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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 5 - Trang Ouls Triumph

Kapitel 18 - der erste Anstieg

Es wird Zeit.

Du wirst mir noch fünf Minuten gestatten.

"Die Wunde ist leider wieder aufgegangen", erkläre ich ruhig. "Aber das haben wir gleich."
Der Barbar, der gerade unter Schmerzen aufgewacht ist, nickt stoisch. Mit der Erfahrung allein dieser Nacht ist es für mich ein Kinderspiel, den frischen Verband zu greifen, mit meinen warmen Feuerhänden derweil seine Adern abzudrücken, und an der richtigen Stelle neuen Stoff zu wickeln. Dass ich dafür eine dritte Hand wachsen lassen kann, hilft natürlich ungemein.
Malah schläft seit Stunden. Zuerst war sie skeptisch, aber sie hat schnell erkannt, wie wertvoll ein unermüdlicher Helfer mit übermenschlicher Geschicklichkeit in einem Feldspital sein kann; wir haben mehr Verwundete versorgt, als sie alleine in einer Woche schaffen könnte. Die Kenntnisse des Zweiten über Medizin und Anatomie - ich möchte, so dankbar ich bin, nicht wissen, wie er sie erlangt hat - und die Erfahrung der Heilerin haben sich ausgezeichnet ergänzt. Dass ich keinen Schlaf brauche, hat sich ebenfalls sehr ausgezahlt. Hier zu helfen hat mir ein warmes Gefühl tiefster Zufriedenheit gegeben, das ich lange nicht mehr hatte; mit Blut und Schmerzen kann ich problemlos umgehen, und es ist so schön, einmal für weniger davon zu sorgen statt sie immer nur vermehren zu müssen. Außerdem musste ich die ganze Nacht nicht darüber nachdenken, dass der Meister immer mehr seiner Menschlichkeit verliert, und nichts dagegen zu tun wollen scheint.
Jetzt habe ich doch wieder darüber nachgedacht. Aber...der Zweite hat Recht, und schon spüre ich wieder den Zug des Befehls, das über meinem Kopf hängende Schwert der Schmerzen, die mich foltern werden, bis ich gehorche. Hastig verabschiede ich mich mit ein paar hohlen Worten, von denen ich hoffe, dass sie aufmunternd genug sind, und laufe durch die dunklen Straßen von Harrogath. Grüppchen von weiblichen, jungen und greisen Barbaren mit Fackeln unternehmen Kontrollgänge, sodass es viel belebter ist, als es um diese Zeit normal wäre; jene, die nicht kämpfen können, tun ihren Teil um die zu schützen, die sich für die Schlacht morgen ausruhen.

Wenn wir unsere Sache gut machen, wird es keine Schlacht geben.

Ich schlüpfe in unser zeitweiliges Heim, erhelle den Raum mit meiner Präsenz. Für einen Moment schockt mich das Bild, das sich mir bietet: Der Meister liegt wie aufgebahrt in voller Rüstung auf dem Bett, keine Decke über sich, die behandschuhten Hände gefaltet.
"General?", hauche ich.
Sofort setzt er sich auf. "Guten Morgen, Dorelem. Es ist also so weit?"
"In etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang, ja. Du schläft in der Rüstung?"
"Offensichtlich." Sein Ton sagt mir, dass er dazu nicht mehr zu sagen hat.
Hilflos hebe ich die Arme zum Himmel. Er ignoriert mich und nimmt einen Schluck Wasser. "Warte draußen. Ich bin in fünf Minuten fertig."
Muss er das fürchterliche Set doch für eine kurze Weile loswerden, um sich zu waschen? Warum will er nicht, dass ich dabei bin? Aber meine Fragen werden sicher wieder auf taube Ohren stoßen...soll ich ihn einfach hereinplatzen, wenn er doch einmal aus seinem goldenen Käfig entkommen ist?

Natürlich. Er wird besonders redebereit sein, wenn du ihn in Unterhosen überrascht.

Hoffnungslos...

