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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 4 - Läuterlodern

Kapitel 30: Dankbarkeit

Der Zweite und ich versuchen verzweifelt, unser Zusammensetzen von vorne zu beginnen. Wir wissen aber beide, dass es hoffnungslos ist; wir haben über fünf Minuten nur für eine Hand gebraucht. So können wir nur zusehen, als der rote Ritter sich neben den gebrochenen Körper des Meisters kniet.

»Kann ich davon ausgehen, dass das Gift dieses hinterhältigen Dolches abgeklungen ist, General?«

Der Meister zieht eine Grimasse.

»Vermutlich ...«

»Dann erlaubt mir, bitte. Ein gebranntes Kind, und so weiter.«

Fast zärtlich nimmt der Ritter dem Meister das Jade-Tan-Do ab. Er steht auf, dreht sich zur Feuergrube unter dem Steinpentagramm, und wägt den Kris in der Hand. Holt aus zu werfen ... und hält inne. Statt in der Grube landet die Waffe klappernd in einer Ecke des Raumes, weit weg. Er kniet sich wieder hin.

»Prinzipiell kein schlechter Plan, mit dem Ihr diese übergroße Echse da vernichtet habt, muss ich schon sagen. Von bewundernswertem Einsatzwillen. Aber verratet mir mal, was hattet Ihr denn nun vor, so reichlich kläglich auf dem Boden liegend?«

Der Meister grinst freudlos.

»Dafür gibt es doch ... Regenerationstränke ...«

»Ach, so wie die an Eurem Gürtel?«

Fast freundschaftlich klopft er dem Meister dorthin.
Eine Handvoll Glassplitter fällt zu Boden.

»... oh.«

»Na ja, nicht jeder Plan ist perfekt, General.«

»Mhm. Abgesehen davon ... ist das nun ja ohnehin egal, oder? Was hast du jetzt mit mir vor? Wenn du mir auch unendliche Qualen verschaffen willst, dann solltest du dich beeilen. Ich denke nicht, dass ich ... ah ... es noch lange mache so. Und recht viel mehr wehtun ... wird mir sowieso Nichts ... was du tun könntest.«

»Ihr unterschätzt meinen Einfallsreichtum. Aber wer wird denn gleich von sowas reden. Nein, hier stirbt heute Niemand mehr ... der wichtig ist, zumindest. Freut Euch lieber. Ein solcher Sieg ist doch Grund zu feiern!«

Der Meister verspannt sich und braucht kurz, um zu antworten.

»Ah ... ich weiß nicht, tu mir gerade schwer, deinen Enthusiasmus zu teilen. Wäre eh ein schlechter Tänzer gerade.«

»Da können wir doch was machen. Ich würde sagen 'wird gar nicht wehtun', aber ich lüge doch so ungern.«

Eine Skeletthand landet auf der Brust des Meisters, was diesen keuchen lässt. Nichts im Vergleich zu dem Schmerzensschrei, der kurz darauf aus seiner Kehle dringt, und sekundenlang nicht endet. Eine schwarze Aura geht von der Hand des Ritters aus, umgibt den Meister, Fäden steigen aus ihr hoch und stechen in seinen Körper. Wieder und wieder. Sein Rücken wölbt sich, als sich seine Muskeln vor Agonie verkrampfen.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit - ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie lange es ihm vorgekommen sein muss - zieht die schwarze Aura sich zurück.
Der Meister atmet schwer.

»Oh Himmel ... du Bastard ...«

»Gern geschehen, General.«

Wütend stößt dieser die Knochenhand auf seiner Brust weg.

»Ich brauche deine ... «

Er hält inne und starrt seinen Arm an.

»Hast du mich gerade geheilt?«

Fast glaube ich, ein ... na ja, echtes ... Grinsen auf dem Schädel zu erkennen.

»Die Magie der Hölle ist nun nicht am besten für so etwas geeignet. Aber bei Lichte betrachtet ist das doch Alles nur mechanisches Zusammenflicken. Vielleicht etwas unelegant, wie ich es gerade gemacht habe, aber der Zweck heiligt die Mittel, nicht wahr?«

»Erinnere mich daran, diesen Spruch nie wieder zu benutzen ...«

Der Meister setzt sich auf. Sieht seinen unerwarteten Retter an. Dann wandern seine Augen kurz durch den Raum. Was dem Anderen nicht entgeht.

»Ja, Euer Golem scheint etwas ... durcheinander zu sein. Hier ...«

Er hält dem Meister seine Waffe hin, Heft voran.

