich.
---Bis zu einem Abend drei Tage später hatten wir keine große Gelegenheit mehr, mit den anderen Novizen zu sprechen, aber auch wenn sie nicht eines Morgens mit ihren Golems vor der Tür standen, mit der Bitte ihnen das Sprechen beizubringen, ist wenigstens auch nichts Schlimmes passiert. Noch nicht. So ist es die routinierte Langeweile. Ingkrias list mal wieder in dem Folianten. Wann immer er tief in der Lektüre versunken ist - also quasi jederzeit - werde ich seinem Papiergolem bedeutungsschwere Blicke zu. Und das eine oder andere Lächeln. Dieser schickt ab und an ein krudes Grinsen, auf seinen Bauch gepinselt, zurück.
Hat er jetzt langsam alle Flüche durch? Nach Widerstandsschwund gibt es nicht mehr viel. Wie kann man bloß eine ganze Stunde über kreuzlangweiligen Experimenttabellen hängen? Die Verstärkung durch speziell verzauberte Amulette und Stäbe verläuft nicht linear zur Potenz des Zaubers. Punkt.
Vielleicht sucht er nach dem Grund?
Es ist Magie, manchmal haben Dinge keinen rationalen Grund! Wenn er noch ein wenig länger an den Ausreißern der Statistik hängt, findet er womöglich noch heraus, dass bei manchen Testsubjekten die Wirkung reproduzierbar gefünftelt wird. Dann sitzen wir noch drei Stunden hier und nichts passiert!
Warum wurmt dich das jetzt auf einmal so? Du hattest doch letztes Mal auch keine Probleme damit, jeden seiner Augenzucker akribisch festzuhalten, als er endlos seine eigenen Ergebnisse mit denen des Generals verglichen hat. »Position der Blutspritzer«, ernsthaft? So will er den Rückstoßschaden von Eiserner Jungfrau quantifizieren?
Das war eine gute Idee. Aber vielleicht, nur vielleicht, habe ich auch einfach keine Lust mehr, ebenfalls diese immer gleichen Tabellen anzustarren, weil sie mich daran erinnern, dass jemand anderes auch eine sehr gute Idee hatte. 'Den Elementarwiderstand meines Golems kann ich beliebig anpassen', lautete sie. 'Ich sollte ihn verfluchen und dann mit einer ganzen Reihe von Feuerbällen bewerfen'.
Oh.
Das ... tut mir ...
Sei einfach still und vergiss was ich gesagt habeeeeh er blättert um neues Kapitel großartig, darauf hat er sicher keine Lust und du kannst meinetwegen mit seinem Golem palavern. Vielleicht lernst du ja mal, deinen Namen ohne Fehler zu schreiben. Oh warte! Du hast keinen Namen!
Schlag nur unter die Gürtellinie, ich sagte doch schon, es tut mir Leid. He, was ist das nächste Kapitel eigentlich? Beschwörungszauber?
»Von der Seelenwanderung: Die wahre Macht Trang-Ouls«
Oh. Das ist ... nicht ganz, was ich erwartet hätte. Und Ingkrias geht es da ähnlich. Er reagiert wirklich auf diesen Titel, mit ganz offensichtlicher Überraschung und so etwas wie ... nein, garantiert. Schrecken. Gehetzt fährt sein Blick durch den Raum. Dann saugt das Papier ihn an, fester denn je. Sein Augen fahren in einer komplett ungeahnten Geschwindigkeit über die Seiten. Was steht da? Schnell mache ich mich daran, den Inhalt zu verarbeiten.
Trockene Theorie über das Wesen der Seelen. Nennung einiger Quellen, die vermutlich zu diesem Zeitpunkt schon längst nur noch in Form der Fußnoten in dem Wälzer vor mir existieren. Dennoch winkt Ingkrias hastig seinen Golem zu sich.
»Zeit?«
Eine fast durchgelaufene Sanduhr erscheint auf der Brust des Papierdieners. Ingkrias flucht halblaut etwas Unverständliches in vermutlich seiner Muttersprache. Dann wirft er dem Golem schnell einige ausgewählte Quellentitel hin. Doch erhaltene Schriftstücke, tief in den sicherlich gewaltigen Bibliotheken der Nekromantenstadt vergraben? Aber woher weiß er, welche von ihnen es noch gibt?
Danach wählt er nicht aus. Es sind die, denen der alte General die größte Richtigkeit zuspricht.
Huh, tatsächlich. Er ist ein extrem schneller Leser, wenn er will. Du übrigens auch.
Ja, ja. Jetzt blätter weiter! Es wird spannend!
Als würde er darauf hören, fährt die knorrige Hand des alten Meisters über die Seite - und verknickt das Papier. He! Soll ich ihn daran erinnern, dass das Buch einen Wächter hat?
Bloß nicht, sonst hört er auf! Sieh die Doppelseite an! Merk sie dir auch!
Aber ... die ist doch ohnehin unterbewusst gespeichert ...
Doppelt hält besser! Los!
»'Der Drache in alten Bildwerken der Barbaren' ... 'Überlegungen zur Wiedergeburt' ... 'Das ewige Leben: Beispiele und Weiterführung' ... Autoren ... Zeit!«
Die Sanduhr ist leer. Wieder flucht Ingkrias. Wieder blättert er etwas zu hastig um.