Nach fünf Minuten und zehn Sekunden steht er auf der Straße. Wir machen uns auf den Weg.
Als wir nur noch einen Häuserblock von der Stadtmauer entfernt sind, hebt der Meister die Hand und wir halten an.
"Ein wenig Fackelschein auf den Straßen ist ja nichts Ungewöhnliches, aber jetzt wirst du mir zu hell", sagt er zu mir.
"Was meinst du damit?"
"Sie werden sicher nicht das Stadttor nur für mich aufmachen", antwortet er. "Darum schleiche ich mich über die Mauer. Wenn ich drüben bin, rufe ich dich wieder."
Mein Blick wandert zu den hohen Steinwällen. "Wie willst du das denn hinkriegen?"
"Wachturm hoch, Knochenrüstung an, springen. Alles geplant und durchdacht. Bis gleich."
Bevor ich irgendetwas sagen kann, bin ich weg. Nach unendlich langer und unbemerkbar kurzer Schwärze stehe ich plötzlich meterweit vor den Toren Harrogaths. Die Armee ist um ein Skelett verringert, ansonsten vollständig. Die Stadt ist still.
"Willkommen zurück. Deine Rolle beim Erstürmen des Vorgebirges ist klar?"
"...ja", antworte ich zögerlich. "Alles in Ordnung bei dir?"
"Warum sollte es das nicht sein? Geh vor, die Armee ist direkt hinter dir und ich kümmer mich schon darum, dass die Geschosse hinfallen, wo ich nicht bin."
Dem Befehl kann ich mich nicht verweigern und schreite brüsken Schrittes los. Der Meister folgt...und schafft es nicht ganz, ein Humpeln zu verhindern. Ja, die Teile von Trang-Ouls Avatar scheinen ihm gewaltige Macht zu verleihen. Aber er überschätzt sich, wie damals, als der die Haut des Vipernmagiers bekam; das kostete Pratham das Leben. Heute steht nur sein eigenes auf dem Spiel...aber ist das nicht auch irgendwie schlimmer? Die Gegend hier ist ganz offensichtlich schon immer rau gewesen, aber der nur wenige Wochen dauernde Krieg hat bereits so viele Spuren hinterlassen, dass es unmöglich zu sagen ist, was hier noch ist wie immer. Der Anstieg ist nicht steil; oft flacht das Gebiet sogar komplett ab, formt eine flache Ebene ohne viel Vegetation. Nur magere Büsche, mit viel Glück, halten sich hier und dort noch, trotzen wie die menschlichen Einwohner dieser Gegend auch den Widrigkeiten der Witterung und dem Wüten der Dämonen. Diese haben jeden Zentimeter, der ihnen dafür als nützlich erschien, befestigt; Gräben noch und nöcher durchziehen in scheinbar zufälliger Anordnung jede halbwegs flache und einige zu steil wirkende Stellen, mit kruden Holzbrücken darüber, oder auch nicht, manchmal sind angespitzte Pfähle unten, manchmal die Wände mit Brettern verstärkt, manchmal mit Steinen, oft mit nichts, und teils sind sie schon wieder eingestürzt. Es ist ein fürchterliches Chaos, das gerade deswegen beeindruckend wirkt, weil es den Horden Baals offenbar völlig egal ist, ob ihre eigenen Leute die Befestigungen überhaupt nutzen können; es hält die Barbaren von unten auf, verlangsamt ihren Ansturm, das genügt. Derweil können die Katapulte von oben Verderben regnen. Überall liegen Leichen, menschliche wie dämonische; es ist schwer zu sagen, von welchen es mehr sind. Gehört dieser groteske Fleischhaufen zu einem einzelnen mächtigen Dämon, oder sind mehrere von ihnen gleichzeitig ins Kreuzfeuer ihrer eigenen Kriegsmaschinen geraten? Ich beschäftige mich nicht zu lange mit der Frage. Der Meister ersetzt sein fehlendes Skelett, sicher auch ohne mit der Wimper zu zucken. Wir sind hier, um all das zu beenden, sage ich mir immer wieder.
Wie lange, bis sie unsere Gegenwart bemerken? Ich und die Skelettmagier, weit entfernt vom Standpunkt des Meisters, strahlen hell genug. Nervös blicke ich immer wieder gen Himmel, wo die Sterne nicht hinter den Schneewolken hervorfunkeln können, wann die erste Kugel aus Feuer oder Gift herabstürzt.
Ich teste gerade eine Brücke auf Festigkeit, bin dabei mich zu entscheiden, ob sie glitschig ist oder nicht für jemanden ohne Feuerfüße, da bemerke ich die Bewegung. Ein Rascheln dringt zeitgleich an meine metaphorisch gespitzten Ohren. Bevor da jemand denkt, mich überraschen zu können, forme ich einen Feuerball in meiner Linken und werfe ihn in die tanzenden Schatten hinein, die mein eigenes Licht erzeugt.
Ein Schrei ertönt, weitere gesellen sich hinzu, und in Augenblicken erfüllt Chaos die Nacht. Von hinten höre ich noch mehr Bewegung; wollten sie uns in die Zange nehmen? Zu schade, dass dort hinten der Hauptteil unserer Armee ist. Hier...bin nur ich.
Und da sehe ich sie schon heranstürmen. Die Dämonen sind kleine, gedrungene Wesen, die im schlechten Licht die Farbe heller Erde haben. Sie besitzen eine harte Haut, fast ein Panzer, im Rücken zu niedrigen Dornen gewölbt; ihr Gesicht ist wie aus Lehm halb geformt, dann als gut genug befunden und zum Trocknen in einen Sandsturm gestellt. Die groben Züge scheinen in einer ewigen Grimasse von blinder Wut gefangen zu sein. In den aufgedunsenen Händen halten sie primitive Waffen, zumeist nur Keulen aus Holz und ab und zu Stein, manche scheinen sich Äxte und Beile von gefallenen Barbaren geholt zu haben, wobei ihnen Schwerter oder gar Sensen wohl zu schwierig zu führen waren. Sie stürmen auf mich zu, über die Brücke, ohne Sinn und Verstand; einer wirft den anderen sogar in den Graben hinein, so gierig sind sie darauf, ihre Waffen in mich zu versenken.
Der erste führt einen mächtigen Überkopfschlag, schneller als ich dachte, aber dennoch nicht ansatzweise schnell genug für mich. Ein halber Schritt zur Seite, meine Feuerfaust fährt auf seinen Schädel herab. Er geht in die Knie - aber ist nicht besiegt. Bevor ich das ändern kann, springt ein zweiter auf den Rücken seines Kameraden, reißt seine Axt hoch in die Luft, versucht, mich mit voller Wucht anzuspringen - ich hämmere ihn in die Seite, sein eigener Schwung trägt ihn nach unten, wo der vorhin gefallene Kollege sich gerade erst aufgerappelt hat. So kann ich mich wieder dem ersten stellen, der seine Waffe wieder ergriffen hat, aber zu spät; Zweiter, schnell, was tun wir?

Der Bauch scheint weniger geschützt, sonst könnte er sich nicht so weit aufbäumen. Feuerlanze, mitten hinein.