»... beschwört ihn daraus wieder und befehlt ihm, sich von mir fernzuhalten.«

Skeptisch beäugt der Meister den Säbel, während er aufsteht. Sein Gegenüber gluckst.

»Ich will nur mit Euch reden. Dafür brauche ich keine Waffe. Macht die Situation so ungemütlich. Na los!«

Kurz darauf finde ich mich endlich wieder in einem vernünftig zusammenhaltenden Körper wieder.

»Na, Golem?«

»General ... das gefällt mir überhaupt nicht.«

»Denkst du, mir? Aber vorerst bin ich erst mal froh, dass mich nicht mehr fühle wie nach einem Besuch im Fleischwolf. Stell dich zwei Meter weg und greif ihn nicht an.«

Widerstrebend muss ich gehorchen. Unser ... ehemaliger? ... Widersacher schnippt klackend mit den Fingern. Zwei Würger schweben herein, mit einfachen Holzstühlen in ihren geisterhaften Krallen. Wortlos nehmen Mensch und Untoter Platz. Letzterer macht eine entschuldigende Geste.

»Ich kann Euch leider Nichts zum Trinken anbieten.«

Der Meister schüttelt den Kopf.

»Du wirst mir verzeihen, wenn ich eine solche Behandlung nicht wirklich erwartet hätte. Du willst doch etwas von mir.«

»Oh, immer noch so fokussiert auf ein Ziel? Entspannt Euch doch mal. Euch ist immerhin ein wirklich großer Sieg gelungen heute.«

Als Antwort erhält er nur eine erhobene Augenbraue.

»Ts, ts, ich muss wirklich an meinen Konversationsfähigkeiten arbeiten. So wird das Nichts. Also schön, weniger blumig. Wie schon gesagt, ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet. Diablo ist gefallen, etwas, das ich Euch nach ein paar unserer früherer Begegnungen durchaus zugetraut habe, weswegen ich Euch immer unterstützt habe, aber unwahrscheinlich war es dennoch. Und Hoffnung ist nun wirklich nicht etwas, das man sich hier unten oft leistet!«

»Du hast eine seltsame Art, deine Unterstützung zu zeigen.«

»Oh, es ist ziemlich subtil gewesen, das gebe ich zu. Zunächst musste ich ja erst einmal feststellen, ob Ihr der Aufgabe vor Euch überhaupt gewachsen seid. Davon habt Ihr mich schnell überzeugt. Dann half ich Euch, stärker zu werden. Gegen Diablos dumme Diener hättet Ihr ja gar keine Übung gehabt. Ihr brauchtet eine Herausforderung. Die gab ich Euch. Schließlich habt Ihr sogar meine Erwartungen übertroffen und mich getötet! Zum Glück kein allzugroßer Rückschlag, weil ich meine Seele gerade noch vor Eurem infernalischem Dolch retten konnte. Was man über meinen Widersacher nicht behaupten konnte. Dafür muss ich Euch noch einmal wirklich gratulieren. Nach meiner zeitweilen Ausschaltung konnte ich ihn nicht mehr davon abhalten, zu versuchen, Euch zu gewinnen. Aber Ihr habt ihm ins Gesicht gespuckt, und nun ist seine Seele gefangen! Bravourös!«

Der Meister schüttelt ungläubig den Kopf.

»Das heißt, du willst mir erzählen, du wärst die ganze Zeit auf meiner Seite gewesen? Und was war das mit dem Treueschwur, zu dem du mich fast gezwungen hättest?«

»Ach ... nur eine Rückversicherung. Man weiß ja nie. War ja letztlich nicht nötig, aber hätte mir eine Menge Sorgen genommen. Seht Ihr, wenn Ihr gegen Diablo gescheitert und gestorben wärt, dann wärt ihr, an mich gebunden, unter meiner Gewalt gewesen. Und nicht unter seiner. Das wäre sehr ... unangenehm geworden. Und hätte mich meine Investitionen gekostet. Eine Schande.«

»Ich glaube, ich verstehe langsam. Du wolltest von Anfang an, dass ich Diablo töte ... damit du hier die Macht übernehmen kannst!«

Ein seltsam klingendes Klatschen.

»Bravo! Völlig richtig erkannt. Diablo ist außer Gefecht. Mephisto von der Bildfläche verschwunden. Baal ist irgendwo auf Sanktuario, und damit aus dem Spiel. Ihr habt sogar meinen Widersacher ausgeschaltet. Alles hier ...«

Sein Arm schweift über das Chaos-Sanktuarium.