Auf der nächsten Seite prangt ein Symbol. Halbseitig. Mit Akribie gezeichnet, klare Linien, darunter lang und breit beschrieben. Ein perfekter Kreis, mit stilisierten Schuppen besetzt, an einer Stelle unterbrochen durch einen Echsenkopf, der das Maul geöffnet hat, um den Kreis wieder zu schließen. Gegenüber liegt der dazugehörige Körper, gebeugt, der Rücken ist die Kurve des Kreises. Über den Bauch ist ein Flügel ausgebreitet, dessen Enden oben den Kreis berühren. Der andere Flügel liegt unter dem Körper, nach vorne gestreckt, symmetrisch zum anderen ... aber unten auf dem Kreis ruhen nur die Gelenke, denn dieser Flügel ist skelettiert. Zwischen ihnen, eine Scheibe in der Schwebe.
Der Drache, der sich in den Schwanz beißt ... tot und lebendig zugleich. Die Scheibe wäre, wenn dies keine Zeichnung wäre, sondern zum Beispiel ein Amulett, eine Kugel. Die Welt. Trang-Oul ...
Ein Amulett, oder ...
Während der Papiergolem auf Anweisung schleunigst das Symbol abzeichnet, fällt es mir ein. Oder eine Gürtelschnalle, natürlich. Ja, du hast Recht, jetzt will ich aber auch genau lesen, was da steht. Bevor der Foliant zugeklappt wird, sehe ich mir die Seiten bewusst an und präge sie mir gut ein.
Vielleicht sind deine wirren Ideen ja mal für etwas gut. Wenn er weg ist, überzeugst du seinen Golem, dass er bewusst wegschaut, und wir lesen das ganze Kapitel.
Das schaffe ich. Die Frage ist nur, wenn er heute der letzte ist, warum hat er sich dann ein Zeitlimit gesetzt?
Ach, verdammt ...
Liegt dir gar nicht nahe, so etwas zu übersehen. Warum bist du deswegen gleich gar so aufgeregt? Wir haben wann anders sicher auch noch Zeit, das zu lesen. Die Seitenzahl wissen wir jetzt ja.
Verstehst du nicht? Es geht hier über etwas, das sich Seelenwanderung nennt, und den Drachen der Wiedergeburt. Das ist, was wir suchen!
Was ... du meinst, eine Möglichkeit, die Hölle zu überlisten?
Ja, du Schnellmerker!
Ich weiß nicht, ist das nicht ein wenig weit hergeholt? Vielleicht ist das ja nur eine staubtrockene Dissertation über verschiedene Möglichkeiten, die Religion der Rathmaner wissenschaftlich zu fundieren. Übertreibst du da nicht ein wenig? Oder weißt du etwa schon genauer, was da drin steht, wie beim letzten Kapitel auch?
Nein, das ist mir neu ... ich meine nur ...
Da betritt jemand den Raum. Gerade hat Ingkrias es noch geschafft, ein hastiges Protokoll über die Funde des Tages - natürlich ausgeschlossen des gerade eben erfolgten - abzugeben.
»Guten Abend, Meister Ingkrias«, sagt - Meister Valtores. Bewusst neutral, wie immer.
»A-abend«, erhält er als Antwort. Der Jüngere legt den Kopf schief. »Ist etwas nicht in Ordnung, werter Kollege?«
»Ich ... habe nur die Zeit vergessen, Valtores. Es ... war eine spannende Lektüre.«
»Soso«, gibt der aufrecht stehende und damit deutlich den anderen überragende Meister zurück. »Braucht Ihr denn noch etwas Zeit, um das Protokoll ordentlich zu verfassen? Da ich heute der Letzte bin, bin ich nicht in Eile.«
»Nein ... nein, das sollte so passen, vielen Dank. Es ist spät. Ich werde mich hinlegen. Gute Nacht.«
Mit einem höflichen Gruß verabschiedet Meister Valtores ihn. Der Papiergolem verlässt natürlich auch die Stube. Des Meisters eigener Golem betritt sie stattdessen - alle gleichzeitig wäre ein wenig eng. Es ist ein Blutgolem. Ungewöhnlich. Kein anderer Meister hat einen.
Meister Valtores hält kurz Ingkrias' Protokoll hoch, schüttelt den Kopf und legt es wieder zurück. Er geht auf das Buch zu, scheinbar in Gedanken. Sein Golem bleibt nicht in der Ecke stehen, sondern folgt schräg hinter ihm.
Die Hand des Meisters landet auf dem Folianten, meiner gegenüber. »Du erinnerst dich, an welcher Stelle ich zuletzt gelesen habe?«, fragt er mich, wobei er mir in die Augenhöhlen sieht, als würde er darin etwas suchen. Ich nicke, und schlage die Seite auf. Sein Blick verharrt unangenehm lange auf mir, dann, endlich, fällt er auf das Pergament.
Das gefällt mir nicht. Er wirkt so ... zerstreut.
Tatsächlich denke ich nicht, dass Meister Valtores viel in der Geheimen Kunst liest. Er blättert zu schnell, überfliegt die Seiten nur lose ... gut, die Prosa des alten Generals ist nun wirklich nicht besonders aufregend, aber das sollte ihn ja nicht stören ...
Da hält er inne. Streicht über die Ränder der Seiten. Schlägt sachte eine auf ... und das Emblem von Trang-Oul starrt mir wieder entgegen.
»Da soll mich doch ... « murmelt der Meister, während er sorgfältig das Eselsohr glattstreicht, das Ingkrias hinterlassen hat. Als er hingegen das Symbol sieht, hört er damit auf. Reagiert nur wenig gelassener. Wirft einen Blick zur Tür ... oder besser, darüber hinaus. Dem Kollegen hinterher. Und dann landet dieser durchdringende Blick wieder in meinem Gesicht.
»Golem, du bist weit schlauer, als du dich gibst, nicht wahr?«
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