Dreckig. Aber effektiv. Ich ramme ihm meinen Arm bis zum Ellenbogen in die Seite, und Rauch dringt aus seiner Kehle; er vergeht. Meine Finger spreizen sich in ihm, unnatürlich lang, und ich schwinge seine Leiche wie einen Morgenstern, Stacheln inbegriffen, um einem weiteren von ihnen den letzten Kinnhaken seines Lebens zu verpassen.
Da reißt ein Seil und die schwache Brücke mich mit ihn den Graben. Plötzlich bin ich unter dreien von ihnen. Aber ich habe keine Knöchel, die ich mir verstauchen kann, und was gerade noch Rücken war, auf dem ich landete, ist nun schon wieder Bein. Ich mache einen Arm zum Schwert, führe eine hauchdünne und weißglühende Klinge über den ledrigen Hals des nächsten, und dunkles Dämonenblut spritzt zur Belohnung auf mich; es verdampft.
Bevor ich mich den anderen widmen kann, zerreißt es die frische Leiche, und es ist Ruhe.
"Keine Probleme, Dorelem?", ruft der Meister. "Nicht ein bisschen!", antworte ich. Ich will nicht überheblich sein, aber auch in Massen sollten diese...

Baal gibt seinen Fußtruppen keine bestimmten Namen. Es sind einfach nur seine Sklaven.

...Krötensklaven, also, beherrschbar sein. Sicher wären sie dies aber auch für die Barbarenstreitkräfte. Also welche schlimmeren Baalstruppen warten noch auf uns? Es wird immer klarer, wie närrisch es von Qua-Kehk war, nicht mehr ins Detail zu gehen.
Ich hieve mich aus dem Graben, bemerke dann aber, dass die nächste Brücke nicht in Sicht ist.
"Wie kommst du jetzt rüber?", rufe ich dem Meister zu. Er winkt ab, hebt seine Hand, und aus dem Boden wächst eine solide Wand aus leicht durchscheinenden Knochen. Ohne Eile schreitet er hinüber, während hinter ihm das geisterhafte Material schon wieder zerfällt.
"Na los, weiter!", spornt er mich an. Ich zucke mit den Schultern und laufe vor.

Nach links!

Natürlich war es genau in diesem Moment der Unaufmerksamkeit, als die Katapulte das Feuern begannen! Nur knapp rechts von mir, weil ich reflexhaft auf die Warnung des Zweiten reagiere, landet eine Kugel aus waberndem bläulichen Material; als sie zerplatzt, dringen daraus tanzende Kugelblitze, von denen mich manche treffen, weh tun, aber dauerhaft nur meinen Stolz verletzen.

Das war ein kurzer Flug.

Der Hügel da hinten?

Nachsehen kostet nichts. Wir führen die Prozession.

Ein Wink von mir macht die Richtung klar, dann mache ich mich daran, die schnellste Route über die künstlich zerklüftete Landschaft zu planen. Nun, wenn der Meister die Gräben ignorieren kann, dann kann ich das auch. Ich springe in eine Grube hinab.
Unten sehe ich sofort wieder nach oben. Tatsächlich - ein weiteres Katapultgeschoss. Ich rolle mich zur Seite, und die Feuerkugel zerplatzt weit entfernt. Dabei erhellt sie jedoch eine Ecke, in die mein Licht bisher nur schwach vorgedrungen ist. Und darin sehe ich meine nächsten Gegner. Im Gegensatz zu den bulligen Sklaven sind diese groß und schlaksig, die Haut ähnlich gefärbt wie die Erdwände hinter ihnen, nur spitze weiße Zähne in lippenlosem Mund grinsen leuchtend hervor. Auch sie sind ledrig wie Echsen, mit einer harten Schale wie Rüstung an strategischen Stellen. Knochenweiße Stacheln dringen aus ihrem Buckel hervor. Der, der mir am nächsten ist, bewegt sich nicht, und als der Lichtblitz der Feuerkugel verglimmt, bleibt nur sein hässliches Grinsen noch klar sichtbar.

Was machen die hinter ihm? Gib Feuer!

Ich tue instinktiv etwas, das wie das Anspannen von Muskeln ist, die ich nicht habe. Es ist anstrengend und ich kann es nicht zu lange aufrecht erhalten, für den Moment aber genügt es: mein Körper erhitzt sich, die Flamme wird heller und das Bild vor mir klarer.
Die Dämonen in den hinteren Reihen haben ihre Arme in den Boden gebohrt. Das verrät zumindest eine gewisse Kraft, ist die Erde doch hier überall gefroren. Aber warum...

Nicht blöde Fragen stellen, ausweichen!

Diesmal kommt der Zweite zu spät, und ich bemerke auch erst im letzten Moment, wie die Erde vor mir aufgeworfen wird, als etwas unter ihr rapide auf mich zu kommt.
Vier Spitzen schießen von unter mir hoch und durchbohren mich bis auf Schulterhöhe.

Oh diese Bastarde, mitten durch die Weichteile!

Aus den Löchern in der dünnen Schicht reiner Willenskraft, die mich zusammenhält, lodern Flammen mehrere zehn Zentimeter weit. Das ist wohl das einzige, was mich rettet. Die Tentakel, denn das sind sie, grotesk verlängerte Gliedmaßen der Dämonen vor mir, zucken zurück, fahren wieder in den Boden, und ihre Besitzer schreien vor Schmerzen. Ich breche zusammen, schrumpfe im Volumen, als ich hektisch versuche, meinen Körper an der Desintegration zu hindern; krampfhaft klammere ich mich an die humanoide Form, um zumindest diese Konstante zu haben, während ich die Explosion zurückhalte, die aus mir hervorzubrodeln droht. Mit größter Mühe hebe ich mich auf ein Knie, mit der Faust gegen den Boden gestemmt...

Oh-oh.