»... ist nun mein.«

Dafür hat der Meister nur ein schweres Stirnrunzeln übrig.

»Du bist kein einfacher Skelettritterheld. Sonst könntest du dir das niemals herausnehmen. Oder aus eigener Kraft von der Auslöschung zurückkommen, einfach so. Wer bist du?«

Fast schafft sein Schädel es, überrascht zu blicken.

»Das ist Euch noch nicht längst klar? Dann bin ich tatsächlich noch nicht eingerostet in meiner Kunst, so wenig ich sie in letzter Zeit an Menschen testen konnte. Ihr habt das ohnehin schon vorweg genommen, aber erlaubt mir, Euch mit meinem Namen offiziell das Du anzubieten. Nennt mich einfach ...«

»Belial.«

Himmel ... natürlich.
Der Meister schlägt sich die Hand vor die Stirn.

»Manchmal ... ja. Darauf hätte ich wirklich selbst kommen können.«

Der schiefe Blick des niederen Übels verspricht Böses für den Zweiten, aber vorerst lässt er es unkommentiert.

»Nimm es dir nicht zu Herzen, General. Du hattest Besseres zu tun, als über die Identität eines unwichtigen, übermäßig arroganten Skelettritters nachzudenken, nicht wahr? Sehr einfache Verschleierung, aber immer wieder effektiv. Mein Widersacher hat sie mir prompt nachgemacht, der einfallslose Möchtegern.«

Der Meister hebt die Hand, etwas überwältigt.

»Moment, Moment, lass mich raten ... Himmel. Heißt das, ich habe mit einem Stich des Jade-Tan-Dos Azmodan seine Seele genommen?«

»Korrekt!«

Da schluckt der Mensch doch hart.

»Dann verstehe ich das Ausmaß deines Lobs, ja.«

Ich melde mich zu Wort.

»Ganz kopiert war Azmodans Taktik ja auch nun wieder nicht.«

»Dennoch stümperhaft.«

Belial wendet sich mir zu.

»Siehst du, eine Lüge ist nur dann gut, wenn sie zu dem allergrößten Teil aus der Wahrheit besteht. Azmodan hat euch gesagt: Pass auf, diese Seele, die da hängt, das ist Natalya. Das stimmte einfach nicht. Ihr konntet es glauben, oder nicht. Ihr habt es ihm nicht geglaubt, und er hat verloren. Denn es gab keinen Grund für euch, es zu glauben. Sein Wort gegen eure Überzeugung. Ich habe euch eigentlich immer die Wahrheit gesagt - dass ich euch prüfe, dass ich Diablo fallen sehen will, dass ich euch helfen will. Nur, dass ich ständig etwas von ominösen 'Vorgesetzten' gefaselt habe, war gelogen - nicht einmal Diablo selbst war mir je vorgesetzt. Und wird es nie wieder sein.«

»Du bist grad ziemlich zufrieden mit dir selbst, hm?«

»Du nicht, General?«

»Erst, wenn ich hier raus bin und nicht mehr das Gefühl im Nacken habe, dass sich gleich irgendeine Schlinge um meinen Hals zuzieht. Du hast gewonnen, ja, du hast, was du immer wolltest. Wunderbar. Warum hast du deinen Sieg dann nicht perfekt gemacht und mich erledigt? Diablo ist tot - wer soll meine Seele sich denn dann schnappen, wenn nicht du?«

Belial kichert.

»Das hat tatsächlich mehrere Gründe. Zunächst hast du noch etwas zu erledigen ...«

Auf einen Wink von ihm schwebt ein weiterer Würger heran, der einen roten Edelstein in den Krallen hat. Er hält ihn dem Meister hin, der die Hände in Abwehr hebt.

»Das Ding fass ich nicht an. Golem, würdest du?«

»Sicher.«

Abwesend lässt Belial mir Diablos Seelenstein zutragen. Ich nehme ihn vorsichtig, als würde er meine Finger verbrennen. Wie schon Mephistos wirkt er natürlich harmlos ... aber ich weiß, was er schon angerichtet hat. Der Held vor uns ...