Der Anführer der Gegner steht immer noch ruhig da, grinst mich an...aber diesmal hat er den Arm erhoben. Er endet in einer grausamen Spitze aus immer kleiner werdenden Schuppen, die kegelförmig zulaufen. Diese ist genau dahin gerichtet, wo meine Augen wären, wenn ich welche hätte.
Eine halbe Sekunde später sind diese Spitzen ein gutes Stück vor meiner hinteren Schädeldecke. Ich hoffe, dass ihm meine Explosion wenigstens ordentlich weh tut.

Als ich wiederkomme, befinde ich mich in einem Schlachtfeld. Links von mir landet eine Kugel aus magischem Eis, die einen Nebel aus Frost freigibt, der mich sofort einhüllt. Bis in den Kern durchzieht mich der Frost und verlangsamt all meine Bewegungen. Als wäre ich in dicken Pudding gehüllt, versuche ich, aus der sich träge ausbreitenden Wolke zu entkommen. Ich sehe, wie der Meister mit raschen Gesten in alle Richtungen Zauber wirft; die Armtentakel eines der Monster prallen vom Boden ab, als es den Schwächen-Fluch erhält. Eine Knochenwand schießt vor ihm in die Höhe, und mehrere Sklaven rennen mit voller Wucht dagegen, kommen nicht zu ihm durch. Mehrere Explosionen detonieren an verschiedenen Stellen. Skelette springen über die frische Mauer, stürzen sich auf die Gegner dahinter. Über der dunkelgoldenen Rüstung des Meisters schimmert geisterhaft eine aus Knochen. Sein Schild fährt nach oben; eine Giftkugel zerplatzt daran, die tödlichen Schwaden wabern daran herunter, er nimmt einen tiefen Atemzug, bevor sie ihn erreichen.
"Da oben auf der Kuppe, verdammt! Brenn es nieder!", schreit er. Mein Blick folgt seiner deutenden Hand: Da ist es, von meinem frischen Feuerschein erleuchtet: ein Katapult, schnell aus unbehandelten Holzteilen zusammengebaut, nur die Schale, von der die teuflischen Geschosse nach oben geworfen werden, ist blitzblank poliert. Und vorne an der Kriegsmaschine ist ein geschnitztes Gesicht, grobe Züge grotesk verzerrt, nur noch vage menschlich, als wäre die Haut nach hinten gezogen worden und zu wilden Fleischhaaren geformt worden. Und doch...kommt es mir vage bekannt vor.

Tal Rasha.

Du meinst, das ist Baal?

Sind seine Truppen.

Dann lass uns ihm persönlich ins Gesicht schlagen. Ich springe über eine Holzmauer hinweg, schwinge mich an einem angespitzten Pfahl nach unten und lande vor einem verdutzten Dämon, einem wie die, die mich vorhin vernichtet haben. Meine Faust landet auf seiner flachen Nase, und sein Kopf schnappt mit einem befriedigenden Knacken zurück. Noch einmal überrascht ihr mich nicht! Zwei weitere rammen ihre Hände in den Boden, die Verwerfungen kommen auf mich zu. Mein Arm schießt hoch, ein Feuerball daraus lässt einen der beiden zurückstolpern, weil seine Arme noch im Boden sind, fällt er hin. Die Tentakel des anderen erreichen mich, aber ich bin schon weg, laufe auf ihn zu; schon hat er sich entschieden, wo er seine Spitzen nach oben fahren lassen will, zu weit hinter mir. Er stirbt schnell. Seine Leiche bleibt aufrecht, verankert, ich springe auf seine Schultern, von da aus weiter und lande auf dem Plateau, wo das Katapult steht. Gerade sehe ich noch, wie komplett aus dem Nichts eine Blitzkugel auf der Wurfschale erscheint; dann ramme ich mit aller Gewalt meine Faust in Baals Gesicht.
Die Maschine geht in Flammen auf, die aus ihrem eigenen Inneren kommen. Innerhalb von Sekunden ist nichts mehr davon übrig, keine Wurfschale, kein Schnitzwerk.
Mehr Detonationen, dann für einen Moment Stille.
"Sehr gut, Dorelem! Gleich weiter!", tönt der Meister. Ich springe seitlich herab und suche mir neue Ziele. Es gibt noch viel mehr Katapulte; wollen wir sie alle zerstören, oder möglichst schnell das Vorgebirge erklimmen? Die Frage gebe ich an den weiter, der hier die Entscheidungen trifft.
"Nach oben! Die Dinger können sie nicht umdrehen!"

Also weiter. Nächster Teil der Strecke - Zweiter?

Ich bilde mir ein, dass wir nach links müssen. Es gibt auf halber Strecke einen Pass, der führt an einem Massiv vorbei, das der Armee zu steil sein wird.

Mit dieser Information ändere ich meine Pläne leicht, winke die Armee auf neuen Kurs. Mein geschlagener Haken zahlt sich sofort aus, als mehrere Geschosse gleichzeitig niederkrachen, wohin ich gerade noch gehen wollte. Verdammt noch mal, wo kamen die denn jetzt her?

Die Wolken sind hier zu niedrig - oder besser, wir sind zu hoch. Sie schießen da rein, und ich seh sie nicht kommen!

Gib dir mehr Mühe, ich bin hier für die Improvisation zuständig, du machst die Frühwarnung! Hinein in die Gruben, da können sie mich schlechter treffen! Dennoch versuchen sie es, wie auch immer die unbeweglichen Katapulte ohne Mannschaft zielen. Die Feuerkugeln explodieren nur kurz, das wollen sie nicht. Eis- und Giftwolken wabern durch die engen Gänge, oft genug muss ich aus den für mich nicht mehr erträglichen Bedingungen fliehen...aber nie nach hinten. Die Barbaren wären stolz auf mich. Unter mir ersticken Dämonen an den Gasen ihrer eigenen Kriegsmaschinen.
Und dann schneiden Skelette hindurch, töten wen noch steht, völlig unbeeindruckt von Gift und Eis. Die Armee ist durch meine Ablenkung nicht völlig sicher vor dem Regen der Elemente, aber sie müssen sich entscheiden, wo sie fallen wollen. Nahezu gar nicht auf den Meister, der quasi unsichtbar von Kampfherd zu Kampfherd huscht, die Gegner mit Flüchen aufleuchten lässt, die Feuerkugeln durch Kadaverexplosionen vor Neid erblassen lässt. Seine Knochenwände trennen massierte Sklavenfronten, er sperrt die Tentakeldämonen in Gefängnisse ein und röstet sie dann mit einem Inferno. Nie fällt das Licht direkt auf ihn, und Baals Horden verlieren mehr von ihren Leuten durch eigenes Feuer, als sie an schnell wieder ersetzten Skeletten erwischen.
Aber sein müheloses Umgehen mit dem Feind bringt mir nicht viel. Gerade bin ich exponiert - keine Deckung weit und breit. Von links laufen Sklaven heran, und rechts stehen die anderen mit ihren Tentakelarmen...wenn ich auf die zulaufe, machen sie Schaschlik aus mir, so viele kann ich nicht gleichzeitig dazu bringen, vorbei zu zielen.
Also...die andere Richtung. Ich sprinte den Keulenschwingern entgegen, welche mich nur zu enthusiastisch begrüßen wollen. Die ersten von ihnen schwingen niedrig, ich springe darüber, auf ihre stachligen Rücken und weiter, mitten unter sie. Jetzt schwingt doch eure Knüppel!

Ob sie es wirklich interessieren wird, dass sie ihre eigenen Leute treffen könnten?

Als Antwort hebt sich einer von ihnen vom Boden weg, gurgelnd, weil Tentakel ihn von unten aufgespießt haben. Himmel.

Mitleid mit dem?

Mit den Barbaren, die an diesen Monstern gestorben sind! Das ist so...perfide.

Psychologisch sehr vernünftig vom lieben Herrn der Zerstörung...

Ich reiße Bäuche auf, drehe Hälse um und versuche, in Bewegung zu bleiben. Mehr als einmal erwischt mich eine Spitze, aber solange es nur kleinere Verletzungen meiner Hülle sind, ist das schnell behoben. Es tut auch kaum weh, rede ich mir ein. Hab schon Schlimmeres durchgestanden. Dem Himmel sei Dank, dass ich kein Blutgolem bin.
Bald sind keine Sklaven mehr übrig. Was schlecht ist, denn jetzt können die Pfähler besser zielen. Wie soll ich mit denen umgehen?

Bleib weg vom Boden.

Eine gute Idee, ich werde mir dann mal Flügel wachsen lassen.
Aber gut - ich lasse mir etwas einfallen. Schnell. Denn schon kommen die ersten Erdhügel auf mich zu. Ohne den Boden zu berühren...dann muss ich umdenken. Ich forme meinen Körper zu einer langen, dünnen Feuersäule und springe mit ihr nach vorne. Links und rechts von meiner neuen Form schießen die Spitzen der überraschten Gegner nach oben, aber ich winde mich um sie herum wie Wolle um Stricknadeln. Dann lande ich zwischen ihnen, schlinge einen eigenen Tentakel um den Hals eines der schlanken Monster, werfe ihn gegen einen anderen. Sie heben jetzt ihre Arme, wollen die beliebig ausfahrbaren Spitzen daran im Nahkampf benutzen. Ich weiß jetzt, wie schnell diese vorschießen, wenn der harte Boden sie nicht behindert; darum kommen sie auch fast sofort von unten hoch. Das heißt aber auch, dass...ich ziehe mein Gesicht auseinander, mache ein Loch in die Mitte. Und tatsächlich, ich habe die Flugbahn richtig vorausgesehen. Der Tentakel schießt widerstandslos durch mich hindurch, meine Hülle wird nicht beschädigt, und ein Brüllen von hinter mir verrät mir, dass der Gegner hinter mir erwartungsgemäß keine Chance mehr hatte, auszuweichen. Ich fahre herum, bevor er sich von der Überraschung der plötzlichen Schulterwunde erholen kann, und töte ihn. Da trifft meine eigene Schulter ein Schlag von hinten, weil einer der vorhin Umgeworfenen sich erholt hat. Ich stolpere nach vorne, bis mir einfällt, dass ich nicht auf meine Beine angewiesen bin. Stattdessen nutze ich den Schwung und packe einen dürren Ast ein paar Meter von mir entfernt - wer sagt, dass nur die ihre Arme verlängern dürfen? Ich ziehe mich hoch, lasse auf halber Höhe los und lande auf dem, der mich gerade verletzt hat.
Schon kommen mehr Gegner an, aber während meines Kampfes haben die Skelette aufgeholt. Verstärkter Schaden lässt die frischen Feinde erstrahlen, und als wäre das ein Signal gewesen, zerplatzt eine Feuerkugel zwischen ihnen.
"Lernt zielen!", rufe ich in die Ferne, und wie als Antwort landen zwei mehr direkt in meiner Nähe. Ich zucke kurz zusammen.

Es gibt nur den Weg nach vorne.

Dass ich in letzter Zeit immer weniger Wahl habe, gefällt mir immer weniger!

Linkes oder rechtes Katapult zuerst? Du darfst ganz frei entscheiden!

Na wunderbar. Sind sie etwa auf gleicher Höhe?

Gib mir noch einen Schuss...

Ich mache etwas langsamer, während der Zweite den Himmel beobachtet.

Nein, schneller!

Sofort springe ich nach vorne und rolle mich ab, dann muss ich erneut springen, um der Welle an heranrollenden Kugelblitzen entkommen.