»Siehst du, General, ich könnte das Ding sicherlich selbst zerschmettern, aber du hast den Hammer mitgenommen. Bevor ich einen neuen schmieden lasse - von einem gerade wo auch immer herumschwebendem Hephaisto, der nebenbei auch nicht unbedingt garantiert loyal zu mir ist - lasse ich das lieber dich machen, weil du das sowieso möchtest. Genauso wie eine andere Sache ...«

»Baal.«

»Exakt! Irgendwo auf Sanktuario bereitet er gerade etwas vor, was, weiß ich nicht. Ist auch nicht mein Problem, ich habe jetzt erst einmal genug zu tun, meine Macht hier zu festigen. Was es wohl aber ist, ist dein Problem. Als großer Held wirst du die Sache sicher nicht auf sich beruhen lassen und das Trio erledigter Großer Übel voll machen wollen. Würde insgesamt sogar sechs Höllenfürsten bedeuten, wenn wir meine werten Kollegen dazuzählen wollen. Sollte ein Klacks sein!«

Der Meister verschränkt die Arme.

»Du traust mir ja Einiges zu. Zu Recht, sage ich mal in der mir eigenen Überheblichkeit. Aber was ist, wenn ich gegen Baal scheitere? Dann gehört meine Seele ihm, und du hast ein Problem, weil er mich als Diener hat und sicher sehr sauer ist auf dich und deine Machtübernahme.«

Belial wackelt verneinend mit dem Finger.

»Nicht doch! Baal ist auf Sanktuario und bleibt da erst einmal. Wenn du stirbst, landest du direkt hier unten. Und gehörst mir, keine Sorge, ich lass dich nicht in der Vergessenheit verschwinden.«

»Oder der Himmel dankt mir dafür, dass ich euch hier unten die Petersilie verhagle, und befördert mich im Express nach oben?«

»Natürlich, wir wissen ja beide, wie dankbar und hilfreich der Himmel sein kann.«

Das wischt dem Meister das ohnehin schon dünne Grinsen aus dem Gesicht. Belial setzt nach.

»Glaub mir ... du bist auf dem besten Weg nach hier unten. Da führt nach all dem, was du getan hast, kein Weg mehr vorbei.«

Das kommt mir aber jetzt ein wenig zu endgültig vor.

»Warum sollte er dir glauben? Du bist der Herr der Lügen.«

Der Träger dieses Titels zuckt mit den Schultern.

»Nun, muss er nicht. Das wird er dann schon sehen, wenn sein Leben unweigerlich zu Ende geht, wodurch auch immer und wann auch immer. Ich hab Zeit. Siehst du, General, ich möchte dir durch dieses Gespräch vor Allem eines klar machen: Wir sind keine Feinde. Du hast extrem viel für mich getan, zugegebenermaßen ohne das zu wissen, aber der Fakt steht. Und ich habe auch deswegen überhaupt Nichts gegen dich persönlich. Bei der Hölle, ich mag dich. Also geh den Seelenstein zerstören, geh Baal töten, wenn du glaubst, das zu müssen. Oder lass es. Such dir eine hübsche Frau oder drei. Betrink dich jeden Tag. Mach eine Farm auf und lass Waisenkinder darauf wohnen. Leb dein Leben. Und wenn es vorbei ist, treffen wir uns wieder. Ich mache dir ein Angebot, für mich zu arbeiten, und du wirst dich daran erinnern, dass ich immer nett zu dir war, im Gegensatz zum Himmel, der dich stets behandelt hat wie Dreck. Du schwörst mir deine Treue, reine Formsache, und wir beherrschen gemeinsam die Hölle. Ha, wenn du willst, können wir sogar eine neue Methode aushandeln, die Seelen zu bestrafen, die es wirklich verdienen - oder das glauben. Ich bin da flexibel. Azmodans 'rüttle ja nicht an der alten Ordnung' ist kompletter Unfug. Wir sind die Hölle. Wir halten uns nicht an Regeln.«

Der Meister richtet den Finger anklagend auf seinen Gegenüber.

»Ihr seid die Hölle. Ihr seid der Feind.«

Belial verschränkt die Hände hinter seinem Kopf und lehnt sich zurück.

»Bleib bei deiner Überzeugung, sie wird dich gegen Baal gewinnen lassen. Das lässt du dir ohnehin nicht nehmen, so wie es aussieht. Aber ich kann dir versprechen, Feind hin oder her, so sehr du uns auch hassen wirst, auf kurz oder lang wird das hier deine Heimat. Arrangier dich damit, und wir werden beste Freunde.«

Der Blick des Meisters verschießt Dolche.

»Das werden wir ja sehen.«

»Genau. Werden wir. Ich denke, damit haben wir unser Gespräch erschöpft. Geh nun. Wir haben beide noch eine Menge zu tun. Niemand wird dich angreifen - die Hölle ist dir von jetzt an wohlgesonnen. Tu, was du tun musst.«

Der Meister steht auf und winkt mich zu sich.