Etwa gleiche Höhe, ja.

Wie findest du da heraus?

Die Wolken lichten sich langsam.

Wunderbar. Also ignorieren wir das rechte Katapult und kümmern uns gleich um das, was auf dem Weg zum Pass liegt.

Eine weitere Brücke wird von Sklaven bewacht, aber die ignoriere ich einfach. Statt mich ihnen zu stellen, hüpfe ich in den Graben, zwischen angspitzten Pfählen; das macht mir nichts aus, ich verlängere und verschlanke einfach meine Beine.
"Kommt doch!", rufe ich nach oben, aber sie zögern. Da fallen die Skelette über sie her. "Viel Spaß!", verabschiede ich mich, schlängle mich zwischen dem Holz hindurch und springe wieder nach oben. Eine schäbig aufgeworfene Erdtreppe später sehe ich das Katapult schon. Es ist nicht, wie ich erwartet hatte, auf einem Hügel etwas weiter hinten; sie haben es auf eine flachere Stelle gestellt, wohl, weil es ihnen zu viel Aufwand gewesen wäre, den Boden oben zu begradigen. Das macht die Sache natürlich leichter. Ich fließe niedrig um die Stützen herum, und zerschmettere es von unten, als wäre ich ein Pfähler. Kein Dämon in der Nähe, um mich zu stoppen; die Wachmannschaft ist vorgestürmt, um die Hauptarmee zu beschäftigen, mit erwartungsgemäßem Resultat.
Wo das Katapult restlos in Flammen verging, warte ich auf den Meister.
"Der Pfad wird enger da vorne", berichte ich. "Wir erreichen bald einen Pass an diesem Vorgebirge vorbei."
Er nickt. "Weiter vor. Es gibt keinen Grund, sich hier mit Kleinkram aufzuhalten. Durch die Bergflanke sollten wir für eine Weile sicher vor Beschuss sein, also bleib in meiner Nähe."
"Auf dem Hügel!", ruft der Zweite. Links über uns sind plötzlich Pfähler über der Kuppe erschienen. Ich weiß, wie weit ihre Tentakel reichen - und mit diesem Körper kann ich mich nicht schützend vor den Meister stellen!
Dessen Schädelhelm dreht sich leicht zur Seite. Fast unbeteiligt hebt er seine Hand, aus ihr löst sich ein Knochenspeer, wirft den führenden Dämon zurück, sodass er jetzt in einer Reihe mit den anderen steht. Blitzschnell wächst hinter ihnen eine Wand aus undurchdringlichem Gebeinwerk hoch. Sie drehen sich verwirrt um, dann verdeckt eine zweite Wand meinen Blick auf die Gegner.
Zwischen den Wänden schlagen Flammen hoch.
"Danke für die Warnung", sagt der Meister kühl.
Himmel. Er ist so stark geworden. Wie viel davon sind die paar Wochen Ausbildung bei den Totenbeschwörern, wie viel ist dem Trang-Oul Set zuzuschreiben?

Ist das nicht völlig egal?

Wenn er es einmal ablegt und dann entscheidend geschwächt ist?

Und, legt er es je ab?

Das bringt mich zum Schweigen. Ich marschiere im Tempo der Restarmee los, natürlich immer noch an der Spitze. Nach überschreiten weniger Befestigungen, die absolut kein Hindernis für uns darstellen, erreichen wir den Pass. Das erste Mal führt der Pfad aus natürlich gewachsenen Steinen uns für mehr als nur ein paar Meter abwärts, bald aber wieder von einem breiteren, von hier gut überschaubarem Abschnitt aus, wieder nach oben.
"Dass sie diesen Weg hier überhaupt nicht bewachen...", wundere ich mich laut. Der Meister bleibt stumm, aber ich sehe, wie seine Skelette etwas näher um ihn herum zusammenrücken.
Es wundert mich denn auch nicht wirklich, als sobald wir die Mitte der kleinen Ebene erreichen, tatsächlich etwas passiert. Was dies hingegen ist...mit dem Geräusch vieler kleiner Verpuffungen, wie platzende Schweineblasen, blühen Feuerkränze in einem groben Ring um die Armee herum auf. Im Zentrum jedes dieser sich rapide verziehenden Lichtblitze steht ein kleiner Dämon. Sie sind nicht viel größer als Schinder, jedoch mit viel längeren Gliedmaßen. Ihre Gesichter sind völlig falsch proportioniert: riesige Nasen, kleine Ohren, winzige Knopfäuglein unter überhängenden Stirnkämmen. Ihre Schädel sind kahl bis auf einen Haarkranz, der ihnen den schmächtigen Rücken hinabhängt und seitlich zu dreckig-weißen Zöpfen geflochten ist. Die über scheinbar direkt darunter liegende Knochen gespannte Haut ist dunkelgrün - bis auf die von einem, der einen hellen Erdton besitzt.
All diese Beobachtungen haben mich die halbe Sekunde zwischen ihrem Erscheinen und dem Zeitpunkt gekostet, wo alle ihre Arme vorstrecken. Zwischen den Spinnenfingern formen sich Feuertränen, die blitzschnell losfliegen. Um das erwartete orange-rote Glühen wabert eine bläuliche Aura, die mir in der kurzen Zeit, bevor mich der des Anführers in der Hüfte trifft, überhaupt nicht gefällt.
Als das Geschoss einschlägt, breitet sich sofort eine intensive Kälte in mir aus, wie vor Kurzem, als der Meister mir ein Kälteschwert in die Seite rammte. Meine reflexartig erhobene Hand fühlt sich an, als wäre sie in Gelee eingebettet.

Dann beweg sie nicht!