»Komm, Golem. Dieser Ort hier macht mich krank. Und du auch.«

Ganz kurz ist mir, als würde hinter Belials Fassade des roten Ritters etwas deutlich Beunruhigenderes durchscheinen, etwas grün leuchtendes mit Hörnern und Zähnen und mehr weniger gut beschreibbaren Dingen. Es hat einen Mund. Der lacht in ehrlicher Freude.

»Bis bald, General!«

Wir gehen. Draußen stampt der Meister mit dem Fuß auf.

»Verdammt, Golem, das hat mir jetzt jeden Triumph genommen.«

»Vielleicht kommt der ja noch, wenn wir den Seelenstein zerschmettern?«

»Ha, und wir damit weiter nach Belials Pfeife tanzen? Dieser Bastard ... die Früchte meiner Arbeit ernten ... 'bis bald', sagt er ... «

Ich seufze.

»Willst du den Stein denn nicht zerstören?«

»Und Diablo eine Chance geben, wiederzukommen? Wäre sicher ein schöner Bürgerkrieg hier unten. Aber wer auch immer gewinnt, die Menschheit verliert. Soll Belial nur sehen, wie er zurecht kommt. Vielleicht ist die Sache gar nicht so einfach, wie er es sich vorstellt. Und, falls wir uns tatsächlich wiedersehen ...«

Er wirft einen Blick zurück zum Chaos-Sanktuarium.

»... dann bin ich wirklich gespannt, ob ich ihm da so einfach ein dankbarer und treuer Diener sein werde.«

Nach wenigen ereignislosen Minuten erreichen wir die Höllenschmiede.

»Soll ich wieder?«

»Gib mir ne Chance.«

Der Meister legt den Seelenstein auf den Amboß, holt mit dem Hammer der Höllenschmiede aus und zerschmettert Diablos Seelengefängnis mit einem einzigen Schlag. Er wischt demonstrativ die Hände gegeneinander.

»Das hätten wir. Wie ... antiklimatisch.«

Diablos Seele erscheint kurz, wie Mephistos vor ihm. Sie brüllt in Frustration und Verzweiflung, dann wird sie zerrissen von der Hölle selbst, die sich gierig darauf stürzt. Der Meister und ich winken ihr hämisch nach.

»Gut, dass Belial nicht wusste, dass ich den Hammer dabei hatte, was?«

»Aber warum denn?«

Wir fahren herum. Hinter uns schwebt Belial in seiner vermutlich wahren Form, lässt gerade den Arm sinken, mit dem er ebenfalls Diablo abgewunken hat. Der Meister weicht einen Schritt zurück.

»Nun, ich war mir nicht sicher, ob du mich nicht nur doch am Leben lässt, weil du nicht an den Hammer kommst.«

»Aber nicht doch, General. Neunundneunzig Prozent Wahrheit, schon vergessen? Genauso wie das hier.«

Ein Würger schwebt mit dem Jade-Tan-Do in den Krallen heran. Der Meister rümpft die Nase, nimmt es aber.

»Den Moment wollte ich nicht verpassen. Nun ja, wie gesagt, ich habe zu tun. Viel Erfolg noch im Leben!«

Und weg ist er. Aus der Kehle des Meisters dringt ein leises Knurren.

»Ein schnelles Stadtportal und dann sehen wir diese Absteige nie wieder.«

»Lässt du die Steinsplitter einfach liegen?«

»Ha, natürlich nicht! Kannst dich gleich nützlich machen und einsammeln.«

Nachdem ich das erledigt habe, öffnet der Meister das Portal zurück in die Festung des Wahnsinns.
Deckard und Tenarion erwarten uns, wettstreitend, wer das breitere Grinsen erzeugen kann. Tyrael schwebt, wie üblich unlesbar, im Hintergrund.
Der Meister hebt die Faust mit angewinkeltem Arm und pumpt dreimal in die Luft. Sein Gesicht bleibt dabei so ausdruckslos wie seine Stimme.

»Sieg, Triumph, Vernichtung. Macht den Wein auf und holt die Lautenspieler aus den Löchern. Aber vorher schließt das Portal.«

Tyrael bewegt wortlos die Hand und das blaue Glühen hinter uns verschwindet. Die beiden alten Männer überschlagen sich mit Gratulationen. Der Meister lässt sie kurz mit dünnem Lächeln gewähren, dann wird er ernst.