Ohne, dass er es aussprechen muss, verstehe ich, worauf der Zweite hinauswill. Ein eigener Feuerball, unbeeindruckt von dem Frost, löst sich von mir; doch bevor er einschlagen kann, ist mein Ziel schon wieder verschwunden, ein kurzes Nachbild als Schatten im Teleportschein hinterlassend.
Der Meister ist durch den Schutz der Skelette von der ersten Salve unbeschadet geblieben. "Näher zu mir, Dorelem! Absorbier ihre Geschosse!", brüllt er. Dass die verdammt unangenehm sind für mich, ignoriert er natürlich. Aber vielleicht weiß er es nicht...

So oder so, besser wir als er.

Ja. Ich wende mich ihm zu, da treffen mich zwei weitere Frostflammen. Eigentlich sollten sie sich ja selbst aufheben, aber dennoch beißt die Kälte wie Säure. Gerade so schaffe ich es zum Meister, um eine Hand zwischen seinen Kopf und einen weiteren Schuss zu halten. Meine Finger verkrampfen sich unwillkürlich, und ich verliere Gefühl in den Kuppen. Ein geschockter Blick verrät mir, dass das daran liegt, dass diese einfach verloschen sind. Meine Hand ist kleiner geworden.
Bevor ich wirklich verstehen kann, was das bedeutet, hat der Zweite die Zügel an sich gerissen und mit schierer Willenskraft unseren Körper zur Seite bewegt, um zwei weitere Angriffe abzuwehren. Ich keuche, als die Kältewelle bis in meinen Kern resoniert.
Von hinter mir, unerreichbar, schießt ein Blitz heran und zerplatzt an der Brustplatte des Meisters. Er zuckt nur kurz mit dem Kopf zur Seite, da sein ungeschütztes Kinn die Hitze - oder Kälte - spüren muss, aber von Verlangsamung durch den magischen Frost ist bei ihm nichts zu bemerken. Konstant werden die kleinen Kobolde von ihm verflucht, sodass ein Hieb eines Skeletts auf jeden Fall tödlich wäre, wenn diese es denn schaffen würden, schnell genug auf die hin und her teleportierenden kleinen Monster zu reagieren. Beide Hände des Meisters sind in ständiger Bewegung, in alle Richtungen dringen Knochenspeere aus ihnen, welche durch unsere Skelette fliegen als wären diese Luft, aber Baals Diener schmerzhafte Wunden zufügen, wenn sie diese denn erreichen. Durch das geübte Auge des Zweiten bekomme auch ich mit, dass der Meister hier sein Bestes gibt, aber das ist nicht ganz gut genug; er hat keine Erfahrung mit dieser Art des Kampfes, bisher den Fernkampf allein den Skelettmagiern oder mit als mobilstem Mitglied der Armee übertragen. Dazu kommt, dass selbst wenn ein Speer trifft, er einfach nicht die zerstörerische Kraft einer Kriegerwaffe oder gar einer Kadaverexplosion hat. Noch ist keiner der Angreifer gefallen. Pausenlos explodiert Eis in mir, und ich muss zusammen mit den Zweiten alles tun, einfach nur um meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Nur, damit er wieder und wieder in die Schusslinie kommen kann. Wenn ich getroffen werde, löscht dies an der Einschlagstelle für einen Moment die Flammen meines Körpers, und ich wechsle mich mit dem Zweiten ab, um so schnell als möglich das Loch in meiner Hülle zu stopfen, bevor ich dem Meister um die Ohren fliege.
Dessen Blick landet auf mir. "Himmel, Dorelem, reiß dich zusammen! So nützt du mir nichts!", ruft er, hebt dann den Arm, an dem sein Schild hängt, und blockt gerade noch so selbst einen Feuerball auf Augenhöhe.
Moment, ist der gerade über meinen Kopf hinweg geflogen?
Mit Entsetzen stelle ich fest, dass ich um gut ein Drittel meiner Masse geschrumpft bin. Das Feuer vergeht nach und nach, und ich habe keinen Ersatz!
Da teleportiert sich der Held der Kobolde direkt vor mein Gesicht, hängt dort für einen Augenblick in der Luft. Ich starre in seine schwarze Seele, dann ist er wieder weg, ab die fast völlig aus Eis bestehende Kugel, die er hinterlassen hat, nicht.
Die Lidlose Wand senkt sich zwischen mich und dem direkt auf meinen Kopf gezielten Geschoss. Ich sehe, dass der Meister deswegen beide Hände frei hat, weil der Schild sich selbst an seinem Arm fest hält; der Griff ist eine Skeletthand. Er muss den untoten Schutz erweitert haben, als ich gerade nicht bei ihm war.
Endlich stirbt irgendwo ein unvorsichtiger Kobold. Das verrät mir der charakteristische Klang einer Kadaverexplosion. Der Meister flucht jedoch; kein neues Opfer unter den Gegnern. Sie sind zu schnell. Ich versuche, mich wieder zu alter Größe aufzubauen, aber ich weiß nicht, woher ich die Stärke ziehen soll; ich fühle mich schlapp und ausgebrannt, als wäre ich Asche, nicht Feuer.
Da kommt mir eine Idee. "General...kann du einen Feuerball in mich schießen?"
"Eine Sekunde...", murmelt er. Steht still da. Ich strecke mich nach einem weiteren Frostfeuerblitz, denn irgendwas muss ich tun, auch wenn ich kurz davor bin, einfach zu verlöschen. Bewegungslos steht der Meister da, die Finger um den Griff seines Dolches geklammert, und ich kann mir nur vorstellen, dass seine Augen voller Anspannung hin und her wandern.