»Vielen Dank euch, aber ich bin irgendwie nicht in Feierlaune ...«

Er erzählt ihnen von dem Treffen mit Belial. Überraschenderweise lässt er dabei kein Detail aus, bittet mich sogar gelegentlich, mit meiner exakten Erinnerung nachzuhelfen. Das verpasst auch unseren Verbündeten einen leichten Dämpfer. Bis Deckard wieder ein warmes Lächeln findet.

»Ich würde seinen Aussagen nicht allzu viel Beachtung schenken, General. Zumindest noch nicht. Dies ist nun wirklich eine Zeit, sich zu freuen.
Und er ist der Herr der Lügen.«

»Er ist mir zu oft zu ehrlich, um einfach Alles abzutun. He, Tyrael! Sag auch mal was. Könntest du mir denn garantieren, dass ich nicht in der Hölle lande, wenn ich sterbe? So als kleiner Bonus für, ich weiß nicht, das Ausschalten von jetzt schon mehr als der Hälfte eurer größten Feinde aller Zeiten?«

Der Erzengel schweigt kurz - zu lange, als dass ich nicht schon weiß, was er sagen wird.

[»Ich bin nicht auf offizieller Mission des Himmels hier, wie Ihr wisst. Ich kann Euch Nichts garantieren.«]

»Ein gutes Wort einlegen?«

[»Vielleicht.«]

Der Meister schließt die Augen und atmet zweimal tief durch.

»Weißt du was? Ihr verdammte Bande geht mir ganz und gar tierisch auf den Senkel. Kennst du einen Kerl namens Hadriel?«

[»Ja.«]

»Der ist ein nutzloser, unfähiger Idiot. Würde mich nicht wundern, wenn ihr geschlossen gegen die Hölle verliert, weil der Himmel die ganze Zeit damit beschäftigt ist, in der Nase zu bohren! Belial hat schon Recht, die da unten halten sich nicht an die Regeln, deshalb müssen wir unsere Suppe selbst auslöffeln! Ich gewinne diesen Krieg eigenhändig für euch, und deine Aussicht auf Belohnung ist ein 'wir können vielleicht mal darüber reden'?«

[»General, es gibt keinen Grund, sich vor dem Tod zu fürchten. Das liegt Euch so gar nicht.«]

Das war die ganz falsche Aussage. Der Meister explodiert, und ich bin langsam auch nicht mehr wirklich gewillt, Tyrael seine Masche durchgehen zu lassen.

»Darum geht es mir ganz und gar nicht, Federhirn! Du merkst nicht mal Ansatzweise, worum es mir überhaupt geht, oder?«

[»Legitimation deiner Mission?«]

»Ein Danke wäre ein Anfang! Belial hat sich mehr gefreut, dass Diablo gefallen ist, als du!«

Tyrael verschränkt die Arme.

[»Ich sehe keinen Grund, meine ... Emotionen einem Übel der Hölle anpassen zu müssen. Zumal Eure Mission noch nicht erfüllt ist.«]

Der Meister ist sprachlos. Er steht tatsächlich kurz mit offenem Mund da. Deckard hebt eine Hand.

»Tyrael ...«

»Moment Mal, Moment Mal. Willst du mir sagen, dass du mir vielleicht mit einem 'gut gemacht, war in Ordnung' auf die Schulter klopfst, wenn ich Baal auch noch erledige?«

Das zwischen zusammengepressten Zähnen. Der Erzengel ... ist immer noch völlig blind dafür, was in dem Menschen vor ihm gerade vorgeht.

[»Er ist irgendwo auf Sanktuario und plant etwas, das nicht gut sein kann. Dieser Krieg ist nicht gewonnen, wenn er nicht gefunden wird. Ich denke, er wird sich auf den Norden konzentrieren; da solltet Ihr Eure Suche beginnen.«]

Der Meister verliert jeden Ausdruck. Ich kenne das. Er ist jenseits von wütend. Von ihm geht eisigste Abscheu aus. Und ... ich finde das völlig gerechtfertigt.

»Nein, Tyrael. Ich gehe garantiert nicht nach Norden. Ich mache garantiert nicht, was du von mir willst.«

[»General, ihr müsst ...«]

»Du hast gerade gesagt, dass du mir nicht einmal Dank schuldest. Was schulde ich dir? Diesen hier.«

Er zeigt dem Erzengel seinen Mittelfinger.

[»Werdet nicht überheblich. Baal wird diese Welt zerstören, wenn Ihr nicht ... «]

»Welchen Teil von fick dich hast du nicht verstanden?«

Der Meister dreht sich um und geht zum Wegpunkt.

»Ich verschwinde von hier. Zunächst nach Kurast, wo die Leute wenigstens wissen, was Dankbarkeit bedeutet, und dann gehe ich meinen eigenen Weg. Vielleicht sollte ich wirklich auf Belial hören und mit meinem Leben machen, was ich will. Selbst herausfinden, wie ich der Hölle entkommen. Hier bekommt man ja keine Hilfe.«

[»Golem ... du musst ihn umstimmen!«]

Schon halb auf dem Weg zum Teleportstein drehe ich meinen Kopf noch einmal nach hinten.

»Wir sind beides keine Menschen, Tyrael. Aber was das Verständnis ihrer Natur angeht, habe ich dir so viel voraus, dass es schon traurig ist. Du hast den Meister gehört.«

Und so sieht Tyrael als letztes meinen Mittelfinger, als der Meister und ich zeitgleich in freundlichere Gefilde verschwinden, die ekelhafte Sterilität der Festung für immer hinter uns lassend.

In Kurast ist es gerade Nacht; ohne Jemanden zu stören, schleichen wir zu unserer Hütte, die offenbar noch keinen neuen Bewohner gefunden hat. Wir waren ja nicht lange weg, kam mir nur vor wie eine Ewigkeit. Der Meister seufzt und beginnt, sich auszuziehen.

»Wer hätte gedacht, dass mir Tyrael den Sieg noch madiger machen kann als Belial?«

»Ich fühle mit dir. Was hast du jetzt vor?«

»Weiß nicht so Recht. Ein wenig bin ich ja schon beunruhigt wegen dem ...«

Er hat seinen Oberkörper entblößt, und mir fährt ein eisiger Dolch ins Herz als ich sehe, was darauf prangt.

»General ... ich würde mich an deiner Stelle vorsichtig dem Spiegel zuwenden ...«

Überrascht von meiner Unterbrechung hebt er die Augenbraue, dann tut er wie geheißen.
Seinen Schreck sehe ich auch von hinten glasklar.
Als Belial ihn schon einmal fast an seine Seite gezogen hätte, wollte er ihm ein Pentagramm in die Brust ritzen. Nur zwei Schnitte davon sind als Narben zurückgeblieben.
Nun ist es vollständig.
Es klopft an der Tür.
Der Meister fährt herum, sein Gesicht noch weitaus blasser als sonst. Sein Blick fährt durch den Raum, schnell packe ich sein Hemd, das auf dem Bett liegt und werfe es ihm zu. Er verheddert sich darin, während ich betont langsam die Tür öffne. Deckard steht vor ihr.

»Darf ich hereinkommen?«

»Sicher. Einen Moment ...«

Ein Blick nach hinten verrät mir, dass der Meister zumindest die Schlacht gegen das Textil gewonnen hat. Ich biete dem Horadrim-Weisen einen Stuhl an.

»Danke, Golem. Hört zu, General ... ich habe mit Tyrael gesprochen. Er ist beleidigt. Versteht nicht, was Euer Problem ist, hält Euch für ein stures Kind.«

Dafür hat der Meister nur ein Schnauben übrig. Der Schreck von gerade weicht neuem Zorn.

»Verstehst du mich denn, Deckard?«

»Die Stärke Eurer Reaktion vielleicht nicht ... aber den Grund Eurer ... Irritation, ja. Werdet Ihr wirklich wegen dieser Sache den Kampf gegen das Böse aufgeben? Ihr seid die größte Hoffnung auf den endgültigen Sieg, den die Menschheit hat, jetzt mehr denn je.«

Ein tiefes Seufzen.

»Verstehe ich schon. Nein, ich denke nicht, dass ich einfach so aufgeben werde. Aber Deckard ... ein wenig hat mich Belial schon zum Nachdenken gebracht. Ich kann jetzt nicht mir nichts dir nichts weitermachen. Brauche etwas Zeit für mich. Muss überlegen. Und verstehen.«

Deckard nickt.

»Ich werde mit Tyrael reden, versuchen, ihn dazu zu bringen, Eure Position zu verstehen. Darf ich ihm sagen, dass Ihr Eure Mission nicht vorhabt aufzugeben?«

»Bloß nicht sofort. Lass ihn zappeln. Handel was heraus, wenn es irgendwie geht. Ich bin offenbar Belials Rückversicherung. Der Himmel soll mir gefälligst auch eine geben.«

»In Ordnung. Denkt daran, ich bin immer auf deiner Seite.«

Der Meister legt ihm eine Hand auf die Schulter.