Da erscheint ein Kobold aus einem Teleport nicht weit von ihm entfernt, und er fährt herum, obwohl er ihn sicher nur am Rande seines Blickfelds gesehen hat. Knochendornen schießen aus dem Boden, formen das Gefängnis, das er von Diablo kopiert hat, und spießen die Kreatur zwischen ihnen auf. Der Gegner quiekt, der Meister springt, und bevor das kleine Monster sich sammeln kann, hat es eine tiefe Schnittwunde vom Jade-Tan-Do in der Seite.
Es entkommt aus dem Gefängnis, teleportiert sich wohl instinktiv weg, taucht einige Meter entfernt wieder auf, mit den Spitzen der Dornen noch in seiner Haut...und fällt auf die Knie. Beide Hände auf die Wunde gepresst, gibt er ein immer höher werdendes Heulen von sich, verstummt aber plötzlich, als die Fäulnis des seelenstehlenden Giftdolches seine Kehle erreicht.
Für einen Moment blicken seine Kameraden mit Entsetzen auf die zerfallende Leiche; da spüre ich die Berührung von Kettengliedern, die, unmöglich!, sich weit kälter anfühlen als alles, was ich gerade eben durchlitten habe, zusammengenommen. Doch bevor ich vor ihnen zurückschrumpfen kann, fährt aus beiden behandschuhten Handflächen des Meisters ein Feuerball, und gierig schlucke ich ihre Wärme. Mein Körper streckt sich, größer und weiter, und sofort packe ich einen der Kobolde mit einem Feuertentakel um den Hals.
Er teleportiert sofort. Aber ich halte fest...und spüre, wie das Ende meines Körpers, das um ihn geschlungen ist und so im Lichtkreis des Transportfunkens war, mit ihm mitkommt. Es ist ein kleines Fragment, aber meinen Körper zu teilen ist ja keine neue Erfahrung für mich.
So zerquetsche ich mit meinem neuen Homunkulus-Körper eine Koboldkehle, während der Zweite die frisch erstarkte Hauptmasse weiter dazu nutzt, den Meister vor der schlimmsten Barrage zu schützen. Der wird besser; endlich trifft ein Knochenspeer tödlich. Ein schneller Lerner war er ja immer...aber die vielen Fehlschüsse im andauernden Kampf zollen ihren Tribut. Seine Schläfen hinunter rinnt der Schweiß, charakteristisch dafür, dass sein Mana zuneige geht. Bald wird er nicht mehr zaubern können, und das könnte tödlich sein.
Zweiter, schafft er noch eine Explosion?
Die Frage wird schnell weitergeleitet und knapp bejaht. Ich lasse meinen Plan weitersagen, forme meinen zeitweiligen Extrakörper zu humanoider Gestalt und packe die Leiche des Erwürgten. Na komm schon, irgendwo wird doch einer mal für einen Moment still stehen...
Da! Ein Kobold macht sich bereit zu feuern, und er ist nicht weit weg. Mit aller Kraft, die ich in dieser kleinen Form aufbringen kann, werfe ich seinen toten Kameraden auf ihn.
Die Explosion zerfetzt beide, als der Meister die Leiche sprengt. Kurz darauf bin ich wieder mit dem Zweiten in einem Körper, als zwei andere mein Fragment unter Beschuss nehmen und auslöschen.
Es sind nun deutlich weniger Kobolde als vorher dabei, überall herumzuhüpfen und auf uns zu schießen, wenn die Skelette sie gerade nicht zum erneuten Teleportieren zwingen. Dafür hat der Meister aufgehört, zurückzufeuern; er muss seine Zauberkraft wieder regenerieren. Die Wächter können nun einen Großteil meiner Schutzfunktion übernehmen, und ich halte die gelegentlichen Treffer gut aus. Ein Kobold erscheint in meiner Nähe. Ich will mich auf ihn stürzen, da stolpert er, hustet, würgt und ist schnell still; ein Giftmagier hat ihn erwischt. Viele sind nicht mehr da. Wo ist der Held?
"Rückzug!", schrillt da plötzlich eine Stimme über den Bergpass. Auf einem Steinhaufen links von uns steht der, den ich gesucht habe, und simultan landen seine vier noch lebenden Diener neben ihm.
"Du hast diesmal Glück gehabt, Mensch!", ruft der Kobold, mit zitterndem Finger auf den Meister deutend. "Aber Dac Farren wird dich noch kriegen!"
"Versuchs ruhig", ätzt der Meister, wobei er es jedoch nicht völlig schafft, die Erschöpfung aus seiner Stimme zu verbannen. Sein sardonisches Grinsen sitzt jedoch perfekt.
Ein Spiegelbild erscheint plötzlich auf Dacs Gesicht. "Früher als du denkst!", schreit er, und verschwindet. Als hätte mich ein Frostblitz getroffen, durchfährt mich Eiseskälte. Wohin... Nebeneinander erscheinen die Diener direkt hinter mir. Bevor ich reagieren kann, haben sie gleichzeitig vier Nadeln aus reiner Gletscheressenz in mich gejagt. Ich stolpere nach vorn, breche in die Knie...da landet ein sanftes Gewicht auf mir.
Dac Farren kichert von meinem Kopf aus dem Meister an. "Wie wär es mit jetzt?", schreit er, hebt die Hände, und eine Frostkugel wächst zwischen ihnen...
Zentimeterweise hebt sich meine Hand, um irgendwas zu tun...wenn er mich damit trifft, kann ich meine Kontrolle über diesen Körper vergessen, und der Meister ist direkt vor mir! Erst werde ich ihm buchstäblich ins Gesicht explodieren, und dann ist die Schussbahn frei für die anderen Kobolde...
Die Skelette sind völlig außer Reichweite, der Meister hebt schneller als ich, aber immer noch zu langsam, die Schildhand...
Eine schlanke Wurfaxt gräbt sich in Dac Farrens Rücken.


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