»Und dafür bin ich sehr dankbar, das weißt du hoffentlich.«

»Ja, das weiß ich. Auch ohne, dass Ihr mir es ständig sagt. Nicht so sehr wie ich Euch dankbar bin für all das, was Ihr getan habt.«

»Ach, nicht das wieder.«

Er schlägt die Hand vor den Mund.

»Verdammt, ich habe mich noch gar nicht von Tenarion verabschiedet, fällt mir gerade siedenheiß ein.«

»Hm ... wie wäre es, wenn ich Tyrael vorschlage, ein Treffen zu arrangieren? Je nachdem, was sich so an Möglichkeiten ergibt, muss es ja kein endgültiger Abschied sein. Das wäre doch ein nettes Angebot, mit dem er einen Teil seiner ... Unhöflichkeit wieder gutmachen könnte?«

Deckard zeigt seine Stärke als erfahrener Diplomat. Der Meister nickt.

»Das wäre doch ein Anfang, ja.«

»Dann trage ich das an ihn heran. Darf ich denn auch fragen, was Ihr jetzt plant?«

»Nahe Zukunft? Eine Mütze Schlaf. Und Morgen wird gefeiert, ich denke, dann ist mein Kopf klar genug, sich doch einmal zu freuen. Und die Kuraster haben sicher Nichts gegen zwei gute Nachrichten in kurzer Folge. Ich glaube auch, ich mache einmal etwas, was ich noch nie getan habe, und betrinke mich so richtig dreckig.«

Der alte Mann verzieht sein Gesicht.

»Das ist aber keine gute Methode, um mit unliebsamen Erinnerungen umzugehen.«

»Keine Sorge, Deckard, ich bin mir wohl bewusst dass aller Alkohol der Welt nicht fähig wäre, auszulöschen, was ich schon erlebt habe. Die kurze Ablenkung erlaube ich mir aber. Denn danach bricht wohl wieder eine Zeit der Askese an.«

»Warum das?«

Der Blick des Meisters schweift in weite Ferne.

»Ich möchte mehr über mich wissen. Über meine Fähigkeiten. Und ... über den Tod. Es gibt noch viele andere Totenbeschwörer auf Sanktuario; von ihnen will ich lernen.«

»Beim ... Kult von Rathma selbst?«

»Wenn ich sie finde.«

Deckard blickt kurz zu Boden.

»Ich könnte Euch dabei helfen.«

Das lässt dein Meister sein erstes echtes Lächeln seit einer Weile auf dem Gesicht erscheinen.

»Dann reden wir Morgen ... oder lieber Übermorgen ... noch einmal darüber. Jetzt will ich nur schlafen.«

»Ich freue mich auf weitere Gespräche. Ruht; Ihr habt schon jetzt alle Ruhe der Welt verdient.«

Nachdem Deckard gegangen ist, lässt sich der Meister schwer auf das Bett fallen. Kurz darauf gräbt es sich aus seinem dreckigem Hemd und befingert die Narben an seiner Brust.

»Bist du dabei, Golem?«

»Was ist das für eine Frage? Bis zum Ende und weiter.«

Sein Grinsen wärmt mein Herz wieder.

»Was würde ich nur ohne dich machen ... ich denke, das Erste, was wir machen, wenn wir die anderen Nekromanten gefunden haben, ist an deinem Problem arbeiten.«

»Was meinst du damit?«

Er setzt sich auf.

»Na, dein unfreiwilliger Mitbewohner.«

»Oh.«

»Wenn Ihr die Frage erlaubt, wie darf ich das verstehen, Meister?«

Er legt sich wieder auf den Rücken.

»Das werden wir sehen. Aber ich möchte dich nicht auslöschen, keine Sorge. Das wäre ... nicht richtig. Vielleicht ... eine Trennung, in zwei Körper, wenn ich das hinkriege?«

»Das würde mich sehr freuen, Meister.«

Ich bin still.

»Und dich, Golem?«

Die Sekunden, die ich brauche, um auf die richtige Antwort zu kommen, ziehen sich. Wird sie noch einmal wichtig sein? Das werden wir sehen, in der Tat. Bis dahin sollte ich mir vielleicht überlegen, was sie ist.

Denn ich weiß es wirklich nicht.


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